Magnetfisch - Sprachlosigkeit als Konzept?

16.5.2012; Text: Monthy, Bilder: Monthy, Nico
Kaum ein Bild charakterisiert Timi wie dieses
Dass eine Instrumental-Band auch im Interview eher wortkarg ist, sollte mich eigentlich nicht überraschen. Schliesslich wohnt dem eine gewisse Logik inne. Überhaupt haben es die Berner Electro-Rocker Magnetfisch nicht so mit den Worten. Auch beim Konzert in der Mahogany Hall, in die sich an diesem Samstagabend vier Bands eingemietet haben, die sich auch den Bandraum teilen, gewinnt man mehr Erkenntnisse über das Trio, wenn man ihnen einfach zuschaut als wenn man den wenigen Worten zwischen den Songs lauscht. Keyboarder Timothé Barrelet ist nicht von ungefähr auch auf der Bühne zentral. Die Electrotöne hauchen dem rhythmischen Korsett von Gitarrist Patrick Scherrer und Bassist Rolf Althaus erst wirkliches Leben ein. Der Mann, der dahinter auf und ab hüpft wie ein Gummiball, meint auf seine Hyperaktivität angesprochen: "Im Endeffekt ist es ja Rock'n'Roll..." Der für die Melodie besorgte Zappelphillip scheint so den Rhythmus seiner Kollegen in sich aufzunehmen. "Die Bühne eignet sich auch gut, um Dampf abzulassen. Vom Alltag und all dem, was einem so beschäftigt", schiebt er erklärend nach. Dass die Worte dabei aus ihm raussprudeln, kann man zwar nicht gerade behaupten. Aber Patrick und Rolf können auch nicht bestätigen, dass Timi im normalen Leben zapplig sei. "Effektiv nur auf der Bühne...", lacht es mir aus zwei Kehlen entgegen, während ich mittels Monitor meiner Kamera das für Timi charakteristische Foto (siehe oben) herzeige.
Volle Konzentration - Rolf am Bass
Und wenn wir schon gerade dabei sind, hätte ich auch noch ein Foto von Rolf zeigen können (siehe wiederum oben...) - Kommentar: Am Gesichtsausdruck arbeiten wir noch... Auch Patrick und Rolf verfallen - wenn auch nicht gar so sehr wie Timi seiner Trance - dem Tunnelblick. Nur die Töne scheinen in diesem Universum noch Bedeutung zu haben. Es ist als ob sich alles ein bisschen umdreht: Die Instrumente werden lebendig, während die Körper umgekehrt zu Intstrumenten werden. Timi erklärt das Ganze mit der Konzentration, die das Trio für ihre Musik aufbringt, während Rolf einen ganz anderen Ansatz einbringt: "Wir hatten ja auch mal eine Sängerin. Und in dieser Zeit hat uns Typen natürlich niemand angeschaut. Das haben wir uns wohl angewöhnt..." Tatsächlich war dieser Fisch nicht immer stumm. Während rund fünf Jahren lieh ihm Seline Kunz ihre Stimme. "Das war eine ziemlich lange Zeit - trotzdem haben wir nur etwa 13 Songs mit ihr aus einem Repertoire von 50", tönt Timi an, dass dieser Abschnitt in der Bandgeschichte nicht der produktivste war. Dass es mit ihr schlussendlich nicht klappte, kann damit zusammen hängen, dass die Melodien schon so viel bieten, dass Gesang gar nicht unbedingt nötig ist. "Mit ein Grund war wohl auch, dass wir anderen alle in ganz ähnlichen Lebenssituationen stecken", fügt Timi auch noch an.
Gitarrist Patrick Scherrer in der Berner Mahogany Hall
Worauf ich hinaus will, ist der Act, mit dem man Magnetfisch noch so am besten vergleichen kann. Sei es wegen des Romand-Einschlags, den der bi-lingue Timothé einbringt oder (vielmehr) durch die ausdrucksstarken Melodien - Ich muss dabei immer an Air denken... Timi kann sich zumindest noch an "Kelly watch the stars" erinnern, also hake ich nach, ob es denn denkbar wäre, Stimmen mehr auf Basis Sampler und quasi intrumentalisiert zu verwenden? - Patrick hat den aktuellen Vorfall parat und meint schliesslich: "Mein Bruder hat mir kürzlich mal wieder gesagt, ab und zu fehlte schon eine Stimme. Und da wir nicht wirklich Lust darauf haben, eine neue Stimme einzuarbeiten, müsste man sich das vielleicht überlegen. Wieso nicht?" Nicht, dass ich denen was einreden will - aber nur für den Fall sichere ich mir eine Erwähung im zukünftigen Booklet zu. "Wir hatten schon mal so etwas. In einem unserer Songs kam einmal der sogenannte Delay Lama vor..."
Mit Händen und Füssen erklärt Timi Monthy Magnetfisch
Das von Timi anfänglich erwähnte Element "Rock'n'Roll" wird auf der Bühne etwas offensichtlicher als auf den bisherigen CDs und EPs, wo oft die elektrifizierenden Melodien etwas heraus stechen. "Wir haben zwar keine Texte, aber dennoch eine Haltung, die man oft aus dem Titel heraus lesen kann", macht Timi denn auch deutlich, "Es gibt eben schon Dinge, von denen wir die Nase voll haben. Und das bringt uns dann zum Rocken. Das sollte speziell auf der nächsten EP, die wir auf November geplant haben, stärker ausgeprägt sein." Nebst Stimme fehlt Magnetfisch ja eingentlich auch noch das Schlagzeug, das allenfalls programmiert, manchmal aber auch gar nicht vorhanden ist. Trotzdem fehlt mir eigentlich nichts, wenn ich den Songs zuhöre. Und im Vergleich zur sonst oft vollgestopften Musikmode "lassen die Songs Platz, damit die Leute auch selbst einmal ihren Gedanken und Träumen nachhängen können", um es in Timis Worten zu sagen, die ich für einmal auch nicht besser hätte wählen können. Es braucht aber nur eine Frage - zum Beispiel diejenige, die man einer Instrumental-Band wohl am häufigsten stellt: Warum macht man das überhaupt? - um zu merken, dass es diesen drei Musikern einfach leichter fällt, sich durch ihre Musik mitzuteilen.
Im Vordergrund Electro, dahinter Bass (und Gitarre) - Magnetfisch
Insgesamt scheinen Magnetfisch auch absolut befähigt, den Leuten ihre Message ohne Worte rüber zu bringen. Und das ist vielleicht wetvoller als wenn man den Leuten etwas einreden kann, das dann doch nicht nachhaltig ist. "Deshalb freut es mich auch so, wenn du sagst, dass uns eigentlich nichts fehlt", nimmt Timi einen Faden auf, kurz bevor er endgültig um die Ecke schwänzelt, "und auch der konzentrierte Gesichtsausdruck kommt vielleicht daher, dass wir die Leute mit unserer Musik aus ihrem Alltag reissen und ihnen etwas bieten wollen." Rolf bringt es abschliessend leicht humoristisch auf den Punkt: "Wir wussten von Anfang an, dass die Wirkung unserer 'Gringä' nicht genügen würde. Zuerst haben wir noch versucht, mit Visuals und Super8 abzulenken..." - jetzt konzentrieren sie sich einfach auf die Musik und halten sich ans leicht abgeänderte Sprichwort: Singen ist Silber - Instrumental ist Gold...
Timi mit seinem Rüstzeug in der Mahogany Hall
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