Migu - Es geht auch anders!

Text/Bilder: Monthy
Migu's akustisches Abenteuer in Uster
Migu ist zwar durchaus eine ambitionierte Band. Als ich aber ihre letzte CD mit Fokus auf Vertrieb in Spanien reviewte, meldete sich bald Walo Bortoletto an mich, mit der Bitte, ob man das nicht ändern könne. Der ehemalige Bandleader der St. Galler ist bandtechnisch nämlich eher auf dem Rückzug und hat in Spanien das Label Tortilla Music gestartet, das zwar auch Migu vertreibt, sonst aber nicht viel mit der Band zu tun hat. Ich weigerte mich zwar den Artikel zu ändern, gestand Walo jedoch ein Interview zu, um dies zu diskutieren und das Thema Migu konkreter zu vertiefen, sobald sich die Gelegenheit ergebe. Den Anlass fanden wir ein knappes halbes Jahr später. Letzten Mittwoch traten Migu nämlich in Uster zum Acoustic Band Contest an, um sich mit acht weiteren Bands stromlos zu messen. Kurz vor dem Auftritt stand mir Sänger Marcus Oberholzer nun also (endlich) Rede und Antwort...
Star des Abends - die akustische Gitarre
Zuerst einmal zeige ich mich erstaunt, dass Migu überhaupt an einem Acoustic Contest mitmacht. Die Musik der Ostschweizer balanciert normalerweise irgendwo im modernen Bereich zwischen Pop, Rock und Elektro. Ist das nun ein Experiment, oder wie? Marcus: "Die Idee war, die Musik einmal anders zu erleben. Wir sind ja eine sehr kompakte Band mit Synthi und Elektronik. Deshalb interessierte es uns besonders, ob wir ohne Strom überhaupt auskommen. Zudem können wir so andere oder ganz einfach mehr Gigs reinholen. Es ist auch sehr speziell, wie ein Singer/Songwriter an einem Zermatt Unplugged aufzutreten..." Hat es schon immer zwei Seelen in der Brust von Migu gegeben oder sind das ganz neue Gelüste? - "Es hat schon immer beides gegeben. Bei den einen Musikern mehr, bei den anderen weniger. Und wir waren schon immer eine relativ faire Band. Also versuchen wir jeweils trotzdem einen Kompromiss, auch wenn wir eigentlich nicht darauf eingehen wollten. Jeder will sich ja musikalisch ausleben können... Wir suchen eigentlich immer einen Ausgleich zwischen Toto-Fans und Depeche-Mode Fans innerhalb der Band - als Beispiel. Wir nehmen da einfach immer das Beste für uns heraus. Unter dem Strich bleibt gute Musik, die auch alle spielen wollen, wenn es gut ist. Wenn nicht, fliegt's raus..."
Der Contest stand bezeichnenderweise unter dem Patronat der EKZ
Nun haben sich Migu quasi selber den Saft abgedreht - müssen sie sich nun auf der Bühne total verbiegen oder ist der Unterschied mit oder ohne Strom gar nicht so gross? - Marcus: "Es ist sehr vergleichbar. Wir haben einfach drauflos gespielt, den Groove erspürt und mussten uns nicht verstellen. Es ist automatisch entstanden - so wie wir auch sonst Musik machen. Das war extrem spannend." Contests haben sich ja in verschiedensten Formen etabliert und leider ist nicht bei jeder Abstimmungsform wirkliche Transparenz gegeben. Geht man als Band überhaupt zum Gewinnen oder ist es nur wichtig, dabei zu sein, um den Namen bekannter zu machen? - "Fürs Prestige und hinsichtlich weiteren Gigs musst du ganz einfach gewinnen. Es bringt dir nichts, Letzter zu werden. Auf der anderen Seite spielen wir hier erstmals überhaupt live akustisch. Und wenn die Konkurrenz unter anderem Marco Zappa heisst oder Bands mit Violinen antreten, lassen sich eh kaum Vergleiche mit uns anstellen. Das sind derartig andere Geschichten, dass du gar nicht sagen kannst, wir sind gut oder schlecht im Vergleich. Wir sind einfach anders - entweder es reicht oder nicht. Wir werden ganz sicher Gigs auftreiben können. Haben wir heute sogar schon... Grundsäztlich geht man aber schon an einen Wettbewerb, um ihn zu gewinnen. Dafür reissen wir uns heute den Allerwertesten auf..." Und das taten sie ganz ordentlich wie der zweite Platz hinter Pulz am Ende des Abends beweist. Für mich waren Migu jedenfalls visuell die klaren Gewinner. Während andere Bands teils gar mit Elektro-Bass antraten, ersetzten die Ostschweizer als einzige das Drum durch ein stilechtes Cajon und setzten sich im Halbkreis vorne auf die Bühne. Die Einstellung fürs Akustische bringen Migu also jedenfalls mit.
