Patent Ochsner - Monthys Helden 1990 - 2005

Text: Monthy
Bilder: Ko:L/Monthy
Vor etwa 12 Jahren hat es sich ergeben, dass Klein-Monthy auf einem Streifzug durch die Berner Altstadt sein Idol sichtete, Büne Huber, Frontmann der damals angesagtesten Band in einem Land, das gerade so richtig auf den Geschmack der eigenen Sprache kam. Büne schrieb die mit Abstand geschliffensten Texte zu der Zeit und wurde innert drei Alben, der berühmten Trilogie Schlachtplatte - Fischer - Gmües, zum absoluten Vorbild in auch meinem viel bescheideneren Bemühen, Worte zurecht zu biegen. Mittel meines Ausdrucks war damals vor allem ein kleines Jugendmagazin namens White Lightning, das wir im Schweisse meines und Ko:Ls Angesicht monatlich schmierfinkten. Als ich also Büne 1993 in der Stadt sah, gab´s verständlicherweise kein Halten. "Büne, chasch mir es Interwiu gä?", versuchte ich mein Glück und Büne meinte trocken: "Wenn´d im Loufä chasch schribä..." Und so kam ich damals zum Handkuss. Als ich Büne letzten Samstag im Backstage des Gurtenfestivals für rund eine Viertelstunde befragen durfte, wollte ich nicht nur aufarbeiten, was ich in Sachen Patent Ochsner seit meiner Jugendzeit und nach einer gewissen Emanzipation von meinem Idol verpasst habe. Ich wollte DEN Artikel über Patent Ochsner schreiben und hatte mich von Büne´s online Biographie inspirieren lassen, die jedes einzelne Ochsner-Jahr mit ein, zwei Episoden beschreibt. Das Interview wurde nun so riesig, dass wir es in sechs Teilen bis Ende Jahr am Radio verwerten. Als Hommage an Patent Ochsner, die heuer ihr 15jähriges Jubiläum feiern und um die aussergewöhnliche Stellung von Büne und den Seinen einfach wieder mal zu würdigen, spielen wir in jeder verbleibenden Radiosendung bis Ende Jahr je einen Ochsner-Song mit einem Quote von Büne, angefangen 1990 bei seiner Fixierung auf Abfallkübel und endend irgendwo zwischen 2003 und heute. Zu hören am 8. August, abends von acht bis zehn in unserer Sendung auf Radio Emme.
"Hast du eigentlich geglaubt, alles was du in frühen Zeiten geschrieben hast, gehöre in den Abfall?", frage ich in Anspielung auf 1990, den Namen Patent Ochsner (Abfalleimer in und um Bern sind so beschriftet) und der vorausgegangen Band namens Pubell public, also dem ´öffentlichen Abfalleimer´. Ein zuerst noch skeptischer Büne Huber, lacht erleichtert ob der legeren Fragestellung: "Ja sicher, sogar heute ist das noch so. Doch da staunt man, denn je mehr man für den Abfallkübel schreibt, desto mehr Leute wollen das plötzlich hören. Das ist natürlich ein ganz fieser Management-Trick. Wir machen nur ´Schiisdräck´, und schon kommen sie und wollen genau wissen, wie dieser ´Schiisdräck´ tönt..." 1991 erschien die Ochsner-Debut Schlachtplatte und schlug - ein bisschen jeder Logik widersprechend - ein. Platz 2 in der Jahreshitparade hinter dem legendären Nirvana-Album mit dem Neugeborenen und der Dollarnote. Wurmt dieser zweite Platz noch, Büne? - "Nicht wirklich. Wir liefen schon mit dem zweiten Platz und den Umwälzungen, die das für jeden von uns mit sich brachte, ziemlich in einen Hammer. Wir hatten damit nicht gerechnet. Was mich aber noch wurmt in diesem Zusammenhang: Wir waren damals bei einer Plattenfirma, die einen Mitarbeiter hatte, der auf dieser Platte unbedingt vermerkt werden wollte. Wir fanden dann, wenn´s so wichtig ist, dann machs doch und deshalb mussten Booklets umgedruckt werden und in der Auslieferung gab´s ein Loch. Sonst hätten wir sie nämlich packen können. Wenn dieser ´Tubel´ nicht so eitel und wir nicht so dumm gewesen wären, hätten wir sie locker weggeputzt!"
