Lacrimosa – Lichtjahre (Hall of Sermon)
Text: Eve
Bild: Cover
Grosse, weisse Schneeflocken fallen vom Himmel und machen es den Sternen unmöglich, auf die kalte, nasse Erde hinabzusehen. Gerade richtig, um Lacrimosa in den Player zu schieben und ein paar Kerzen anzuzünden. Denn was da mit Glockengeläut anfängt wird zu elektrisierendem, spannungsgeladenem Gothic-Metal. Geschmackvolle, stark an klassische Musik gebundene Melodien wirken mit harten Metal-Elementen zusammen, düster, prunkvoll und aufwendig gestaltet. Texte die poetisch und bilderreich die Seele durchleuchten und dort nicht nur heiteren Sonnenschein vorfinden. „Ich baue eine Mauer“ sind die verängstigten, unsicheren und enttäuschten Gedanken eines Menschen der verletzt, verraten und belogen worden ist. Seelischer Schmerz, tiefe Abgründe und eine zweifelhafte Gemütsverfassung sind wohl erforderlich, um derartige Musik zu dichten. Wenn sich Lügen, Engel, Sünden, bitte nach Vergebung, Himmelreich und Höllenschlund vereinigen, flackert das Kerzenlicht todesmutig in meiner guten Stube. Von Schmerz zerrissen, allein, ausgenutzt von der Gesellschaft und von der Menschheit enttäuscht zieht sich der Verletzte nun zurück um seine Wunden zu lecken. Um Heilung und Veränderung geht es meiner Meinung nach genauso wie um Auflehnung und Frustration. „So bin ich ein Fremder...“ singt er bei „letzte Ausfahrt: Leben“ und distanziert sich dadurch von seiner Umgebung. Die gedrückte Weltuntergangstimmung, untermauert von dramatischem Gesang und der von klassischen Splittern durchdrungenen Musik reflektiert den Geist einer kalten und unbarmherzigen Zeit wie ein keuchender Atemzug. Die Kombination von schleppenden Stücken und auch etwas ungestümeren machen die Rondelle erst richtig interessant. Gerade der herausfordernde, kämpferische Track „Komet“ glänzt mit fantastischer Instrumentierung, gutem Text und packender, barocker Power. Schon 1990 machte Tilo Wolffs Projekt Lacrimosa mit seinem Tape “Clamor” von sich reden. Um Lacrimosa die bedingungslose, musische Selbständigkeit und Souveränität zu garantieren, gründete er das Label Hall of Sermon mit Sitz in Schlieren. Einige Zeit später kam Anne Nurmi dazu und machte aus dem Soloprojekt weit mehr als nur ein Duo. Annes sinnliche, elfenhafte Stimme harmoniert mit der brüchigen, herben von Tilo vollkommen und belebt die Songs mit ihrem geheimnisvollen, esoterischen Singsang. Vor allem bei „Not every pain hurts“ und „The turnig point“ brilliert sie, ist aber auch beim Rest der Songs nicht wegzudenken. Ausserdem erschien gleichzeitig zur CD "Lichtjahre" noch der gleichnamige Film auf DVD. Darauf zu sehen sei die ganze Lichtgestalt-Tournee mit den kuriosesten und expressivsten Momenten. Von den Live-Auftritten zu langen Busfahrten, Backstage Ereignissen, einem Besuch auf dem roten Platz in Moskau bis hin zu privaten Hotelzimmerpartys. Ich für meinen Teil lasse mich zu Lacrimosas Musik lieber vom Flackern der Kerzen hypnotisieren...