Les Sauterelles - "Today" besser als je zuvor!
22.4.2013; Text: Monthy, Bilder: Rolf Schlup, Les Sauterelles
Als die Sauterelles ihr letztes Studioalbum veröffentlichten, war ich noch längst nicht auf der Welt. 1968 nämlich erschien ihr zweites und bis heute (!) letztes, "View To Heaven", und begründete einen Ruf, von dem Toni Vescoli, Düde Dürst und Konsorten noch heute zehren. Die Sauterelles könnten den Titel "Schweizer Beatles" wohl schon fast patentrechtlich schützen lassen. Vor dem Interview in der Lobby des Swissôtels Oerlikon, wo ich die beiden treffe, spreche ich das wunderbare Flower-Power-Cover an, das die aktuelle Platte "Today" ziert. Düde verrät mir, dass er schon 1965 dieses Logo kreierte und ich stimme mit ihm überein, dass es jetzt noch fast mehr passt als es damals schon hätte. Dass es damals nicht mehr gebraucht wurde, lag hauptsächlich an der Trennung der Band 1970.
Die Verhältnisse waren damals noch ganz andere. Erstens brauchte man eine Plattenfirma, um überhaupt ein Album aufnehmen zu können. "Man musste zuerst bekannt sein - erst dann durfte man ins Studio...", erklären mir die vielleicht ältesten noch aktiven Dinosaurier der Musikszene, "- und dann musste man eine gute Live-Band sein. Damals ging man ins Studio, um die Songs einzuspielen - nicht um an ihnen herum zu basteln." Prinzipiell habe sich aber in einer Hinsicht bis heute nichts geändert: "Abgezockt wurde man schon damals - im Sinne von: Wer zahlt, befiehlt! - Nur konnte man sich das früher eben selbst gar nicht leisten, also war man ihnen noch mehr ausgeliefert. Ins Studio gehen hat damals ein Vermögen gekostet ...", erinnert sich Düde mit mindestens einem weinenden und höchstens einem lachenden Auge. Den Komfort von "Homestudios" wie er heute schon fast üblich ist, kannten die Sauterelles damals nicht. Für "Heavenly Club" durften sie aber immerhin in einem der ersten 8-Spur-Studios Europas aufnehmen. "Da konnten wir dann noch ein bisschen experimentieren, etwa mit Orchester", erzählt Toni aus dem Nähkästchen. Vom heutigen Standpunkt sind auch 8 Spuren nicht gerade viel, bemerkt er schmunzelnd und gibt mir noch etwas Einblick ins Aufnehmen von damals.
Nach der Trennung 1970 gab es die Sauterelles, abgesehen von ein paar wenigen speziellen Auftritten, nicht mehr - allerdings nur bis 1993. Weshalb haben sie sich seit dieser Reunion 20 Jahre Zeit gelassen bis zu einem neuen Album? - Toni: "Jeder hat so sein Ding gehabt und konnte seine eigene Kreativität ausleben. Die Sauterelles waren eher so ein Hobby nebenbei. Wir hatten einfach 'de Plausch', diese alten Sachen zwischendurch wieder mal zu spielen." Jetzt aber sei der Zeitpunkt gekommen und - wie die "Heugümper" gleich im Opener klar stellen - die Band sei besser als sie je zuvor gewesen seien. Ich frage, ob dies der Anspruch an die heutigen Sauterelles sei. "Wir sind ja auch besser geworden", stellt Toni lapidar fest und Düde meint: "Wenn du alt und neu parallel hörst, wirst du das auch feststellen... Es ist modernerer Sound, etwas besser gespielt - wir haben damals ja eigentlich erst gelernt, was gute Musik ist. Als wir das dann wussten, sind wir ihr aber treu geblieben." Deshalb darf man jetzt getrost behaupten - wie ich das tue - dass selten eine Band beim dritten Album so viel Erfahrung hatte wie die Sauterelles. "Kann man wohl sagen!", meint Toni lachend und spricht augenzwinkernd von einem "rechten Schritt".
Damals konnten sich die Protagonisten noch nicht einmal vorstellen, 60 Jahre alt zu werden - geschweige denn, in diesem Alter noch Musik zu machen. Sind sie heute Alt-Hippies? Von denen sagt man ja, sie seien die schlimmsten Banker geworden... - Die Meinungen gehen auseinander. Toni findet, sie waren schon damals zielstrebig und hätten nicht einfach so in den Tag hinein gelebt, was die Hippies ja so ein bisschen ausgemacht habe. Düde dagegen trägt noch immer imaginäre Blumen im Haar und hat sich die Philosophie vom "Summer of Love" erhalten. "Love and Peace war schon eine Idee mit Sinn dahinter...", meint Düde - auch wenn die Sauterelles nie eine politisch engagierte Band waren. Dass die Welt von heute eher dem Gegenteil der damaligen Absicht entspricht, ist für die beiden unbestritten. "Das war auch nicht absehbar - damals gab es die ganze Technologie noch nicht. Das hat die Welt sehr stark verändert..."
Und genau deshalb habe ich die Heugümper denn auch besonders ins Herz geschlossen. Ihnen hört man die gute alte Zeit noch an. Die "Schweizer Beatles" propagieren sich ja auch als leicht nostalgische Band. Musikalisch ist der Slogan jedoch nicht ganz korrekt. Denn "Today" tönt mir doch fast mehr nach - Bob Dylan... Toni: "Es hat verschiedene Einflüsse drin - Dylan, Beatles, aber auch The Byrds beispielsweise. Einfach all die Sachen, die uns so gefallen." Düde fügt an: "Dieser Dylan-Touch ist natürlich Tonis Gesang geschuldet. Er hat schon immer so gesungen wie Bob." Die beiden erinnern sich daran wie man Toni mal gesagt hat, Dylan singe wie Vescoli - und wohlgemerkt nicht umgekehrt. Heute versuchen viele Bands, besonders englisch zu tönen. Ausgerechnet DIE Beat-Band der Schweiz aber hat dank dem Dylan-Touch eher einen amerikanischen Einschlag. "Wir sind ja Schweizer... Warum sollten wir versuchen, englisch zu tönen?", stellt Düde eine Frage, die ich etwa jeder zweiten solchen Band weiter geben möchte. Ich stelle fest, dass man vielleicht eine eigene Identität brauche, um etwas eigenes darzustellen. Auch die Stones haben es den Sauterelles übrigens angetan. Sie haben diesen Zwiespalt Beatles-Stones auch nie so empfunden. Ich frage, ob man sie nicht eher mit den Stones vergleichen müsste? - schliesslich stehen die auch immer noch auf der Bühne... "Vom Alter her auf alle Fälle", tönt es unisono, auch wenn Toni im Endeffekt nicht "auf der Bühne sterben" möchte. Solange es die Gesundheit und der Geist zulasse, werden die "alten" Herren aber jedenfalls weiter machen. "Meine Frau würde mir schonend sagen, dass es langsam Zeit sei aufzuhören - falls ich es nicht selber merken würde", verlässt sich Toni in der Hinsicht auf sein Umfeld.