Gurten ohne Patent Ochsner ist wie Sex ohne Schmusen

Patent Ochsner live am Gurtenfestival
„Habt ihr schon mal Sex gehabt, ohne zu schmusen? Ich meine ja, das geht sicher, aber es ist eben nicht dasselbe. Und Sex ohne Schmusen, das ist wie der Gurten ohne sie. Darum sind sie heute hier“, begrüsst der Speaker die Band, die am Gurten halt irgendwie schon einfach dazugehört. Und da sind sie, Büne Huber und seine Mannen: Patent Ochsner. Die Sonne scheint, die Menge jubelt, Büne strahlt. Sex ohne Schmusen, nein, das ist einfach nicht dasselbe… und so legen sie los, der Ochs scharrt, galoppiert, in junger alter Frische, spielfreudig, mitten ins Herz, einmal quer durch die Eingeweide, Patent Ochsner pur. Mit Violine und Cello und Bläsern und allem was dazugehört. Das volle Programm. Immer wieder einzigartig, immer wieder schlicht schön. Bis hoch zum Bacardi Dome recken sich die Köpfe in Richtung Hauptbühne, es scheint, als hätten sich alle Gurtengänger versammelt, um den warmen Klängen und den sprachakrobatischen Texten der Berner Urgesteine zu lauschen. Und spätestens beim zweiten Song hat der Ochs uns alle im Sack: die Band spielt den „Fischer“ an. Wer kennt ihn nicht. Lauthals singen wir mit.
Patent Ochsner am Gurtenfestival
Ein Heimspiel für Büne und seine Mannen. „Heimspiele sind eben nicht immer einfach“, erklärt mir Büne, „wir alle in der Band verbinden so viel mit diesem Festival. Es ist das Festival schlechthin für uns in der Saison. Jeder hat seine Geschichte dazu; wir sind auch hier hoch gepilgert, haben die Konzerte der Bands gesehen und gehört – und dann steht man selber hier auf der Bühne. Das ist schon speziell, und natürlich mit hohen Erwartungen verbunden.“ Erwartungen, die auf ganzer Linie erfüllt werden. Sehe ich mich um, sehe ich lauter freudige Gesichter, lauter lachende Augen, lauter Menschen, die aus voller Kehle mitsingen, die in Erinnerungen schwelgen, die, je nach Alter, je nach Song, irgendeinem Augenblick nachhängen, den sie mit der Musik von Patent Ochsner verbinden. Man findet sich so schön in den Liedern wieder, in den Texten, in den Situationen, die Büne singenderweise beschreibt, direkt aus dem Leben gegriffen, mitten ins Eingemachte. „Das macht schon stolz, wenn du siehst, spürst, dass du Songs kreiert hast, mit denen die Menschen ihre ganz eigenen Geschichten verbinden, und wie sie dann mitsingen und deine Musik richtig erleben. Das ist auch das absolut Schöne an diesen Festivalkonzerten; tausende Köpfe vor dir, die mit dir feiern, dich und deine Musik feiern. Das pudert das Ego. Egopflege sozusagen“, grinst Büne.
Patent Ochsner am Gurtenfestival
Patent Ochsner, das ist Spiel mit der Sprache der Extraklasse. Die Finessen, die Büne immer wieder in seine Texte einfliessen lässt, sind einzigartig. „Ich habe kein Patentrezept. Ich lasse mich treiben, bin immer irgendwie am Aufschreiben, am Kurzgeschichten verfassen, am Bilder malen. Manche Ideen fallen einem vor die Füsse, andere muss man suchen. Ich habe einfach die Augen offen“, so Büne. Der Künstler verpackt Träume und Erinnerungen so gekonnt in Worte wie kaum ein anderer, malt Bilder in den Köpfen der Zuhörer und nimmt sie mit auf einen farbigen Trip durch seine Welt. Es sind die Feinheiten, die diese Lieder ausmachen, die sprachlichen Grenzen, die überschritten werden, und die Themen, die er anspricht. „Vor 40 Jahren starteten ein paar mutige Männer auf eine lange Reise, sie stiegen in eine Rakete und flogen hoch zum Mond. Gedenken wir dem Mut dieser Männer – und dem doch ach so sinnlosen Unterfangen der Menschheit“, stimmt der Patent Ochsner-Frontmann den Song „Apollo 11“ an. Büne hält einen Kasettenrecorder vors Mikrofon, und als würden wir einem Radiosender im Jahre 1969 lauschen, erfahren wir, dass da ein Mann einen Fuss auf den Mond setzt. Gänsehaut. Wer zweifelt da noch an der Mondlandung? „Da werde ich eifrig! Das ist keine Frage von links oder rechts, pro Sowjetunion oder pro Amerika. Wer anzweifelt, dass diese Männer auf dem Mond waren, der verletzt die Gefühle ebendieser Menschen, die in die Rakete gehockt und da oben ausgestiegen sind. Sie waren da! Und das braucht mehr Mut als alle anderen hier unten zusammen hätten! Das muss doch mal gesagt werden“, ereifert sich Büne. Der Traum vom Mond. „Wenn du mich so fragst, dann würde ich schon sagen, ja, sicher, ich möchte so gerne auch mal auf den Mond gehen! Aber wenns hart auf hart kommen würde, dann würde ich wahrscheinlich kneifen… sagen: ich kann gerade nicht, hab Freunde zum Essen eingeladen. Ich hab noch ein wichtiges Interview mit trespass.ch, geht gerade nicht“, schmunzelt er. Ja, und nicht alle Träume gehen in Erfüllung, doch niemals sollte man aufhören zu träumen. Und so träumen wir mit dem Ochs weiter vom Mond und von all den Orten, die wir noch nicht gesehen haben…
Patent Ochsner am Gurtenfestival
Das Publikum groovt mit der Band durch den sonnigen Sonntagnachmittag; wir geniessen die Wärme, die der Sonne, und die, welche die Musik der Berner Band im Herzen hinterlässt. Es fehlt an nichts: bei „Bälpmoos“ packt uns das Fernweh, bei „Globetrotter“ die Reiselust; Liebeskummer, Liebesglück, Träume, Schäume, Lebensfreude, Traurigkeit, Erfolg und Misserfolg, die ganze Gefühlspalette durchleben wir. Das ist doch das Schöne an Mundartmusik: man versteht jedes Wort, unterstrichen vom Gefühl der Melodie, man hört zu, man lebt jede Sekunde mit. Einatmen. Ausatmen. Geniessen. Und natürlich darf als Sahnehäubchen und zum Abschluss ein ganz grosses Werk nicht fehlen: „Scharlachrot“. Der Gurten singt. Könnte Musik malen, der Berner Hausberg würde jetzt in tiefstem Scharlachrot leuchten, ohne Zweifel. Gurten ohne Patent Ochsner, das ist wie Sex ohne Schmusen. Kann ganz toll sein, aber halt eben nicht Extraklasse. Und Patent Ochsner waren wahrlich einer der Höhepunkte am diesjährigen Gurtenfestival.
Patent Ochsner am Gurtenfestival
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