Café/Bar Mokka, Thun

Text/Bilder: MonthyChristo
103 Shownächte, 615 Discjockeys... eine weitere Konzertsaison neigt sich dem Ende zu. 15 Jahre Café/Bar Mokka kann noch nicht genug sein - 9603 Zeichen, geschrieben an einem Scheisstag im April 2001. (P. Anliker, Chef Mokka)
Päddu Anliker hatte mir die erste Frage eigentlich schon im Programmheft Mai 2001 beantwortet, wo er sich (siehe oben) wieder einmal als Trash-Poet erster Güte bewies. Nachgefragt habe ich trotzdem und wollte wissen, was denn am Mokka so speziell sei. „Das Mokka“, klärt mich der charismatische Patron auf, „ist eine Insel. Wir probieren hier Sachen aus, die anderswo längst aus dem Programm gekippt wurden; Sachen, die ich manchmal selbst nicht mehr verstehe...“ Nur, verstehe er auch andere nicht - Clubs, die keine Shows mehr buchen, nur weil das mit einem gewissen Aufwand und finanziellem Risiko verbunden ist. „Warum jemand herkommen soll? Wir sind ein Ort - eine Insel wie gesagt - die seit 15 Jahren trotz mehreren hundert Gästen pro Abend ohne Security auskommt, wo Blumen auf der Toilette stehen usw.“
Besonders erstaunlich sei dabei die Durchmischung der Kulturen, die sich in der Café/Bar treffen und ein äusserst friedliches Neben- und Durcheinander praktizierten - denn „die verstehen sich ja nicht...“ Im Mokka gibt es die übliche Grüppchenbildung nicht. Vielleicht weil sich auch das Programm Monat für Monat sehr ausgewogen und multikulturell präsentiert. Die Bühne im Parterre ist mittlerweile europaweit bekannt und für erstauftretende Künstler ein Erlebnis. „Bei uns tritt eigentlich niemand auf, der nicht schon von der speziellen Mokka-Atmosphäre gehört hat, meist ist aber das Erstaunen bei Besichtigung doch gross.“ Warum das? Die Bühne ist ganz einfach enorm klein, wie auch der Konzertsaal und daher geht im Mokka die Post ganz konkret ab.
„Man muss sich vorstellen“, erläutert Anliker, „dass dies früher als Wohnhaus und Arztpraxis gedient hat und später zum Jugendzentrum umfunktioniert wurde. Aus diesem hat sich dann der heutige Betrieb entwickelt.“ Um den Namen Mokka von der Vergangenheit zu lösen, wurde das Haus - auch mit baulichen Veränderungen - „auf einen neuen Level gestellt“, wobei Thuns inoffizieller „Sonderbeauftragter für Kultur“ ganz einfach geschickt politisiert hat.
So wurde die Behörde durch illegalen Alkoholausschank in Zugzwang versetzt, ein Wirtepatent zu mischeln und nachträglich für 800‘000 Franken zu Lasten der Stadt auszubauen; oder die Gartenbar wurde illegal aufgebaut und erst bei Verstoss gegen die Sperrstunde aktenkundig. Seither steht im Mokka-Patent der Zusatz „Gartenbar“ obwohl diese weder bewilligt noch abgenommen wurde. Heute spielt in der Oper zu Mokka die Avantgarde Europas und Haus und Garten haben sich zum beliebtesten Hang-Out-Spot Thuns gemausert, obwohl - oder vielleicht gerade weil - die Location ausserhalb der Ausgehmeile Selve-Areal zuhause ist.
Freitag und Samstag bucht Anliker immer Gigs, dazu auch Donnerstag und Sonntag bei Gelegenheit, manchmal auch ganz spontan und flexibel. Dazu gibt‘s nach Möglichkeit abgestimmte Beats und Vibes im Kellergeschoss, wo sonst Donnerstag und Sonntag regelmässig elektronischer Sound läuft. Dazu mischen Plattenleger im Garten auf und kühlen vor, zwischen und nach den Gigs das Parterre - im Sommer sind das insgesamt bis zu 9 DJs! Im letzten Jahr hat Patron Anliker rund 720 DJs gebucht, das macht sagenhafte zwei pro Tag... Früher gab es auch noch den 1. Stock, den „Hanger-Club“ wo man sich mit „Töggele“ und Billard unterhalten konnte, doch das habe eingerissen. „Es waren immer die gleichen Leute dort und sie haben jeden Fremden böse angeschaut, um den Eindruck zu erwecken, das sei Privatbereich“ - also haben Anliker und Team das „Wohnzimmer“ ausgemistet und geschlossen.
Das Mokka ist Realpolitik und muss sich bei seinen Besuchern nicht anbiedern. „Ich will den Leuten einen Treffpunkt bieten“, betont denn auch Päddu und gibt das Geheimrezept preis: „Vielfach appellieren wir an die Feinheit des Menschen. Wir setzen uns vom grobschlächtigen Eventismus ab, indem wir den Menschen noch als Menschen respektieren.“ Es versteht sich, dass dabei alle Toleranz Grenzen hat und das Mokka-Team einschreitet, wenn die Würde seiner Gäste verletzt wird. Wenn man aber den Respekt erwidert, darf man getrost hoffen, seinen Kaffee - der übrigens ganz ausgezeichnet schmeckt - ziemlich ungestört trinken zu können, höchstens noch unterbrochen vom Hippie am Nachbartisch, der keine „Papirli“ für seinen Joint mehr hat und dafür die Runde macht...
Small Talk - Real Big

"i würd ihm nid sägä, er mues cho; wüu... mir schtö o nid uf aui Lüt"
Mokka-Patron Päddu Anliker auf die Frage, wie er einem Fremden seinen Club schmackhaft machen würde.

"eine seit ey, isi - man! u dr anger verschteit du bisch es Arschloch"
Völkerverständigung in der multikulturellen Gesellschaft zu Mokka,

"wenn eine itz fingt, er wöu d Hose abelaa u dr Arsch zeige, hani kes Problem drmit"
Verhaltensmassregeln und Toleranzprinzip im Zunfthaus zu Mokka

"woni bi Schtift gsi - i de 70er - da isch em Sunntig immer di wandelndi Depression umgange"
und: es war schon immer ein Mokka-Anliegen am Sonntag kräftig Lärm zu machen!

"viu vo dene schwizer Bands hei eifach ke Spirit"
Anliker fördert wenigstens noch den DJ-Nachwuchs, jedoch...

"wen i am Morge am vieri mues ga schiffe - i ha uf dr Schissi es Liecht u dert dran isch es Radio kopplet, wen i auso Liecht mache, geit ds Radio los - ja, i loufe nume no a Sting härä undweisnidwasnoaus... ungerschti Schublade!"
...der Service public von DRS3 ist - im Lokus! Schliesslich hatte ich es doch geschafft, Anliker eine sozialpolitische Aussage aus der Nase zu ziehen - oder woher auch immer...

"dä isch de fett, oder..."
Klein-Päddus Vorfreude auf den noch geheimen 4m60T-Rex mit 50 (!) Zähnen, welcher den Baby-Saurier auf dem Dach bald ersetzt.
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