Schon wieder: Rap der rockt!

Text: Ko:L
Bilder: Mänu Zingg, mzingg.ch
Flepp rocks
Eine Band, die mit Bon Jovis „Runaway“ ab Platte ihren Gig eröffnet, hat Mut. Von besonderem Mut ist die Rede, wenn es um eine HipHop-Crew geht. Aber die Erinnerung an die Show von Double Pact am Styles in Luzern lebt – und die freudige Erkenntnis: Heute rockt auch Rap. Fünf Mikrofon-Chönige, zwei DJs, messerscharfte Rumantsch-Rhymes und Druck bis an den Bach runter – das sind die Liricas Analas. Im Gespräch mit Jusht und Flepp nach dem Gig am Val Lumnezia, fällt ein Satz immer wieder: „I don´t give a f*** - wir ziehen einfach unser Ding durch.“ Denn: „Jeder von uns ist musikalisch. Was musikalisch machbar ist, setzen wir ein. Jeder hat seine Stärken und Fähigkeiten. Am Ende ist es egal, ob du HipHop oder Rockmusik macht. Es ist die Musik, die´s macht!“, stellt Jusht klar. Und Flepp meint unbescheiden: „Wir setzen uns keine Grenzen!“ Beim beobachten der beiden im Gespräch und beim inneren Rückblick auf die Show fällt auf: Sie müssen recht haben. Konventionen kennen sie nicht. Einzige Bedingung: Es knallt! Es sei schon möglich, dass es Leute gebe, die sagen, die Liricas hätten mit ihrer Attitüde den Rap verraten. „Vielleicht werden wir deswegen an so vielen Rock-Openairs gebucht“, mutmasst Jusht.
Die beiden DJs
„Miar fühlen ois überhaupt nid“, entgegnet Jusht auf die Frage, wie es sich als Pionier lebe. Immerhin sind Liricas Analas die ersten Rumantsch-Rhymer, die über die Grenzen des Engadins hinaus für Aufsehen sorgen. „Auch andere haben schon versucht, romanisch zu rappen“, relativiert er. „Aber wir sind dran geblieben“, schiebt Flepp hinterher. Es seien halt zwei Kulturen, die aufeinander treffen, fährt Jusht fort. „Die Jugendkultur und der HipHop treffen auf romanische Kultur, auf die Region hier. Um guten Sound zu machen, musst du beides vereinen können. Es reicht nicht, dass du gut rhymst und von romanischer Kultur keine Ahnung hast – und umgekehrt gehts auch nicht.“ Er glaube einfach, dass bei ihnen die Kombination stimme – um im gleichen Atemzug „I chans au nid richtig sega“, anzufügen. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, dass Flepp sagt, vieles auf der Bühne sei bei den Liricas Analas Improvisation. „Wir haben auch kaum fixe Sets, sondern lassen uns oft von der Stimmung und der Tagesform jedes einzelnen treiben.“ - „Wir sind ein so chaotischer Haufen, da kannst du überhaupt kein System reinbringen“, bringt Jusht die „Philosophie“ der Analas auf den Punkt. Eine Einstellung, welche die Crew zu einem angenehmen Kontrapunkt macht, in einer oftmals durchgestylten und bis ins letzte Detail geplanten Show-Welt, welche das Musikgeschäft heute darstellt.
Flepp flippt
Mit ihrem Video zum Track „Siemis“ sind die sieben Bündner dieser Lust zur Improvisation, dem Bild vom chaotischen Haufen allerdings bis zu einem gewissen Grad untreu geworden. Gedreht im architektonisch perfekt orchestrierten und durch und durch durchdachten Valser Thermalbad überrascht der Clip mit einer klaren reinen Bildsprache, die im ersten Moment gar nicht zu den Vollgas-Rappern auf der Bühne am Val Lumnezia in Degen passen will. Zwei Welten prallen aufeinander. „Genau darum geht es“, erklärt Jusht. In „Siemis“ gehe es um Träume. „Wir wollten etwas, das zu diesem Thema passt und uns auch aus diesem Standard-HipHop-Image rausreisst.“ - „Wir wollen halt immer aussergewöhnlich sein, nicht wie alle anderen“, fügt Flepp an. Und in der Tat: Die Valser Therme werden nämlich normalerweise nicht für Foto- und Filmsessions freigegeben. „Die lassen riesige Firmen abblitzen. Aber wir druften den Clip drehen, weil Zumthors unseren Sound cool finden und der Meinung sind, diese Idee, romanisch zu rappen, sei unterstützungswürdig.“ So kam es, dass Liricas Analas zusammen mit der Crew der Berner Produktionsfirma wiseguys eine Nacht lang die Therme als Szenerie für das Video zu „Siemis“ nutzen durften – kostenlos.
Liricas Analas live
Credibility im Sinn von Glaubwürdigkeit sei ihnen wichtig, sehr wichtig sogar, sind sich Jusht und Flepp einig. „Scheiss auf die Erwartungen“, meint Flepp. Gepose sei nicht ihr Ding. „Ich höre viel verschiedene Musik und mach das ganze in erster Linie für mich. Titten, Ärsche und Goldketten tauchen deshalb nicht auf in ihrem Video – weil´s auch kaum glaubwürdig wäre, wenn Jungs aus dem Bündnerland wie aus dem Ghetto aufposen würden. „Wir sind nicht so und wir können nicht eine Rolle spielen, die wir nicht sind“, sagt Jusht, „wir können auch nicht Super-Gs sein. Wir kommen alle aus guten Familien, haben eine gute Ausbildung genossen und haben genug Kohle.“ Trotzdem: „Nei!!!“, und Gelächter sind die Antwort auf die Frage, ob Liricas Analas Rap für Reiche sei. Und: „Wir machen Rap für überhaupt niemanden. Höchstens für uns, damit wir Fun haben und Party machen können.“
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