Klangfarb - Der erste Eindruck täuscht
Text: Ko:L
Bilder: Klangfarb
„Hauäd ab“ - ein ziemlich klares Statement eröffnet die Pre-Release EP von Klangfarb. Weniger klar war das Statement „Klangfarb“ - wenigstes für unbedarfte Musik-Schmierfinken wie den Herrn Ko:L von www.trespass.ch. Als Urs Tanner ihm den Silberling und das Infomaterial geschickt hatte, legte er es erstmal ein paar Tage beiseite. „Klangfarb – tönt nach Eso-Synthi-Pop. Das kann warten“, waren in etwa Journis Gedankengänge... Deshalb umso grösser dann das Staunen, als da ein satter Beat und bald einmal das volle E-Gitarren-Brett aus den Boxen krachte, nachdem der unbedarfte Herr Ko:L sich doch die Mühe genommen hatte und den Silberling mit der schlichten Anschrift „Klangfarb“ in die CD-Schublade geschoben hatte.
„Ich wollte einen Namen, der nicht kitschig tönt“, erklärt Urs Tanner beim Kafi im Fressbalken. Die Location ist naheliegend wenn der Musiker aus St. Gallen und der Schreiberling aus Thun kommt... zwar nicht so Rock´n´Roll – aber mit feinem Koffeintee. „Gerade im Mundartbereich passiert es mir dann und wann, dass mir die Lust am reinhören in eine CD schon vergeht, wenn ich den Namen der Band höre“, fährt Tanner fort. Am Begriff „Klangfarbe“ gefalle ihm auch die Tatsache, dass er ein wenig nach Understatement tönt - „und das sich alle automatisch das darunter vorstellen, was es am Ende ist.“ Und sowieso: Dreckig braune und rockige Erdtöne sind genau so Farben, wie psychedelisch bunte LSD- und Eso-Gemälde... Und: „Klangfarb ist ein Wort, das gut von den Lippen geht, das Mundart ist, dem man aber nicht gleich ansieht, dass es Mundart ist. Ein Wort mit ´ä´ oder ´ö´ wäre nicht in Frage gekommen.“ Jaja, der Mann hat sich was gedacht, als er den Namen für sein Projekt ausknobelte. Überhaupt überlässt Urs Tanner kaum etwas dem Zufall. Nach mehreren Jahren als Tontechniker am Theater in St. Gallen hatte er irgendwann genug davon, nach der Geige anderer zu tanzen. Er machte sich selbständig und baute Tanner Audioproduktionen auf, seine Firma, die wie der Name sagt Audioproduktionen aller Formen und Farben ausführt oder begleitet.
Sein eigener Boss ist Urs Tanner auch bei Klangfarb. „Das Projekt kommt von mir und ist nach meinen Wünschen gestaltet“, erklärt er. Das hat nichts mit Ego zu tun, „sondern mit klaren Strukturen und meiner Freiheit als Künstler.“ Eingespielt hat Tanner die Songs zwar zusammen mit Christian Bühlmann (git), Neil Filby (git), Mario Frei (git), Jula Jau (Space voc), und auch live steht er mit einer kompletten Band im Rücken auf der Bühne. „Wenns gut geht, ist es gut möglich, dass ich über Jahre mit den gleichen Musikern zusammenarbeit. Aber wenn wir andere Vorstellungen von Sounds und Songs haben, gehen wir halt getrennte Wege.“ Den Vergleich mit Nine Inch Nails´ Trent Treznor bringt Tanner dann gleich selber... „Zentral ist, dass ich die Kontrolle habe, dass über allem aber das Projekt steht, das gelingen muss.“ Im Fall von Klangfarb ist das Projekt eines der rockigen Sorte – und eines das mit Mundartgesang im kantigem St. Galler-Dialekt überrascht. „Für mich war immer klar, dass ich meine Texte in Mundart schreibe, das tue ich schon seit zehn Jahren“, meint Tanner und hält damit schon im vornherein Gedanken à la „Noch einer, der auf den Mundart-Zug aufspringen will“ entgegen. Dabei ist sich Urs Tanner durchaus bewusst, dass es einen gewissen Mut braucht, St. Galler-Dialekt zu singen – schliesslich gehören die Nordostschweizer nicht gerade zu den beliebtesten Sprechern in der Schweiz. Aber: „Unser Dialekt ist nicht so rund und geschliffen, wie vielleicht das Berndeutsch. Ein Aspekt, dem ich auch musikalisch Rechnung zu tragen versuche.“ Und in der Tat: Klangfarb bringt Sound mit ecken und Kanten, bei „Hauäd ab“ etwa jagen sich zackige Rythmen und selbst das besinnliche „Du“ wird im Refrain von krachenden Gitarren durchbrochen.
Ecken und Kanten transportiert Tanner allerdings nicht nur musikalisch – auch inhaltlich hebt sich Klangfarb vom üblichen Gesäusel über erwiederte oder unerwiederte Liebe und dem Heimweh nach der heilen Schweiz ab. Vielmehr zeichnet er ein eher düsteres Bild von der Welt, in jener sich Tanner bewegt. „Beziehungen sind schon auch ein Thema. Aber bei mir gehts halt vielleicht eher um die ideale künftige Beziehung – und der Text ist dann halt eher in Moll als mit glückseligen Dur-Akkorden und krachenden Gitarren unterlegt, um die ganze Intensität dieser Gefühle umzusetzen.“ Aber auch Alltagsthemen beschäftigen ihn, Leute die allein sind und die Frage nach dem Warum. „Mich interessieren Menschen und die Geschichten hinter diesen Menschen – und ich möchte auch, dass Leute sich angesprochen fühlen und vielleicht mal auf jemanden zugehen.“ Irgendwann landen wir dann bei Gölä und der Tatsache, dass er vielleicht der erste war, der ebendiese Themen in einer simplen und vor allem ungeschmiken Art und Weise aufgriff. Zu guter Letzt spielt aber auch Tanners persönliche Beziehung zu Gott eine Rolle in seinen Texten. „Ich stehe allerdings überhaupt nicht auf die Zeigefinger-Mentaliät und ´Du musst, sonst dies un das´. Vielmehr möchte ich die Menschen dazu angregen, über den Glauben nachzudenken und sich zu überlegen ´Hey, wenn der das so erlebt, könnte vielleicht was dran sein.´“
Am Ende ist es wenig erstaunlich, das Urs Tanner bereits sehr genau weiss, wie die nächsten Wochen und Monate für Klangfarb aussehen sollen: "In den nächsten zwei, drei Monaten wollen wir ein wirklich gutes Live-Set zusammenstellen und dann Gigs spielen", erklärt der Klangfarb-Mastermind. Dabei hat er nicht nur im Kopf, Leute mit energiegeladenen Live-Performances zu beglücken, sondern auch den Namen Klangfarb weiter bekannt zu machen. "Und vielleicht so zu einem Plattendeal zu kommen..."