E Löu, e blöde Siech, e Glünggi un e Sürmu

(oder: Schimpfwörter sy Glückssach, und ich hoffe, Ueli und Band nehmen diesen Titel mit Humor...)
Text/Bilder: Eve
Am 11.11. hat mein Cousin Geburtstag, die Fasnacht beginnt an diesem Tag und - war da nicht noch etwas? Aber ja, am elften November 2006 tauften Ueli Schmezer und seine Band in der Mühle Hunziken ihre CD „Matterlive 2“. Ich sprach den Journalisten und Sänger auf das nur zu gut bekannte Datum an. Dieser ging aber in eine volkommen andere Richtung als ich es eigentlich erwartet hätte. „Ich habe jemanden in meiner nahen Bekanntschaft, für den die Elf ein Glücksdatum ist. Beziehungsweise die Zahl Elf ist dieser Person sehr, sehr wichtig. Bei uns ist es purer Zufall, weil es für diesen Herbst das einzige noch freie Datum in der Mühle war. Aber ich denke, es ist ein gutes Omen hier und heute mit der CD offiziell zu starten.“
Die kultige Mühlensau und drei der vier Sürmel
Welcher Schweizer kennt ihn nicht, den Wortkünstler Mani Matter. Aber welchen Stellenwert hat er für seinen Interpreten? Ist er ein Gott, ein Idol oder einfach nur ein genialer Texter? Ueli gesteht: „Das überlege ich mir auch immer wieder. Ich finde, man soll jemanden nicht auf einen Sockel heben. Ich will auch nicht der Botschafter sein, der herumreist und den Leuten sagt sie sollen Mani Matter hören. Es ist relativ simpel, ich finde er war wirklich einer der ganz, ganz Grossen. Wenn du seine Texte liest - da gehst du drauf ab dem Zeugs. Ich habe das Gefühl, er wäre heute, wenn er nicht gestorben wäre, wahrscheinlich ein Schriftsteller. Und zwer ein guter. Er hatte die Sprache im Griff wie selten einer. Aber wir als Band vergessen manchmal, dass es Mani Matter ist, was wir spielen. Wir sind wie Schauspieler, die ein Stück von Goethe spielen oder von Schiller. Wir sind Interpreten. Matters Worte sind das Material, das wir genommen haben um unsere Musik zu machen.“ Immer anfangs Konzert sagt er: „Hallo Leute, jeder Satz den ihr heute Abend hört, ist Mani Matter.“ Aber ein grosser Teil davon ist auch die Band mit ihren Melodien. Denn Ueli ist sicher kein „Löu“ seine Band besteht nicht aus „Glünggis, Sürmus“ oder „blöde Sieche“ sondern aus der Formation Vino Tonto, sprich Michael am Kontrabass, Lucas und Mats mit den Gitarren. Und sie haben musikalisch so einiges auf dem Kasten. Es ist nämlich nicht immer einfach, die Songs zu spielen, oder für jeden Text die richtige Melodie zu finden. Dass da viel Zeit und Arbeit dahintersteckt, gibt Ueli gern zu: „Es gibt Songs, die springen dich sofort an. Bei denen hörst und spürst du, das muss genau so tönen. Es sind ja vor allem meine beiden Gitarristen, die sich diese Arrangements aussuchen. Bei einigen Songs haben sie gesagt: das ist ein Tango, das ist ein Blues - muss ein Blues sein, bei einigen Songs habe ich gesagt, das muss für mich spanisch abgehen und so weiter. ‚Ä Löu,’ den haben wir eigentlich von der Melodie her total umgeschrieben, der klingt jetzt nach John Lee Hooker. Und dann gibt es solche, die kann man fast nicht spielen.“ Beim Mitsingen der CD musste ich selber bemerken, dass es nicht ganz anspruchslos ist. Besonders „Uf emene lääre Gygechaschte“ hat so seine Tücken und ich falle doch wirklich jedes Mal hinein. „Ich auch...“, lacht der Sänger, „Beim 'Gygechaschte' muss ich brutal aufpassen, weil sie den wirklich total auseinander genommen haben. Mit der Mandoline. Extrem schön, auf den steh ich total.“
Kontrabass und akustische Gitarre untermalen die Mattersongs live
In Arbeit ist ja eine ganze Trilogie mit Mattersongs. Die zweite Scheibe ist im Umlauf und die Tour zu deren Verbreitung in vollem Gange. Was aber wird nach der dritten und voraussichtlich letzten CD aus Matterlive? „Schau, das ist lustig. Wir haben uns ja noch gar keine Gedanken gemacht, wie das dann läuft. Die erste Platte kam Ende 04 heraus. Da haben wir gedacht, wir spielen mal ein par Konzerte und es kamen relativ schnell fünfzehn Gigs herein. Für fünfzehn Auftritte würden einige Schweizer Bands ihre Grossmutter verkaufen! Da waren wir schon mal sehr dankbar. Und jetzt tropfen immer wieder so Anfragen herein. Wir haben unsere Omas noch und spielen doch den ganzen Winter durch. Nächstes Jahr haben wir sogar Openairs und spielen außerdem in der Ostschweiz. Matter verkauft immer noch viele von seinen Originalen CDs und ich glaube er ist im Gegensatz zu jeder Popband einfach ein Klassiker. Darum denke und hoffe ich, dass wir auf der Bühne stehen bis wir uralte Männer sind. Immer anfangs August, an seinem Geburtstag spielen wir auf der kleinen Schanze. Wir werden dort sein bis wir tot umfallen.“ Jedenfalls wird ihnen das Material nicht so schnell ausgehen, es gibt ja insgesamt etwa neunzig Matterlieder. Auch klar ist, dass jedes einzelne Konzert mit ‚dr Chue am Waudrand’ anfangen wird. Das ist Tradition bei Matterlive und sozusagen das Ritual um sich zu sammeln. „Herunterkommen, ‚d Chue’ spielen und los geht's!“
