Liricas Analas: "Wir sind voll Rock!"
26.07.2012; Text: Nico, Bilder: Monthy
Die Scheibe AnalFaBad lief im Jahr 2006 in meiner Stereoanlage auf Replay. Mein Lieblingssong des Albums war die Singleauskupplung „Siemis“ mit der es Liricas Analas zum eigenen Videoclip schafften. „Wie die Zeit vergeht“, dachte ich mir, als ich den Jungs – die damals noch richtige Jungs waren und jetzt schon ziemlich reif und erwachsen wirken – auf der Bühne ihres Heimopenairs zujubelte. Bereits das vierte Mal konnte man sie letzten Samstag am Openair im Tal des Lichts erleben. Diesmal war ihr viertes Album Programm. Und dennoch kamen auch Fans der ersten Stunde (wie ich!) auf ihre Kosten. Bei der Darbietung ihres Hits „Siemis“ wurden die Fans dazu angehalten, die Hände in der Luft zu einem Herz zu Formen. Von der Bühne aus muss dies ausgesehen haben, wie ein Meer voller Herzen….ein Traum, passend zum Song (Siemis heisst zu deutsch Träume).
Träumen liess es sich aber auch zu den neuen Songs ganz gut. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Songs der neuen Scheibe „Analium“ um einiges elektronischer daher kommen als früher. „Ja, im Vergleich zu AnalFaBad schon aber im Vergleich zu Analectrica weniger. Analectrica war ebenfalls schon elektronischer und jetzt sind wir irgendwo dazwischen.“, fasst MC Flepp zusammen. Während dieser Aussage, wird er von MC Orange belehrt, dass das „Bad“ in AnalFaBad englisch ausgesprochen werde und Flepp entschuldigt und korrigiert sich darauf hin, bis wir alle lachen. Das ist dann aber auch das Einzige, was englisch ausgesprochen werden darf oder – wenn es nach Orange geht – muss. Denn die Bündner bleiben ihrem Rätoromanisch treu. Sie hatten noch nie das Gefühl, dass englisch für den internationalen Erfolg dann doch besser wäre. „Dann wären wir nicht mehr wir selbst. Romanisch ist unsere Muttersprache. Es wäre dann einfach ein Fake. Es wäre weder ehrlich noch persönlich“, gesteht Flepp. Und Orange fügt hinzu: „ Also dann würden wir es wirklich nur noch für den kommerziellen Gebrauch nützen aber es käme sicherlich nicht mehr aus dem Herzen heraus.“
Man merkt den Jungs auch zwischen den Songs an, wie sehr sie mit ihrer Sprache verwurzelt sind. Wir sind zwar hier im Graubünden und doch sind auch einige nicht romanischsprachige Festivalbesucher im Publikum. Liricas Analas scheint dies nicht zu stören, denn es wird immer wieder Rätoromanisch gesprochen, als wäre das das Normalste überhaupt. Einzelne Brocken werden von Flepp netterweise ins Deutsche übersetzt. Dieses Rätoromanisch fasziniert jedoch auch, wenn man es nicht versteht. Mit dem Durchbruch der Bündner kam der Hype ums Erlernen der Rätoromanischen Sprache wieder auf. Ich kann mich daran erinnern, dass plötzlich alle meine Kolleginnen mit ihren Songs rätoromanisch lernten/lernen wollten…ich inbegriffen. „Wir haben es tatsächlich auch ein paar Mal miterlebt, dass die Leute gemeint haben, sie hätten wegen uns wieder angefangen romanisch zu lernen…immer noch, das ist lustig.“, erklärt Flepp begeistert.
Die Sprache und die Ausgefallenheit der Band und deren Songs sprechen ein grosses Zielpublikum an. Das wissen auch die Organisatoren des Festivals. So war es wahrscheinlich auch kein Zufall, dass die Bündner um 13.20 Uhr als erster Act den Festivalsamstag einrappten. Kurz vor dem Auftritt war das Areal vor der Bühne fast menschenleer und mit den ersten Klängen von Liricas Analas füllte sich das Matschfeld im Nu. Flepp lässt die Katze aus dem Sack: „Eigentlich war 18:00 Uhr abgemacht, aber aus der Sicht des Veranstalters ist es clever, uns früh aufzubieten weil, wie du gesehen hast, hat es „u huere viel Lüt gha“. Die kommen wegen uns so früh. Und wenn du der Veranstalter bist, bist du froh darum. Denn die Leute sind dann schon da und konsumieren.“ Orange meint, es sei dieses Jahr bestimmt mit siebzigprozentiger Garantie der Fall gewesen. Das kann man dem Organisator, der die Jungs bei Veröffentlichung von jedem Album engagiert, doch auch gar nicht verübeln, denn gewirkt hat’s offenbar.
Abgesehen von ihrem Heimfestival spielt die Hip Hop Formation – welche ursprünglich aus fünf und jetzt nur noch aus drei MC’s besteht – allgemein sehr gerne an Openairs. Ehrlich gesagt, dürfen sie ja auch fast nichts anderes sagen, denn auf welchem Festivalplakat ist denn die Band dieses Jahr schon nicht vertreten?! „…wir haben noch nie in Montreux oder Paléo gespielt..ach ja, am Hoch-Ybrig waren wir auch noch nie…“, als Flepp so am Aufzählen ist, wirft plötzlich jemand ein, dass sie es doch auch noch nicht ans Greenfield geshafft hätten. Da stellen sie sich (es scheint) das erste Mal die Frage, warum sie noch nie am Mosher-Festival in Interlaken aufgetreten sind. „Ja, wir sind eigentlich auch Rock…wir sind voll Rock…“ meint Flepp ergänzend. Und dann sind sie sich alle sicher, wie der Plan für 2013 lautet: „Nächstes Jahr Greenfield!“