Zwischen zwei Bissen - Manillio

19.07.2013; Text: Nico, Bilder: Matthias Keller (stammen von Gurtenfestival)

Am Freitagmittag trafen wir den Solothurner Rapper Manillio kurz vor seinem Auftritt am Festival in seiner eigentlichen Geburtsstadt Frauenfeld. Da es fürs Essen auch noch reichen muss, belegt es sich gleich noch ein Brot und vergewissert sich bei mir, dass ich Ihn beim Interview nicht filme sondern nur seine Aussagen auf meinem Diktiergerät festhalte. Sichtlich erleichtert lacht er und meint, dann könne er ja getrost weiteressen.Der junge Künstler - welcher von sich selbst meint, er wäre mit seinen 26 Jahren nun doch nicht mehr der Jüngste -ist voller Vorfreude, gleich auf der Bühne zu stehen. "Ich freue mich schon sehr gleich mit dem neuen Album hier spielen zu dürfen." Manuel, wie Manillio mit gebürtigem Name heisst, betritt die Frauenfelder Bühne heute jedoch nicht zum ersten Mal. 2008 durfte er dem Openair Publikum hier bereits sein erstes Album präsentieren und von da an absolvierte er diverse Gastauftritte, beispielsweise bei Lo & Leduc oder bei Tommy Vercetti.

Manchmal hat man schon das Gefühl, Schweizer Rapper würden sprichwörtlich, wie Pilze aus dem Boden schiessen, weshalb ich es mir sehr schwierig vorstelle in der Schweizer Hip Hop Szene Fuss zu fassen. Doch Manuel hät das - auch ohne Vitamin B - für durchaus machbar und er verrät auch gleich wie: "Ich finde, es ist nicht so schwierig, man muss einfach immer dran bleiben, arbeiten und nicht darauf warten entdeckt zu werden, sondern viel Eigeninitivative ergreiffen. Denn so, denke ich, kann man relativ schnell etwas erreichen." Das sind doch einmal ermutigende Worte für alle von euch, die eine Karriere als Rapper im Visier haben. Der Profi hat euch also gesagt, was zu tun ist, um es nach ganz oben zu schaffen. Er selbst hält sich jedoch zurzeit lieber im "Irgendwo" auf.

Sein neues Album mit dem Titel "Irgendwo" ist seit diesem März auf dem Markt. Bevor ich ihm verrate, weshalb der Titel meiner Meinung nach sehr treffend ist, beschreibt mir Manuel, wie es zur Titelfindung kam: "Der Titel kam auf abstrakte Weise zu mir. Ich hatte erst noch einen anderen Titel im Kopf, doch während den Arbeiten zum Album ist mir aufgefallen, dass "Irgendwo" ein Wort ist, das sich durchs ganze Album zieht." Erst im Nachhinein erinnert sich Manuel an den Film "Somewhere" (was zu Deutsch "irgendwo" heisst) von Sofia Coppola, welcher ihn eigentlich zum Album inspirierte. Mir persönlich fällt auf, dass ich mich nach jedem Song - bis auf einen - gedanklich am Schluss im Irgendwo befinde, was ich mir einerseits mit den nachdenklichen und ehrlichen Texten und andererseits aprupten Enden der Songs erkläre. Manuel weiss sofort, was ich meine und ergänzt meine Erklärung sehr passend: "Es ist halt dieses sich verloren fühlen, sich finden und sich zu Recht finden auf der Welt, was ein Thema ist, das sich durchs ganze Album zieht."