Das Publikum war 1992 beim ersten Auftritt in St.Gallen laut Ochsner-Bio ausnehmend freundlich mit den Jungs, obwohl man ihnen auf den ersten Blick angesehen hätte, dass sie die Hosen voll gehabt hatten. Frage - ist das Publikum heute härter mit ihnen oder sind es nur die Kritiker? Büne: "Das ist eine schwierige Frage. Einmal als Band etabliert, bist du für einen Musik-Kritiker eben nicht mehr entdeckungswürdig und dann fangen sie halt an, viel kritischer zu schreiben. Anfangs, wenn du als Nobody in die Szene einsteigst und man dich noch entdecken kann, ist auch ein gewisses Renommee für einen Journalisten drin. Ich habe Respekt vor diesem Job und Respekt vor dem, was halt in Menschen so abgeht bei solchen Geschichten. Wir sind nicht frei von Eitelkeiten, das gehört wohl dazu. Und das Publikum heute auf dem Gurten hat mich wirklich tief berührt. Wir haben Risiko gespielt, haben einen Part, wo wir alles ganz ganz oben runter holen. Das braucht Nerven, an einem Festival, wo eigentlich alle lospumpen wie doof - und wir ja dann schlussendlich auch... Aber wir haben wirklich geschwitzt und das ist mir richtiggehend ´iigfreeset´. Ich bin an sich nicht der Schulmeister, der Rosen verteilt, wenn die Leute anständig waren. Aber heute hat es mich so berührt, dass ich es einfach sagen musste."
"1993 - Weisst du was kommt?" - Büne rätselt und ich zitiere aus der Bio: "Plötzlich geriet sein linker Mittelfinger aus unerfindlichen Gründen unter den von Büne geschwungenen Hammer worauf er - also der Finger - brach. ´Shit, du hast mich voll getroffen´, war sein einziger Kommentar. Während der nächsten Nummer ging er unvermittelt k.o. - Machst du das öfter, deine Bandmitglieder k.o. schlagen?" Büne hielt den Blick während der Frage gesenkt, schaut nun auf und bemerkt spitz: "Ja klar, das ist eigentlich mein einziges Hobby..." Nachdem wir uns erholt haben, führt er aus: "Das war sooo doof, so blöd... Noch dazu in einem Song der ´Chnocheschlosser´ heisst! Wir nahmen ihn dann auch aus dem Programm. Ich fand das doch zu destruktiv, hatte ein enorm schlechtes Gewissen." Mit Gips beendete Gitarrist Phillippe Stalder damals die Tour und Büne sagt dazu: "Das bewundern wir noch heute. Es war sein Mittelfinger, der danach immer schön aufrecht heraus ragte. Das war wie ein Statement, wenn er jeweils die Bühne betrat..." Mit Gmües und dem Abschluss der Trilogie erreichte das Schaffen von Patent Ochsner ´94 einen künstlerischen Höhepunkt. Das sage nicht etwa ich und meine damit schon gar nicht, dass es danach nur noch bergab ging. In Bünes Worten: "Von der Publizität her war Stella Nera dann noch ein bisschen höher anzusiedeln. Es ist aber nach wie vor die Platte, bei der ich emotional am meisten gebunden bin. Ich dachte damals, dass die Leute diese Platte wahrscheinlich gar nicht hören wollen. Zu emotional, zu traurig, zu depressiv. Es ging um den Umstand, dass mein Vater gestorben war und das hat mein Songschreiben sehr geprägt. Im gleichen Jahr sind vier enge Freunde verstorben und ich hatte wirklich das Gefühl, ich komme nicht mehr aus dieser Thematik heraus. Es war um so schwieriger mit dieser Platte auf Tour zu gehen und jeden Abend diese Thematik von Trauer, Abschied, Tod neu zu durchleben. Das war heavy!"
Madagaskar im darauffolgenden Jahr 1995 war laut Büne aber nicht eine Flucht sondern der Ausläufer der Tournee. "Wir wurden angefragt, bei einem Kulturautausch mitzumachen. Zuerst kamen madagassische Musiker hierher und wir verlebten eine ungeheuer intensive und geile Zeit. Das waren alles hochanständige, kreative und liebe Leute mit allerdings für uns total fremder Auffassung von Musik und wir haben innert kürzester Zeit miteinander etwas geschaffen. Die Konzerte hier gingen dann über die Bühne und es war klar, dass wir zum Schluss nach Madagaskar reisen und die Tour dort mit sechs Konzerten abschliessen. Die Madagassen hatten hier in Schulen über die Problematik Regenwald berichtet und es war, da das Projekt vom BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) initiiert worden war, im Gegenzug vorgesehen, dass wir in die madagssischen Schulen gehen. Das hat zwar Spass gemacht, aber wir haben es ehrlich gesagt etwas unterschätzt. Es wurde dann einfach zu viel." Büne fing sich eine Malaria ein, sagt dazu paradoxerweise: "Ich erinnere mich sehr gerne. Ich habe Bilder, die so abstrus sind... Man muss sich vorstellen, die Konzerte waren in Fusballstadien. Die Stromversorgung ist in Madagaskar recht prekär, die Stadien wurden also dunkel gehalten. Wir sahen nur das weisse in den Augen und die Zähne von den Zuschauern, einer anonymen Masse, die während den Songs sehr brav war, weil sie nichts verstanden. Sobald die Musik verebbte haben sie geklatscht, gejubelt und getobt, nur um beim ersten Ton wieder mucksmäuschenstill zu werden. 