Open Season werden "Louder!"
Text: Monthy
Bilder: Open Season
Begeisterung auf Seiten der Kritiker muss noch gar nichts heissen. Ein überschwängliches Lob mag für die Band sogar kontraproduktiv sein. Aber was bleibt uns im Falle der Berner Ska-Band Open Season denn auch anderes übrig? - Schliesslich haben die neun Jungs und Mädels noch mit jedem ihrer bisherigen Alben ein Lächeln auf unsere Gesichter gezaubert. Und die Nachfrage am Radio oder hinsichtlich Konzerte gibt uns ja auch recht. Open Season begeistert - manchen wohl vor allem wegen ihres sonnigen Gute-Laune-Sounds, mich immer mehr wegen ihres Hintergrunds. "Wenn meine Bandmitglieder nicht dabei sind, darf ich wenigstens mal wieder die Geschichte unseres Namens erzählen...", meint Sänger Santosh denn auch hocherfreut, als wir uns im El Lokal zu Promo-zwecken treffen. Seine Kumpels würden sich jeweils mit einem gelangweilten "Ouhh, nid scho wider" abdrehen, wenn er die Geschichte erzählen wolle. Dabei ist sie eben noch so speziell und drückt vielleicht sogar aus, warum Open Season zumal für eine Schweizer Band so authentisch daher kommt. Der Ausdruck "Open Season" heisst übersetzt "Jagdsaison" und geht zurück auf einen Song von King Django, den Santosh mittlerweile auf einer Tour auch persönlich kennen lernen durfte. In den 60ern, den Anfängen von Ska und Reggae, welche heute oft als dasselbe wahrgenommen werden, herrschte ein kultureller Krieg. Die Vorgänger der heutigen DJs bewarben ihre Sounds mit Parolen, die sie darüber sprachen - das legendäre Toasting war geboren. Fast jede Strasse hatte ihr eigenes Soundsystem und behauptete natürlich, ihres sei das einzig wahre. Im Song "Open Season" eröffnet King Django also die - eigentlich im übertragenen Sinn zu verstehende - Jagd auf die anderen Soundsystems und löste damit einen musikalischen Wettstreit aus. Das artete in einer eigentlichen Battle aus, der ersten und vielleicht einzigen echten Freestyle-Battle überhaupt, die den Mythos des spontanen Rappens eigentlich bis heute begründet. Darin finden sich die Wurzeln von Ska, Reggae und Hiphop - ein Beitrag, ohne den unsere Musikwelt heute bedeutend ärmer sein könnte.
Santoshs Augen leuchten, als er mir die Details der Geschichte vermittelt, die er durch King Django himself in allen Farben und Formen geschildert erhalten hatte. Damit sind wir total auf einem Level - sprich begeistert! Er von King Django und ich von Open Season. Nach Santoshs Feedback auf meine Kritik der aktuellen Single "Louder!" - er machte mir per Mail einen Heiratsantrag - durfte ich aber daraus schliessen, dass ihm auch meine Begeisterung gefiel... "Selbstverständlich... Zu sagen, eine gute Kritik würde keine Freude bei den Machern auslösen, wäre glatt gelogen. Wir haben uns ja auch Mühe gegeben und unser Herzblut hinein gesteckt. Dann ist es auch schön, wenn jemand das spürt und bemerkt. Ein Kritiker muss ja nicht immer kritisch sein...", meint Santosh auf meine Nachfrage. Dass ich von "Louder!" - und zwar der Single genauso wie dem gleichnamigen Album - so schwärme, mag noch ein bisschen damit zusammen hängen, dass mir Open Season mit ihrem letzten Album quasi einen Herzenswunsch erfüllt haben. Dieses - mit Namen "Pure Vintage Scorchers" - war ein echtes Old-School-Juwel und ist für mich eigentlich nur mit den frühen Werken von Bob Marley und Peter Tosh zu vergleichen. Darauf hatte ich seit Marleys "Best of early years" gewartet. "Wir haben uns damit auch selbst einen Gefallen getan - was genau die Idee dahinter war", erklärt Santosh diesen konsequenten Ausflug zu den Wurzeln des eigenen Sounds, "Es erschien ja kurz vor dem 10jährigen Bandjubiläum und ist so etwas wie eine Hommage an die Grundlagen unserer drei Grundfesten - Ska, Rocksteady und Reggae. Darauf bauen wir seit eh und je. Deshalb wollten wir unseren Wurzlen mit einem speziellen Album Tribut zollen." Damals war die Musik zwar schlicht, aber dennoch ganz eigen, vor allem auch durch diese spezifischen Bässe. Die sind ein ganz wesentlicher Bestandteil des Open Season Sounds. Santosh: "Wir wollten uns nicht nur im Songwriting sondern auch im Ton auf diese Zeit beziehen. Deshalb sind wir zu Admiral James T. gegangen, der absoluten Koryphäe auf diesem Gebiet. Er ist im positiven Sinne ein Freak und hat sich wirklich den Arsch aufgerissen, um uns diesen authentischen Ton zu geben. Und das ist uns - glaube ich - auch beim neuen Album ganz gut gelungen..."
