Natacha – die Sprache ihrer Musik ist grenzenlos
Text: Sandy
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ckfoto.ch „Absolut fantastisch!“ Natacha ist nach ihrem Opener-Gig am Snowpenair auf der Kleinen Scheidegg - wie alle Musiker - begeistert von der wunderschönen Bergkulisse, den vielen Leuten und vom Sonnenschein. Sie erwähnt auch, wie lustig das Schauspiel ist, von der Bühne aus zu betrachten, wie sich die Zuschauer den sulzigen Schneehügel hinab zur Arena wagen, meist schlitternd. Die Musikerin könnte direkt einen Brief an das Snowpenair schreiben, einen Liebesbrief. Doch für diesen Akt findet man in der heutigen Zeit die Muse selten mehr. Eine Anspielung an einen Song, in dem Natacha so ein Schriftstück besingt. Der Text entstand 2003, eigentlich vor noch gar nicht allzu langer Zeit. Damals habe es noch Platz dafür gehabt, sagt sie. „Heute pflegt man eben den Kontakt per Mail, SMS oder im Facebook.“ Natacha gesteht, dass auch sie gar keine Briefe mehr schreibe, genau wie das Publikum, das die von ihr gestellte Frage nur zögerlich mit ja beantwortete.
Dafür schreibt Natacha Texte. „Das Texten kam bei mir vor dem Singen“, gesteht die Musikerin. Bereits ab der zweiten Klasse habe sie begonnen, Englische Texte zu übersetzen, obschon sie diese Sprache gar nicht beherrschte. Teilweise wusste sie damals nicht, was gewisse Worte oder Ausdrücke bedeuten. Sie habe einfach ihre Gefühle und Fantasien rein fliessen lassen und so übersetzt, übersetzt und übersetzt, „ganze Hefte voll, mit sehr vielen Schreibfehlern.“ Strahlend erwähnt sie ihre damaligen britischen Favoriten Rainbow, abgehört natürlich per Tonband oder Plattenspieler. Auseinandergenommen habe sie auch Hitparaden-Hits wie „One way ticket“ von Eruption oder Suzi Quatros „Stumblin in“. Natacha trällert die Lieder gleich vor und scheint im alten Bahnwagen, der am Snowpenair als Garderobe dient, in der Nostalgie abzutauchen. Das Wichtigste beim Texten sei für sie immer der Refrain. „Wenn ich ein gute Geschichte oder Zeile höre, probiere ich, den Kern herauszufiltern, das kann auch nur ein Wort sein, welches mir gefällt. Der Inhalt darum, die Melodie und vor allem der Beat zu finden, ist dann reine Knochenarbeit“, verrät sie ihr Vorgehen und erklärt ihr jeweiliges Wunsch-Ziel: „Es reimt sich alles, aber wirkt gleichwohl wie erzählt.“
Die Musikerin arbeitet momentan an zwei Alben. Eines liegt abgemischt in Frankreich vor, die Aufnahmen für eine Mundart-CD für unser Land beginnen bald. Sechs Songs hat sie letzte Woche ihrer Plattenfirma vorgestellt. „Sie waren hell begeistert“, sagt Natacha und ihre Augen leuchten. Ein Album entstehe ähnlich wie ein Garten. So seien die Beeten nun ausgesteckt und die Auswahl für die Saat entschieden. Auch wisse sie, wo und was blühen soll. Das Grobkonzept liegt also vor, pflücken können wir ihre Ernte dann im Sommer. Auch auf ihrem elften Werk hat sie einen Song ihren beiden Söhnen gewidmet. Wiederum sei es eine verstecke Message an sie. Es wird auch, wie gewohnt, ein auf Mundart übersetztes Cover geben, diesmal eines von Eros Ramazzotti. „Es ist ein Song, der mich immer wieder begleitet. Ich übernehme ihn als Respektsbezeugung vor dem Künstler“, sagt sie.
„Beim Texten bin ich jetzt viel mutiger geworden“, sagt Natacha zum neuen Album. Es sei für sie fast eine Berufung geworden, eigene Meinungen oder Erfahrungen direkt in dieser Form weiterzugeben. Dies sei ja auch eine Aufgabe der Musiker. Nicht nur den Transport der Gefühle – sprich der Sound – weiterzugeben, sondern auch textliche Botschaften. „Auch mit Worten kannst du viel bewegen“, weiss sie. Auch ihr passiert es, dass sie sich von Songzeilen oder -aussagen angesprochen fühlt und diese tröstend oder kraftgebend wirken. Ihren neuen Mut beschreibt sie damit, dass sie beim Texten nun voll an sich glaube und nicht mehr andere Meinungen einhole. Früher sei das eigentlich auch nicht nötig gewesen, aber da habe sie die Selbstsicherheit weniger gehabt.
In Frankreich wird aus ihrem französichen Album in den nächsten Wochen bereits die erste Single ausgekoppelt, ein Song mit der frei übersetzten Botschaft: „Bevor du etwas beginnst, musst du gut überlegen. Oder überleg besser einmal mehr.“ Es sei schon immer ihr Wunsch gewesen, französisch zu singen. Es sei damals auch nicht zufällig gewesen, dass sie den Song „Don’t cry now“ von Clouseau übersetzt nachgesungen hat. “Gränn nüm meh“ habe ihr prompt einen Gästebuch-Eintrag des belgischen Produzenten Jan Savenberg (arbeitete u.a. auch für Johnny Hallyday) beschert. Der Wortlaut war: „Dieser Song wurde weltweit über 45 mal gecovert, aber du hast die schönste Version.“ Natacha hat den Macher dieses Hits dann in Bern getroffen und daraus entstand eine Zusammenarbeit. Jan übersetzte ihre Hits wie „Sorry“ oder „Orlando“ ins Franzöische. Jetzt erscheinen sie auf dem neuen Album zusammen mit neuen Stücken. „Ich fühle mich wahnsinnig wohl mit Französisch“, sagt Natacha. In Frankreich singe sie live auch Mundartsongs und die Leute dort finden es herzig. Übrigens hat die Musikerin ihr „Schwäfelhölzli“ in Schweden in die Hitparade gebracht. Auch auf der dortigen Tour hat die Sprache keine Rolle gespielt. Ihre Musik sei einfach angekommen.