Solltet ihr nach all den aprupten Enden, wieder ein Song zum Erden benötigen, empfehle ich "Sunntig feat. Reeto Von Gunten und Kuno Lauener". Da der Musiker fand, dass er sonst immer genügend Rap-Features machte, wollte er diese auf dem neuen Album einmal ganz bei Seite lassen. "Kuno Lauener war mein Wunschkandidat für dieses Album... Schlussendlich zustande gekommen ist die Zusammenarbeit dank Reeto von Gunten, der ein guter Freund von mir ist und Kuno ebenfalls gut kennt...Und zu meiner Überraschung wusste Kuno sogar wer ich bin.", schwärmt mir Manuel vor. Da die Zusammenarbeit relativ knapp zustande kam, hatte der Rapper bereits einen Plan B konzipiert: "Ich habe schon einen Ersatzrefrain vorbereitet gehabt und ca. eine Woche bevor ich das Album abgeben musste, konnte Kuno doch noch seinen Part einsingen." Der Sprachakrobat verrät mir aber, dass es da immer noch den einen oder die andere Wunschkandidatin gibt, mit der er gerne einmal zusammenarbeiten möchte: "Von den Rappern steht der Engländer Kano ganz weit oben auf meiner List. Den finde ich toll, ich bin ein grosser Fan von ihm und mit ihm würde ich sehr gerne einmal etwas zusammen erarbeiten." Zu meinem Erstauen erklärt mir Manuel ausführlicher - was er vorher schon angedeutet hatte -, dass er Rap-Features, die einfach entstehen, weil man denkt, man müsse noch ein Rap-Feature auf seiner Scheibe haben, eher langweilig findet. Er selbst findet es einfach spannender, wenn er mit Sängerinnen oder Sänger zusammen einen schönen Song kreieren kann. Und was das betrifft hat er auch schon einen Wunsch-Song-Partnerin: Erykah Badu. Als er mir das gesteht, muss ich kurz Schmunzeln, denn so, wie er mir gegenüber sitzt, würden die beiden schon optisch gut zusammen passen: Erykah Badu, die bekannt dafür ist, ihren Afro unter ein Kopftuch zu verstauen und Manuel, der heute seine Frisur mit einem Kopftuch verziert.

Der Solothurner stand bereits mit internationlen Künstlern, wie Kool Savas und Samy Deluxe auf der Bühne. Da drängt sich bei mir die Frage auf, ob er selbst denn nie den Wunsch verspürt hat, international durchzustarten. "Doch natürlich, man wird sich schnell bewusst, dass dies vorallem mit Mundart nur schwer realisierbar ist. Ich glaube wir sind uns diesen Grenzen durchaus bewusst.", so Manuel. Versucht hat er es aber schon. Ein, zwei Konzerte nahe der Schweizer Grenze, also dort, wo ihn sein Publikum noch knapp verstanden, hat er schon gegeben. Und, obwohl ihm viele Leute schon zu englischem oder deutschem Rap geraten haben, vertritt der Künstler eine sehr realistische Meinung: "Es würde mir einfach ein Stück weit falsch vorkommen. Erstens einmal kann ich mich in Schweizerdeutsch viel, viel besser ausdrücken und meinen Akzent würde ich ja in englisch oder deutsch dennoch nicht einfach ablegen können. Für mich ist es der echtheithalber sehr wichtig in Schweizerdeutsch zu rappen.

Sein Auftritt steht kurz bevor, doch, als er mir sein Album in seinen eigenen Worten bescheibt, dass er sich mit dem Slot von 14:10 - 15:10 Uhr noch immer nicht so richtig anfreunden konnte. "Es ist ein melancholisches, nachdenkliches Album. Zudem ist es für mich ein typisches Nachtalbum: sphärisch, dunkel...", und beim Nachhacken gesteht mir Manuel weiter, dass er schon gerne spielen würde, wenn es dunkel ist, aber, wie das so ist, wird man bei einem Festival einfach eingeteilt, ohne jegliches Mitspracherecht. Da die Nervositöt bei ihm immer erst ca. 5 Minuten vor Konzertbeginn einsetzt, sitzt er mir noch ganz gelassen gegenüber und meint nur: "Je grösser die Bühne, desto anonymer ist der Auftritt. Man ist schon ein bisschen nervös, aber ich bin viel nervöser, wenn ich im super, super kleinen Rahmen spiele und weiss, dass meine Familie oder meine Freunde noch da sind. Oder letzthin habe ich an einem Apéro vor 150 Lehrern, die alle sassen, gespielt...bei so speziellen Auftritten werde ich richtig nervös." So, jetzt lasse ich Manuel fertig essen und sichere mir einen Platz in der ersten Reihe der South Stage.