Mostly Harmless - Alles harmlos oder was?

Text/Bilder: Monthy
Alex scannt sein Publikum am PFF 07
Mit Bezug auf ihren Bandnamen frage ich Mostly Harmless im Talk am PFF 07 in Solothurn einleitend, ob sie nun meistens harmlos seien, ausgenommen sie seien es nicht? - Sänger Alex antwortet mit einem kryptischen "Ja, oder umgekehrt...", erklärt mir dann aber doch, weshalb die Band nun so heisst wie sie eben heisst: "Wir sind ja nicht typische Rocker. Wir passen nicht ins Cliché der Metal-Dudes mit Lederjacken und langen Haaren, wir saufen mit Ausnahme von Javi kaum Bier... Wir sind Angestellte und Stundenten. Es bezieht sich also auf uns als Privatpersonen - und der Name ist viel zu lang..."
Javi - sprich: Chavi - on the base (sprich: biass)
Die zweite Frage richtet sich an Javi (sprich: Chavi), der laut meinen Insider-kentnissen hauptverantwortlich für den Kontakt zur Basler Rap-Ikone Black Tiger zeichnet - Javi: "Ja, das ist so. Man kennt sich ja ein bisschen in Basel. Er hat hier jahrelang im Roxi gearbeitet, das ist DER CD-Laden in Basel. Zudem machen wir auch schon fast seit den Anfangszeiten von Urs, so heisst der Tiger nämlich bürgerlich, Musik. Er hat dann ein Psychologie-Studium begonnen und ist in dieser Klasse mein Student und so habe ich ihn näher kennen gelernt. Als wir die CD aufgenommen haben, fragte ich ihn an, ob er einen Song mit uns machen wolle. Er wollte sich schon immer in den Metal-Bereich hinein wagen, also haben wir es gemacht. Es war total cool und ist sehr interessant heraus gekommen. Auch weil Rap/Hiphop eine ganz andere Art von Musik ist als Metal."
Hampe - der 'harmlose' Schweizer aus dem 'braven' Quartett
Und hat man sich sogleich gefunden oder musste man zuerst einmal die Hörner aneinander abstossen? Gitarrist Hampe erläutert: "Es lief eigentlich von Anfang an recht gut. Wir haben schnell gemerkt, dass es eine ganz andere Arbeitsweise ist. Urs arbeitet ganz anders als wir und hat hoffentlich dabei ähnlich viel von uns profitiert wie wir von ihm. Er hat einfach viel mehr mit Worten gearbeitet, meinte jeweils sofort: 'das passt noch nicht' und hat wieder und wieder die Worte verändert bis es endlich gut war. Da habe ich gemerkt, wie wichtig einzelne Worte - oft sind es nur andere Betonungen - im Hiphop sind und wieviel man da noch heraus holen kann. Das ist im Metal schon sehr anders. Wir haben in diesen Tagen mit ihm soviel gelacht, wie sonst während den ganzen Aufnahmen. Er ist wirklich ein saucooler Typ!"
Energiegeladene Show für die Pfadis - MH am PFF 07
"Vision" ist ein Brecher von einem Song - aggressiv und mitreissend, geprägt von den Mundart-Rap-Stakkatos des Tigers und der spanisch aufbegehrenden Singstimme von Alex. Das Video wurde in der deftigen Albumversion ohne jehliche Retouschen releast, was bei einigen Stationen natürlich zu Kopfschütteln geführt hat. Hätte es bei dem Song anders gar keinen Sinn gemacht mit dem Video? Javi lacht: "Ehrlich gesagt wäre es anders gar nicht möglich gewesen - weil es zu teuer ist... Es ist eine geile Frage, die sich aber für uns nicht stellt Wir haben unsere Songs nie fürs Radio oder fürs Fernsehen abgeändert, was natürlich auch das Problem des Songs ist. Viele sagen, er sei zu hart. Damit musst du leben, wenn du Metal machst. Sobald du anfängst, Zeugs abzuändern, um da irgendwie hinein zu passen, verkaufst du dich. Und wir machen's ja nicht wegen dem Geld sondern weil's Spass macht." Bleibt abzuwarten, ob die kompromisslose Haltung von MH auch ein Publkum findet. Der Song - und dies ist mein ganz persönliches Votum - ist richtig gut - einfach recht hart. MH geben sich keinen Illusionen hin - Hampe: "Merci, aber..."