Auch wenn bei "Louder!" kein so starker Fokus gesetzt wurde wie bei den "Vintage Scorchers" - Open Season thematisieren eigentlich auf jedem Album eine Subform von Ska ein bisschen mehr. Dies geschehe aber nicht einmal geplant so, erklärt Santosh: "Bei uns kommt wirklich sehr viel ganz natürlich. Wir hatten von je her eigentlich keinen Plan. Wir haben einfach die Musik gemacht, auf die wir Bock hatten - mit den Leuten, die Lust darauf hatten. Es ging auch darum, zusammen auf der Bühne zu stehen. Bei den Alben, die wir aufgenommen haben, herrschte wohl schon jeweils so eine Grundidee, vielleicht in Form von Samples oder Vorbildern, deren Sound wir auch erreichen wollten. 'Louder!' vereint aber eigentlich diese letzten zehn Jahre auf einer Scheibe - wir haben uns bei 'Here we go' ziemlich weit in Richtung Elektro heraus gelehnt und eine moderne Form von Reggae präsentiert. Darauf folgte mit 'Vintage' das pure Gegenteil. Dieses Album hier vereint eigentlich den Ton der Vergangenheit und den modernen Reggae, die wir beide auf der Bühne repräsentieren. Wir waren oft zwar von dem überzeugt, was wir machten, aber auf der Bühne fehlte dann eben doch jeweils das eine oder andere. Bei 'Louder!' habe ich das Gefühl, ich könnte es jemandem in die Hände drücken und sagen: so ist Open Season..." Seine Eindrücke decken sich durchaus mit meinen, auch wenn mein Ansatz ein anderer ist. Der moderne Reggae wird für mich vor allem von Seeed und Gentleman repräsentiert. Nun tönen Open Season zwar immer nach Open Season - im State of Mind allerdings zeigen sie viel von dieser dampfend heissen und sehr kraftvollen Art der Reggae-Musik. Insbesondere im Opener, dem Titelsong oder in "Sun Boy". Wie erhält man sich eigentlich die Eigenständigkeit, wenn man Musik in einer ähnlichen Art wie z.B. Seeed macht - indem man eben gerade nicht an sie denkt? Kann - muss man sich eventuell selbst schützen? - Santosh: "Nein, gar nicht... Ich denke auch, dass Seeed die berühmtesten Exponenten des modernen Reggae sind. Diese Musik zu machen, heisst momentan halt im Volksmund und in der Presse, zu tönen wie sie. Man kann beispielsweise jeder guten Reggae-Band nachsagen, sie töne wie Bob Marley. Weil Bob Marley guter Reggae ist..." Das bedingt sich also quasi. Mit State of Mind habe ich denn auch gemeint, dass man ähnlich energetisch und spritzig auftritt wie die Deutschen, was definitiv eine der Charakteristika von "Louder!" ist, wie auch Santosh eingesteht: "Bei uns muss es auf der Bühne abgehen und wie du sagst dampfen. Das haben wir auch auf der Warm-up-Tour jetzt wieder gemerkt. Und die Leute zahlen ja auch für eine Band, die hundert Prozent gibt. Das ist ihr gutes Recht, finde ich. Was mir bei Seeed besonders gut gefällt, ist dass sie sich auch optisch Mühe geben, etwas darzustellen auf der Bühne."
Im zweiten Teil der CD herrscht dann Dub vor. "Es ist so eine Abfolge mit Logik. Wie gesagt ist Ska/Rocksteady/Reggae unsere Basis. Aber das ist eigentlich nichts anderes als die chronologische Abfolge der Historie. Dub ist dann einfach die Weiterentwicklung davon..." Die Konfrontation von besonders energetischen Sounds im ersten Teil und besonders chilligen im zweiten, kontrastiert schon, teilt aber das Album dennoch nicht entzwei. "Dub gefällt uns allen sehr gut", leitet Santosch die Erklärung ein, "Auch wenn es eher so Stimmungsmusik ist. Wir hatten das Glück mit Victor Rice, einem der absoluten Gurus des Dub, schon mehrmals als Backing-Band auf Europa-Tournee gehen zu können. Dub ist für uns so etwas wie der chillige Abschluss eines Abends - oder eben auch eines Albums" Auf dem aktuellen Album sticht dahingehend vor allem der letzte Song des Albums heraus. "Iron Dub", gemischt von Sanjay T, seines Zeichens Mitglied der legendären Asian Dub Foundation. "Diese Zusammenarbeit ergab sich ganz von alleine", erzählt Santosh als obs nichts wäre, "ich habe sie in meinem Job als Booker getroffen und wir hatten es toll zusammen. Ich mag sie auch deshalb, weil sie diese Aggression in ihrem Sound haben, der wir auf 'Louder!' ebenfalls teilweise frönen. Ich habe ihn dann einfach gefragt, ob er Lust hätte, einen Song zu mixen..." Open Season haben eigentlich alles, was eine Reggae-band so braucht, werfe ich ein, - ausser Dreadlocks... "Dahingehend sind wir eine Ska-Band...", stimmt mir Santosh zu und weist auf die eingangs erwähnten Hintergründe der Musik. Reggae-Musiker tragen Dreads, Rudeboys dagegen eine Glatze. Open Season drücken ihre Zugehörigkeit zum Ska mit ihren Frisuren korrekt aus. Glücklicherweise beschränken sich die Rivalitäten heute und hier auf solche Merkmale. Nicht auszudenken, wie die persönlichen Schicksale der Bandmitglieder aussehen würden, lebten sie im Jamaica der 60er Jahre. Denn Reggae - und gemeint sind hier alle Substile gemeinsam - tönt oft nur sehr friedlich. Ein kleines aktuelles Besipiel ist denn auch mein Anspieltipp auf der aktuellen Open Season CD: "Little Mary" ist ein Old-School-Ska der eigentlich besagt: "Mary, hör auf, mir auf die Nüsse zu gehen..."