Ueli Schmezer interpretiert die Songs in der Tradition Matters
In der Gerüchteküche habe ich vernommen, Ueli sei ein Nachbarskind von Mani Matter gewesen, das stimmt aber so nicht ganz. „Es ist so gewesen: Meine biografische Beziehung zu Matter ist, dass mein Vater ein guter Kollege von ihm war. Mein Vater war der Sekretär vom Stadtpräsidenten und hatte sein Büro direkt neben Matter, der Rechtskonsulat, also der Rechtsberater des Gemeinderats war. Sie hatten eine gemeinsame Sekretärin, haben ihre Kaffeepause zusammen verbracht, haben geredet und geblödelt und einander sinnlose Briefe geschrieben. Juristische, hochgestochene, nichtssagende Briefe und so haben sie viel zusammen gelacht. Ich habe ihn nur ein, zweimal so in privatem Rahmen gesehen, habe aber dadurch, dass mein Vater ihm so nah war, natürlich immer seine Musik gehört. Die ersten Lieder, zum Beispiel ‚i hanen Uhr erfunde’ und ‚dr Ferdinand isch gstorbe,’ oder auch ‚ds Nünitramm,’ das waren so die ersten Lieder, die ich überhaupt als Mensch zur Kenntnis genommen habe.“ Klärt er mich auf. So ist Schmezer also quasi gross geworden mit Manis Liedern. Das ist bestimmt vielen anderen auch so ergangen und doch macht nicht jeder gleich selber Musik. Ob und wie stark ihn Matter für seine Musikkarriere beeinflusst hat oder nicht, sei dahingestellt. Er äußert, bei ihm sei alles so durch Zufälle geleitet. „Ich mache mir zwar schon viele Gedanken zum Leben, aber meist erst hintendrein. Ich habe erst Blockflöte dann Klarinette gespielt, wie man es halt so macht und irgendwann hatte ich genug von dem. Ich wollte selber fähig sein, Lieder zu machen und beschloss Gitarre spielen zu lernen.“ So etwa mit fünfzehn hat er dann eine Gitarre geschenkt bekommen und mit den vier Griffen die wohl alle können, angefangen Lieder zu machen. „Das ist aus einem Gefühl heraus entstanden und hat sich erst später konkretisiert. Ich habe zuerst Kinderlieder gemacht weil ich halt Vater wurde, also relativ banal - das Leben ist oft sehr banal.“
Schmezer in seinem Element
„Das mit Matter hat sich dadurch ergeben, dass wir Matters dreissigsten Todestag mit einer Veranstaltungsreihe in Bern begingen und ich dort mitgearbeitet habe.“ Dort traf Ueli dann diese drei ‚Chicos,’ mit denen er jetzt Musik macht. „Die hatten Platentaufe mit ihrer wunderschönen, akustischen Musik und ich habe für mich gedacht, das ist so geil, mit denen möchte ich gerne singen.“ Er ging zu ihnen und im Gespräch entstand die Idee zu den Matterliedern, die wir an diesem Abend geniessen durften. Aber auch wenn ihre Konzerte nicht selten ausverkauft sind und Matterlive sich grosser Beliebtheit erfreut, hört man auch negative Kritik. „Hier will ein Bekannter Mann mit dem Genie eines weiteren bekannten Mannes absahnen und das ist nur eines: billig!“ schrieb zum Beispiel Oliver zur CD. Ueli kennt solche Aussagen. „Damit habe ich überhaupt keine Probleme. Wer das nicht gut findet muss ja nicht kommen, wir zwingen niemanden. Es gibt auch ab und zu die Reaktion, dass sie sagen, der Matter hat’s so geschrieben, und dann macht es bitte auch so, genau wie Matter es gemacht hat. Auch da habe ich keine Probleme, kann ich so stehen lassen. Es gibt auch Leute die sagen, man darf ein Theaterstück nicht neu interpretieren, man muss genau das machen, was der Dichter geschrieben hat. Aber das finde ich so ‚chli tötelig,’ oder? Die Zeit geht weiter und ich glaube nicht, dass der Matter sehr unglücklich wäre, wenn er uns hören würde. Wichtig ist, dass die künstlerische Qualität stimmt.“ Textlich wurde übrigens nur ein einziger Buchstabe verändert. Dr Sidi schaut sich nicht sehnsüchtig den tunesischen Mond von El Hamma an, sondern den andalusischen von Al Hamma in Spanien. Oder war’s Palästina? Jedenfalls nur ein einziger Buchstabe von soooo vielen...
Zuschauerraum und auch Bühne sind bei Matterlive bestuhlt
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