30´000, einmal gar 50´000 Zuschauer, dazu eine von zwei Beschallungsanlagen im Land, die es streng gesehen nicht mal beide zusammen gepackt hätten. Zwei Tage vorher hatte so ein Augenflimmern bei mir begonnen und sie haben dann Malaria festgestellt und mich mit Medikamenten abgefüllt. Ich stand dann auf dieser Bühne und man sagt ich hätte zu jenem Song diesen Text gesungen, vollkommen Kraut und Rüben. Und ich weiss noch, als dieser riesige Mond aufging, habe ich da einfach reingestarrt und war glücklich... Und Phillippe steht nur so vor mich hin und fragt: ´Geit´s?´"
Im Jahr 1997 erscheint mit Stella Nera das Werk mit dem grössten Ochsner-Hit bisheriger Zeiten, "W.Nuss vo Bümpliz". Gleichzeitig überborden die Kritiken und gehen hart mit Büne ins Gericht. Ein krasser Gegensatz? - Büne: "Ich habe effektiv dabei die krassesten Kritik eingefahren. Ich hatte damals den Eindruck, die Attacken seien ziemlich persönlich. Sie gingen nicht gegen die Band, nicht gegen die Musik, nicht gegen die Platte an sich, sondern irgendwie gegen mich und ich hatte das noch nie so erlebt. Das verdaut man aber auch irgendwie und wenn ich so zurückblicke, war´s ganz gut für mich." Vor sieben Jahren hat Büne ein Konzert mit befreundeten Bands, unter anderen Stefan Eicher oder Le soldat inconnu, auf dem Flugplatz Belpmoos gegeben. Wen würde er heute spontan dazu einladen? - "Zu den damaligen Acts - die sind mir immer noch sehr wichtig - kämen heute ein Mimolo Kashuli oder ein Greg Cowen... (Schreibweise ohne Gewähr)" Auf meinen eher verstörten Blick hin fügt Büne lächelnd einen auch mir bekannten Italo-Rapper an,der im Hintergrund gerade die Gurtenbühne betritt: "Ich würde gerne Jovanotti einladen..." Wir springen ins Jahr 2000 und ich will genauer ausbuchstabiert haben, warum Büne mit Honigmelonemond eine Solo herausgegeben hat, wo doch viele Leute Patent Ochsner eh schon auf ihn reduzieren? "Die Situation war die, dass viele von uns nach der StellaNera-Tour einfach noch andere Projekte am Laufen hatten und wir ein Jahr Pause einschoben. Ich hatte aber Songs am Start, wie sie mir vielleicht letztmals bei Gmües wichtig waren und konnte einfach nicht ein Jahr lang warten. Wenn´s aktuell ist, wenn´s mir nahe ist, möchte ich es machen und wir haben auch darüber diskutiert in der Band, hart auf hart. Zum Schluss hiess es dann, wenn´s so wichtig ist für dich, dass es jetzt passiert, dann ist das der einzige Weg. Für mich ist das DIE Platte! Es ist zwar kein Hit drauf, aber der ganze Bogen ist meine sehr private Liebeserklärung an meine Tochter."
2001 werfe ich einen Blick auf das Lineup der Band. ´95 verliessen Neuhaus und Stalder Patent Ochsner, ´98 Brenni, 2000 Frutiger, Resli Burri und Böbu Ehrenzeller. 2001 war neben Büne nur noch Pascal Steiner aus der ursprünglichen Formation dabei, dazu neu Christian Brantschen und Dizl Gmünder. Auch seither hat es Fluktuationen gegeben. Büne meint dazu: "Das sind halt Bewegungen. Dizl kam während Stella Nera dazu, Böbu und Resli stiegen nach längerer Zeit aus. Es sind schleichende Prozesse. Du bist Teil einer Band und es lässt sich sicher nicht einfach so wegwischen, dass letztendlich ich der Motor dieser Band bin. Aber ich habe das Gefühl, auf die Zukunft bezogen, dass Patent Ochsner viel mehr zum Projekt wird, dass bei jeder Platte neue Leute dazu kommen, die dann vielleicht auf der übernächsten schon nicht mehr dabei sind. Alles soll sich am Inhalt messen - was soll auf der Platte passieren?" Im Jahr 2003 endet die Online-Bio der Ochsners mit dem Eintrag des Releases von Trybguet. Auf dem Gurten haben Patent ein richtiges Klassiker-Set präsentiert. Meine nochmals amüsant provokative Frage, ob denn nichts gegangen sei bei Büne in den letzten zwei Jahren, nutzt mein fleischgewordenes Idol, um mir mit seinem Schlusswort doch noch ein bisschen den Kopf zu waschen: "Es ist sehr viel gegangen, aber ich bin ja nicht doof und bringe die neuen Songs auf irgendeiner Bühne, wo die Radios alles mitschneiden und am nächsten Tag kannst du sie dir im Internet herunterladen. He, wir leben davon und würden dann gerne noch ein paar Scheiben verkaufen!" Ob ich nun meinem eigenen Anspruch zu genügen wusste und DEN Artikel über DIE Band schreiben konnte, liegt in anderer Leute Kopf, doch in Büne´s letztgenannter Hinsicht bleibt er wohl noch für ein paar Jährchen mein Vorbild. Davon leben, das wollen wir schliesslich alle...
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