Ob Mia Aegerter je ankommt?
3.9.2012/Text: Ko:L, Bilder: Promo
“Wie schön das hier ist”, sagt Mia Aegerter immer wieder. Wir sitzen am Bahnhof in Thun, der Blick über die türkisgrüne Aare und den See zu Eiger, Mönch und Jungfrau hin ist frei und offen. Nun ist es ja nicht so, dass andere diesen Ausblick nicht auch schon genossen und davon geschwärmt hätten. Wie Mia aber schwärmt, ist irgendwie symptomatisch. Es sind Begriffe „Reisende“ oder „Suchende“ die im Gespräch immer wieder fallen – im Gespräch über Mias jüngstes Album mit dem sinnigen Titel „Gränzgängerin“. Mal in Berlin zuhause, mal in der Schweiz pendelt sie nicht nur zwischen Ländern und Ortschaften, sondern auch zwischen Kulturen. „In Berlin findet die Kunst auf der Strasse statt“, sagt sie, „da treffen Künstler und Intellektuelle aus aller Herren Länder aufeinander – und das ist unglaublich inspirierend.“ Und wenig später sagt die selbe Frau: „Es ist so wunderbar in der Schweiz – es läuft so vieles in geregelten Bahnen. Ich möchte das überhaupt nicht missen.“
Zweifellos: Mia Aegerter tankt genau an Gegensätzen wie diesen auf; sie sind ihre Inspirationsquelle. Zwischen Kirchenglocken, die das Tal rocken („Du Idiot“) und der „7. Himufahrt“ pendelt die Sängerin zwischen zwei Welten – und zwar in echt wie auch in den 14 Liedern auf ihrem vierten Studioalbum. „An Grenzen erlebe ich das grösste Kreativpotenzial“, sagt sie, „egal, ob das Kultur- oder andere Grenzen sind. Und da ist Berlin mit der Mauer halt ein Beispiel, das irgendwie auf der Hand liegt.“ Und so pendelt Mia Aegerter zwischen zwei Welten hin und her, sammelt eindrücke und fasst diese in Songs zusammen, die auf „Gränzgängerin“ in einer ganz neuen Qualität strahlen.
Schlug Mia Aegerter auf ihren letzten Alben bisweilen ganz schön griffige Töne an, legt sie auf „Gränzgängerin“ nach dem Opener „D’Jungs“ mehr und mehr ruhige Töne an, die auch Raum lassen, Feinheiten zwischen den Zeilen Raum zu geben, beziehungsweise diese auch wahrzunehmen. „Wenn die Leute ob sprachlichen Feinheiten aufhorchen, lächeln oder vielleicht sogar nachdenklich werden, macht mich das glücklich“, sag Mia Aegerter. Sie setzt bewusst auf sprachliche Doppelbödigkeiten, besingt den „Härzfriedensburch“ anstelle des Hausfriedensbruchs, lässt die Feinheiten zwischen den Zeilen sprechen – und fordert das Publikum so richtiggehend zum hinhören auf. „Versteh mich nicht falsch“, sagt Mia und strahlt, „ich liebe grosse Bühnen. Aber lauschige Club-Konzerte haben einen ganz eigenen Charme.“
Charme, den hat Mia Aegerter zweifelsfrei auch. „I bi genereu e Duurbouschteu“, singt sie augenzwinkernd und beweist damit auf „Gränzgängerin“ ihren Hang zum feinsinnigen Humor. Und plötzlich ist der Opener da – dieses „A-ha, aha, aha“ im Intro und als Closer des neusten Mia Aegerter-Albums wartet DER Hit ihres ältesten Albums. „Hie u Jetzt“, neu aufgelegt, akustisch abgespeckt – musikalisch in „Gränzgängerin“ eingebettet, als wäre er erst für dieses Album geschrieben – und inhaltlich sowieso. „Möglich, dass das Hier und Jetzt die feste Grösse in meinem Leben ist“, sinniert Mia, „und vielleicht hat mich dieser Song tatsächlich deshalb nie losgelassen und ich kriegte das Verlangen, ihn für das neue Album neu aufzumachen – in der Form, die heute zu mir passt.“ Womit Mia Aegerter ihr Schaffen mit dem vierten Album wahrscheinlich auf den Punkt gebracht haben dürfte. Und dann – was kommt dann? „Nichts mehr...!“, sagt sie – und lacht herzhaft. „Nein, echt. Wenn ich das wüsste. Keine Ahnung. Vielleicht komme ich mal an am Ende meiner Reise. Aber das wäre wahrscheinlich langweilig. Sehr langweilig..“ Aber davon will jetzt gar niemand reden. Zuerst muss „Gränzgängerin“ her. Ab 7. September steht die Platte in den Läden...