Patent Ochsner: Reisen ohne Ziel?
14.6.2012/Text: Ko:L, Bilder:
manuelwinterberger.ch Anlässlich des Releases von „The Rimini Flashdown Pt. 1”, des letzten Studioalbums von Patent Ochsner, debattierten Fronter Huber und der Chronist über die Aussage, die Platte sei „e trüebi Schibä“. Und jetzt – was kommt jetzt? Die Frage ist spannend – und Patent Ochnser tun, was sie gerne tun. Sie überraschen, ohne sich untreu zu werden. „Johnny – The Rimini Flashdown Pt. 2“ kreiert viele Hinhör-Momente, das Album lässt aufhorchen. Irgendwo im Hintergrund haben sich scheue Scratches verirrt, plötzlich scheint es, als schallten Electro-Versatzstücke aus den Boxen und wenig später wirkt es gar, als verabschiede sich der Chnocheschlosser wieder einmal unauffällig durch ein Fadeout. Aber was hat es eigentlich mit diesem Johnny auf sich – warum singen die Berner (Hofer tat es schon, Lauener auch) so gerne über ihn? Und überhaupt: Wie kommt es, dass eine Band mit einer langjährigen und wechselvollen Geschichte wie Patent Ochsner ein Album auf die Beine bringt, das derart die Leichtigkeit des Seins zu zelebrieren scheint, ohne je den Eindruck zu erwecken, oberflächlich oder gar belanglos zu sein?
Es wäre erstaunlich gewesen, wenn der Fronter und der Chronist sich auf Anhieb einig geworden wären. „Ich finde, das neue Album ist ziemlich schwermütig“, sagt Huber – und widerspricht so dem Ansatz, dass „Johnny – The Rimini Flashdown Pt. 2“ ein Album ist, das musikalisch vergleichsweise leichtfüssig daher kommt. Irgendwann führt das Gespräch jedoch zum Umsetzung des Albums, welche stark im Zeichen musikalischer Spielerei gestanden habe, wie Huber erklärt. „Auch wenn es schwer vorstellbar ist, dass ich daheim durchaus Drum’n’Bass höre und dass jeder von uns mit irgendwelchen Geräten irgendwelche Sounds bastelt – es ist so!“, sagt er, angesprochen auf die Versatzstücke von Electro in gewissen Songs auf der neuen Platte. „Wir haben viel gespielt mit diesen Geräten und dem, was man da rausholen kann“, sagt Büne – und fügt nachdenklich an: „Vielleicht ist es das, was Du als spielerische Leichtigkeit des Seins in den Sound interpretierst.“ Im Song „Kreissaal“ tönt das dann so: „I bi uf dr Flucht. Weiss zwar nid gnau vor was. Es het sech eifach so ergäh u pär Zuefau isch dr Tank grad vou gsi u die linggi Fahrbahn frei.“
Es ist, wie’s ist: Reisen ist spannender, wenn man nicht weiss, wohin der Weg führt. Die letzten vier Jahre seien nicht immer einfach gewesen, sagt Büne Huber – und es sei wahrscheinlich das Konzert mit dem Berner Symphonie-Orchester auf dem Bundesplatz gewesen, das ihn nach der Trennung von seiner Frau aus seinem Loch herausgeholt habe. „Dort konnte ich mitmachen – mit Freude und Leidenschaft – aber es hing nicht gleich viel an mir, wie bei der Produktion eines Studioalbums.“ Aber die Arbeit am Konzert gab ihm den Mumm, neue Songs zu schreiben und aufnehmen zu wollen. Dass daraus dann „The Rimini Flashdown Pt. 2“ werden sollte, war freilich nicht geplant. „Eigentlich stehen die Songs für Rimini 2 ja – aber die passten nicht zu meiner Situation. Ich musste neues Material schreiben. Irgendwann habe ich dann etwas gemacht, was ich sonst eigentlich nicht tue: Ich habe alle Ochsner-Alben durchgehört. Und irgendwann, es war tief in der zweiten Hälfte der Nacht und der Rotwein ging langsam zur Neige, war ich beim Rimini-Album angelangt und merkte: Inhalte und die Art, wie wir das neue Material musikalisch umsetzen wollten, passt. Als ich der Band von diesem Erlebnis berichtete, waren wir uns bald einig: Das neue Album wird Rimini 2.“
Zur Frage, wer dieser Johnny denn nun sei, zitieren wir an dieser Stelle den Pressetext – weil Huber die Figur praktisch im Wortlaut erklärt: „Eine Figur, als wäre sie von Chuck Berry ersonnen worden. Ein rockenrollender Peter Pan und atemloser Rumtreiber, dessen Träume im Lauf der Zeit allmählich in Schieflage geraten oder ersatzlos gestrichen worden sind. Genau an dem Punkt, wo sich nichts mehr zu bewegen scheint, wo die Atome stillstehen, festgefrohren an den unscharfen Rändern einer trügerischen Wahrnehmung, knurrt Johnny ein trotziges „es tuet überhoupt nid weh“ in die Nacht. Genau so wie es damals Muhammad Ali tat, nachdem ihm George Forman eine dermassen donnernde Rechte reingeknallt hatte, dass die sich für Ali wie ein Erdbeben anfühlen musste.“ Und so ist das neue Ochsner-Album eben doch mehr Befreiungsschlag, den trübe Scheibe für trübe Feigen...
Jetzt aber doch noch zum Gummibaum, den Büne im gleichnamigen Song auf dem neuen Album besingt. Warum zu Henker singt einer ein Lied aus der Perspektive der langjährigen Topfpflanze Nummer 1 – beziehungsweise: Wie kommt man überhaupt auf die Idee, einen Song über den Gummibaum zu schreiben, der einfach so dasteht, weil das alles ist, was er kann und schon ein wenig angestaubt ist. „Öu dr Gummiboum“, sagt Büne und lacht, bevor er zu einer Geschichte ansetzt, die tatsächlich so leicht irr ist, wie der Song scheint: „Ich hatte einen Termin bei einem vietnamesischen Wunderheiler. Als ich ins Wartezimmer kam, stand da dieser Gummibaum. Hey, das war doch DIE Zimmerpflanze, in den 70er-Jahren musste doch jeder einen Gummibaum haben. Da habe ich angefangen mit diesem Gummibaum zu plaudern, wie wenn du einem Hündeler begegnest und zum Hund sagst: Jööö, sälü, du bisch aber e Schöne! Gleichzeitig spielten draussen Kinder Räuber und Poli, und eines fragte, warum es immer Räuber sein müsse und das andere antwortete: Eine mues es ja si. Darum ist der Gummibaum der Gummibaum – weil einer der Gummibaum sein muss.“
Und wir lächeln und denken: Solange der Huber noch solche Geschichten findet, schreibt und vertont, solange lebt und vibriert der Huber und so lange werden uns Patent Ochsner noch erhalten bleiben. Und sowieso und überhaupt: Der eigentliche „Rimini Flashdown Pt. 2“ ist ja jetzt immer noch unveröffentlicht – weil Johnny dazwischen kam. Fortsetzung folgt darum mit Garantie... Vorerst gibts jetzt aber "Johnny - The Rimini Flashdown Pt. 2". Das Album kommt am 22. Juni in die Läden, danach gehts auf Festival-Tour.