Marvin: Mit „Super Constellation“ in die Geschichtsbücher?

Text: Ko:L
Bilder: Cover/Marvin/musicbild.li
CD-Cover: Marvin - Super Constellation
Sie sind vier und haben schon in Paris und in Liverpool gespielt. Ihr zweites Album „Super Constellation“ - ab dem 4. September in den Läden – haben sie in der Nähe von Bristol aufgenommen. Marvin. In weniger als vier Jahren sind die jungen Freiburger zu einem der angesagtesten Pop-Exporte der Schweiz geworden. Grund genug, ein paar Tage vor dem Release mit Sänger und Songschreiber Stefan sowie Drummer Muso zu den Wurzeln zurück zu kehren und ein paar Spots in Freiburg zu besuchen, welche für die Band eine ganz besondere Bedeutung haben. Geschichtsträchtige Orte in einer geschichtsträchtigen Stadt – mit einer Band, die das Potential hat, sich ebenfalls einen Eintrag in die Geschichtsbücher zu sichern.
Marvins erstes Pressefoto
Den ersten Halt machen wir im „Belvédère“ oben an der Altstadt. Kaum haben wir das Lokal betreten, sagt Stefan sofort zu Muso: „Weisst du noch, hier haben wir unser allererstes Pressefoto geschossen, da hinten, vor dieser bunten Wand.“ Tatsächlich drängt sich das Lokal förmlich für ein Fotoshooting auf. Die Räume, die komplett aus Holz gebaut sind, sind mit Kunststoff-Möbeln im Stil der 60er und 70er Jahre eingerichtet; auch die Bar ist aus mattem beigen Kunststoff konstruiert. Die musikalische Zeitreise, zu der Marvin mit ihrem schlichten und eingängigen, britisch geprägten Retro-Pop einladen, kriegt plötzlich ein Gesicht. Ein paar Schritte weiter gehts raus auf die Terrasse, wo sich die Schönheit und die Faszination der Lage des „Belvédère“ erst richtig eröffnet. In einem Radius von 270 Grad bietet sich ein wunderbarer Blick über die Freiburger Altstadt, viel Grün und wilde Sandstein-Formationen – alles im Schutz von uralten Kastanien. „Hier haben wir schon vor Marvin oft gesessen, da kriegst du die besten Biere“, meint Stefan mit einem Grinsen.
Marvin: Muso und Stefan
Aber es ist nicht nur das Bier, das Marvin seit jeher ins „Belvédère“ lockt. Es sind die guten Ideen, die hier immer wieder entstanden sind – und immer noch entstehen. „Hier sassen wir schon, bevor es Marvin in seiner heutigen Form gegeben hat und haben Pläne geschmiedet, wie man die Band weiterentwickeln könnte“, erinnert sich Stefan. Zusammensitzen, plaudern, fantasieren, träumen und wenigstens geistig manchmal für einen kurzen Moment abheben – das ist es was die Band im Freiburger Lokal gerne tut. Aber nicht nur dort. Auch in Tetbury, im Nordosten Bristols, wo die Freiburger ihr aktuelles Album „Super Constellation“ aufgenommen haben, kamen die Jungs ins Schwärmen. „Erinnerst du dich an den Abend dort im Pub, als wir uns plötzlich überlegten, wie es wäre, gleich dort zu bleiben?“, fragt Muso, und fügt an: „Das Pub, in dem wir sassen war einfach grossartig und das Städtchen hat uns wahnsinnig gefallen!“
Marvin: Stefan und Muso
Aber Marvin wären nicht Marvin, wenn sie am Ende eben nicht doch nach Freiburg zurückgekehrt wären. „Ich glaube, wir haben sehr viel Bodenhaftung“, wird Stefan im Laufe des Abends noch sagen. Im Bélvedère erklärt er, dass es sehr wohl ein Traum wäre, mehr in England Musik zu machen. Aber er weiss: „In England ist der Markt brutal hart. Es gibt unglaublich viele gute Bands, die erfolgreich Musik machen wollen.“ So hat sich der Vierer auch nicht blenden lassen, wenn im Studio praktisch tägich Szene-Topshots ein- und ausgegangen sind, Journalisten, Produzenten oder Manager. Denn daheim ist daheim. „Ich nehme extrem viele Ideen für Songs aus dem Alltag, aus meinem Umfeld“, berichtet Stefan. „Gut möglich, dass Freiburg deshalb in der Tat wichtig ist für unseren Sound – weil ich, wir, uns in einem vertrauten Umfeld bewegen können.“
Marvin: Stefan und Muso
Nach einer Fotosession im nächtlich-ruhigen Zentrum ziehen Muso und Stefan weiter in die Auberge aux 4 Vents. Ein malerischer Park erwartet uns, Feuer das in einer eisernen Skulptur knistert – und Stille. „Brunchen hier ist grossartig“, weiss Stefan. Unter dem Sternenhimmel, so scheint es, werden die Jungs ehrfürchtig, das Gespräch wendet sich von Träumen und Utopien hin zur Realität, zum Hier und Jetzt: „In diesem Garten kann man herrlich auftanken“, sagt der Marvin-Sänger, und gesteht: „Das ist eher ein Ort, an dem ich mit meiner Freundin hin gehe, als mit der Band.“ - „Verständlich“, sagt Muso; grinst zuerst, wird dann aber ernst: „Weisst du, wenn du wie wir jetzt in England wochenlang auf engstem Raum zusammensitzst, dann ist es gut, wenn du auch wieder etwas Abstand kriegst – und Zeit für all die anderen Leute hast, Familie, Kumpels, Freundin.“ Der Garten des „4 Vents“ sei auch ein Ort, der ihm helfe, immer wieder Bodenhaftung zu finden, sagt Stefan. Ist es denn genau eine der Stärken von Marvin – oder DIE Sträke – dass ihr Sound die Band perfekt wiederspiegelt? Keiner der Jungs ist ein wilder Ausreisser, keiner ist der introvertierte Freak mit Starallüren. Genauso wie ihr Sound echter Pop ist, ohne in ein kitschiges Extrem auszureissen – und ebenso retro ist, ohne verzweifelt in der Vergangenheit zu wühlen. Schweigen bei den Jungs... Und dann Musos Antwort: „Ich glaube, diese Beschreibung trifft es sehr genau. Die Band ist unser aller Zentrum. Aber es gibt Momente, wo sie zurückstehen muss – zum Beispiel, wenn einer familiäre Dinge klären muss. Da sind wir die ersten, die sagen: 'Schau jetzt zu deinen Leuten!' Natürlich wollen wir unser Ding vorantreiben. Aber wir haben Zeit, einen Schritt nach dem anderen zu machen.“ So, wie Geschichtsbücher sich Zeit nehmen, vollgeschrieben zu werden.
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