Fronter Alex hat als einer von dreien spanische Wurzeln
Das Spanische in "Vision" ist kein Einzelfall im Werk von MH und mit ihren leidenschaftlichen Melodien erinnern sie ein bisschen an die spanischen Heldenrocker aus den Frühneunzigern, den Heroes del Silencio. Gehört hat Alex den Vergleich von mir aber erst zum zweiten oder dritten Mal. Er sieht das folgendermassen: "Ich fasse es als Kompliment auf." Der Mostly Harmless Sänger stammt selbst aus Ecuador, Drummer Marcello und Bassist Javi bringen argentinisches Blut ein. "Deswegen funktioniert es überhaupt erst. Ich bin nämlich viel zu schlecht in Spanisch. Die Texte kommen mehr von Javi her", plaudert Alex aus Pandora's Büchse.
Sitzt meinst harmlos hinter den sieben Kübeln: Marcello
Am PFF, dem Pfadi Folk Festival 2007 in Solothurn, durften MH nur vierzig Minuten ran. Dies dürfte mit ein Grund für meinen Eindruck gewesen sein, dass Mostly Harmless live viel mehr auf Druck und Power setzen, wohingegen im Studio oft ein filigraner, expirementeller Ton mitschwingt. Liegt das nur in der Natur der Dinge? Marcello meldet sich von der oberen Tischkante: "Es ist effektiv so. Im Studio musst du alles ganz klar einspielen. Du hast keine Flexibilität. Ansonsten wird's gleich sauteuer. Wir machen eigentlich Musik weil wir live spielen wollen. Das hält uns überhaupt zusammen. Live wollen wir abpowern und die Leute am Konzert greifen. Die CD ist dagegen eine Chance, für uns etwas zu machen. Musikalisch weiter zu kommen." Hampe betont, dass die Energie natürlich auch aufs Album soll: "Es ist halt einfach schwieriger. Im Studio ist niemand, der dich antreibt. Du bist alleine, vielleicht einige Typen, die hinter einer Scheibe rumturnen... So ein Konzert wie heute pusht einen schon zusätzlich auf. Im Studio ist es dagegen eine Einzelarbeit."
Kann kein Lichtlein trüben... Gitarrero Hampe
Damit hat mir der Gitarrist mal wieder das Wort aus dem Mund genommen. Wollte nämlich gerade fragen, wie wichtig der Kontakt mit den Leuten, den vor allem Hampe und Javi auf der Bühne immer wieder gesucht haben, effektiv werden kann? - Javi: "Im Studio bleibt es irgendwie bei einer Simulation dieser Stmmung, die du live hinkriegst. Man erreicht irgendwie doch nicht die gleiche Power. Abdererseits verträgt's live halt auch den einen oder anderen Fehler, den du auf der CD sofort hörst. Ich hätte also gerne noch viel mehr Power auf der CD, aber es geht einfach nicht. Auch bei den ganz grossen Bands nicht. Wenn jemand mal an einem Korn-Konzert war, wird ihm auch ein Unterschied zur CD auffallen. Dieses Live-Feeling kriegst du nie auf CD. Und vielleicht ist das auch gut so. Auf CD wird auch anderes erwartet. Mehr Abwechslung." Als ich Alex beim letzten Song etwas beobachte, stellt sich mir die Umkehrfrage - Wie schwierig ist es eigentlich, beim Ausflippen nicht die Kontrolle zu verlieren? Alex: "Gar nicht... Es ist viel schwieriger im Studio. Auf der Bühne ist es einfach nur Intuition und das Ausleben meiner selbst. Zudem haben wir genug Erfahrung, um auch mal improvisieren zu können." Alles harmlos also - oder was?
Tenue korrekt - Alex am PFF 07
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