Migu setzten als eine der wenigen Bands auf Perkussion - Cajon
Ich verlege mich von der Aktualität auf die Vergangenheit und spreche Walo Bortoletto's frühere und jetzige Rolle in der Band an. Marcus erklärt mir den Lauf des Lebens: "Wie das halt so geht... Wir haben Walo zusammen mit Keyboarder Ghandi früher wirklich als Bandleader angesehen. Mittlerweile ist er einfach sehr oft in Spanien und es hindert die Band, egal wie gut jemand ist, wenn er nicht ständig verfügbar ist. So ist das Leben. Wir hatten auch mal eine Sängerin - die ist dann Mami geworden..." Nun nimmt man ja an, dass - je wichtiger der Abgang ist - die Veränderung umso massiver wird. Haben der Verlust von Bandleader oder damals Sängerin grossen Einfluss auf das Soundgerüst von Migu? Lässt sich die Band überhaupt noch mit dem Ursprung vergleichen? Marcus: "Die Grundidee ist immer noch da. Interessen und Stile hingegen ändern sich. Der Verlust der zweiten Gesangssektion lässt sich natürlich nicht eins zu eins kompensieren. Aber dadurch haben sich auch neue Möglichkeiten eröffnet. Das ist bei jedem Musiker der kommt oder geht so. Wir hatten wohl das Glück, dass wir für unsere Verluste immer guten Ersatz oder gute Lösungen finden konnten. Es war für uns nie ein Problem, immer nur ein Wechsel..."
Ersetzte das Klavier am Acoustic Sound Contest - Keyboard
Wenn ich im Rückblick eines an Walo's Kritik zugestehen muss, dann das. Wenn ich weniger über die Musik und mehr übers Drumherum schreibe, rührt dies vielleicht daher, dass ich zur Musik keinen Zugang fand. Das ist nicht wertend gemeint - nur eine Feststellung. Wenn ich jetzt also an der Quelle bin, frage ich auch gleich um Hilfe. Kann mir Pascal helfen, emotional zu Migu zu finden? - Marcus: "Migu besteht aus fünf Seelen, die extrem für die Musik leben. Was das auch immer ist. Das sind unsere persönlichen Ideale. Wir wurden schon mit so vielen Sachen verglichen und oft heisst es beim gleichen Stück, es sei zu poppig, wo's in der Woche vorher noch zu rockig war. Deshalb ist es wichig, dass es für uns stimmt. Geschmäcker sind eh verschieden. Wir haben Fans, die uns noch nach sieben Jahren treu sind, aber auch solche, die nach einem Album schon wieder abspringen. Wichtig ist dabei, dass wir uns treu sind und uns so verwirklichen, wie wir das wollen. Das macht unsere Seele aus. Wir sind auch eine richtige Familie geworden mit der Zeit."
Pascal sang Migou auf den zweiten Platz
Was mir bei Migu besonders auffällt, ist die Singstimme. Während die Gitarren eher fürs Rockige zuständig sind, ist dies für mich purer Pop. Marcus gibt das unumwunden zu: "Ich bin sicher nicht, die Rock-Röhre. Eher so Richtung Depeche Mode. Aber das ist eine Facette. Auf dem ersten Album war das noch viel sanfter. Auch weil Diana damals noch dabei war. Es ist zumeist ein Kompromiss zwischen eigenem Stil und dem was zum Song passt. Ich finde auch, die Stimme darf durchaus einen Kontrast sein. Musik verträgt dahingehend sehr viel. Man schaue sich Apocalyptica an - Cello und Hardrock. Es ist eher das Business das uns erzählt, dass dies und jenes nicht passen würde. Die meinen aber nicht unbedingt musikalische Synergien." Zwischen Rock und Pop - empfinden das Migu überhaupt so oder denken sie in anderen Kategorien? - Marcus: "Total anders. Uns geht es nur um die Musik - beurteilen sollen uns andere. Du kannst gar nicht bestimmen, ob du gut bist oder nicht." Ich suche abschliessend noch nach einem Kriterium für einen Migu-Song - oder das Gegenteil. Was würde verhindern, dass ein Song ins Migu-Repertoire aufgenommen würde. Marcus überlegt und überlegt... bis ihm Keyboarder Ghandi trocken ins Wort fällt, dass dieser partout nicht finden will: "Keine Handorgeln!", versprechen Migu scherzhaft lachend - immerhin...
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