MusicStar II - A Ko:L-View
Text: Ko:L
Bilder: SFDRS
Der König ist tot - lang lebe der König! Carmen Fenk nimmt sich ein Timeout und Salome Clausen übernimmt ihren Thron. Die Schweiz hat einen neuen MusicStar, den sie ausquetschen kann wie eine Zitrone mit Homestories, Interviews, Promianlässen und am Ende noch mit einer überhastig produzierten Platte. Eigentlich schade - aber gewinnen tut die Wettbewerbssiegerin nicht wirklich. Die letzte Staffel hats gezeigt. Die Siegerin - wie hiess sie schon wieder? - ach ja, Carmen, wurde dermassen zum Cervelatpromi gehypt, dass sie die einzige der letztjährigen MusicStars war, die ein Album ablieferte, das einen nicht fertigen Eindruck hinterliess. Seien wir ehrlich: Mit Baschi, Piero oder Kathy Winter haben einige MusicStars - Generation 04 passable Werke abgeliefert - und sie haben es auf sich genommen, den harten Weg aus dem TV-Rampenlicht ins Musikbiz in Angriff zu nehmen. Das verdient Respekt. Auch die Generation 05 hat zwei, drei potenzielle Musiker hervorgebracht: Allen voran Rocker Kandlbauer, der zum Glück nur Zweiter gemacht hat. Dass er die Krone knapp verfehlt hat, wird ihm möglicherweise die Chance bieten, sich mit einem Album etwas mehr Zeit zu lassen. Und er hat möglicherweise die Chance, in den Verhandlungen mit Universal etwas mehr Selbstbestimmung auszuhandeln, als er dies als Sieger gekonnt hätte. Daniel Kandlbauer dürfte Fuss fassen im Musikgeschäft - für längere Zeit.
Überraschen könnte auch Julien. Er hat mit seinem letzten Auftritt bewiesen, dass er mehr kann, als nur Justin Timberlake nachäffen. Erkennt er dies, könnte der Mädchenschwarm durchaus passable Erfolge verbuchen. Dann allerdings wird die Luft bereits dünn: Siegerin Salome droht an ihrer zu schwachen Stimme zu scheitern, Claudia D´Addio hat zwar eine Hammerstimme - dürfte es aber im Business schwer haben, weil es neben Whitney Houston, Mariah Carrey, Pink oder Céline Dion noch unzählige andere Sängerinnen mit Hammerstimmen gibt. Um gegen diese bestehen zu können, bräuchte Claudia Profil und Charisma einer Salome... Und Jesse Brown ist schlicht noch zu jung, um im harten Musikgeschäft bestehen zu können. Seine Chancen, im Biz Fuss fassen zu können, sind höchstens intakt, wenn er sich jetzt auf die Lehre konzentriert und in drei, vier Jahren gereift zurückkehrt. Bleibt für mich noch der unscheinbare Dominic: Er wirkte zwar während der ganzen Show - auch an der After-Final-Party - ziemlich verloren und wie im falschen Film. Aber er hat eine Brecher-Stimme. Und wenn er sein Format, seine Ecke findet, dann wer weiss...
Und am Ende stellt sich die gleiche Frage, wie vor einem Jahr: Hat sich der Aufwand gelohnt? Für eine handvoll Talente? "Ja", wird das Schweizer Fernsehen antworten - denn Musik ist bei MusicStar bloss ein Verkaufslabel. Drin steckt nicht Musik, sondern grossartig inszeniertes Entertainment, eine TV-Soap erster Güte. "Nein", wird der Musiker antworten - denn die Teilnehmer der ersten Staffel stehen heute da, wo unzählige andere Bands auch: Sie haben einen Plattendeal, verkaufen zwischen 10´000 und 30´000 Alben und versuchen nun mühsam mit einer Klubtour die Fans bei der Stange zu halten und von den eigenen live-Qualitäten zu überzeugen. Um dahin zu kommen brauchen wir keinen Chris, keine Mia und keinen D! - das können auch die paar verbliebenen A&Rs bei den grösseren Schweizer Labels bieten... SF DRS würde sich stattdessen besser überlegen, das Geld, das in MusicStar investiert wird, in eine echte Musik-Sendung stecken. WeekendMusic könnte beispielsweise ein kräftiges Entstauben und einen besseren Sendeplatz vertragen. Und wer weiss: Vielleicht könnte die Schweizer Musik-Szene davon nachhaltig profitieren.