Phenomden hat sein Eiland gefunden
28.11.2011/Text: Ko:L, Bilder: Promo/Cover
Er hat mehr Flow als Limmat, Aare und Rhein zusammen: Der Zürcher Mundart-Reggaestar Phenomden präsentiert mit „Eiland“ sein bisher direktestes und authentischstes Album. Die 13 Songs wirken in der Summe roher, kantiger und griffiger, als frühere Sounds des Mannes aus Wiedikon. „Du bist nicht der erste, der das sagt“, meint Phenom. „Es ist gut möglich, dass die Lieder anders klingen – bewusst gesucht habe ich diesen Effekt aber nicht.“ Gesucht hat er viel mehr Wissen: Wissen über den Reggae, Wissen über Jamaika, Wissen über eine Kultur eines ganzen Volkes. „Mit ist wichtig, dass ich meinen Horizont weit offen halte“, sagt Phenomden. Um das Wissen über Jamaika und den Reggae zu vertiefen – und seinen Sound weiter zu entwickeln – hat er grosse Teile der letzten anderthalb Jahre auf der Insel verbracht.
Während den zahlreichen längeren Jamaika-Aufenthalten hat Phenomden offensichtlich sein „Eiland“ gefunden; nicht nur ein Ort, an dem alles paradiesisch heile Welt ist, aber eine Ort, an dem man sich daheim fühlen kann. „Zum Beispiel, weil es keinen Nebel hat“, flachst Phenom. „Ich habe immer gesagt und auch gewusst, dass nicht alles einfach nur Sonne, Strand und Living Easy ist in Jamaika – und das auch immer betont.“ Augenwischerei ist genauso wenig sein Ding, wie Schönfärberei. Trotzdem muss selbst er rückblickend erkennen: „Ich habe viele Erfahrungen gemacht, mit denen ich im Voraus nicht gerechnet habe. Vieles sieht aus der Distanz anders aus, als im jamaikanischen Alltag.“ Diesen bildet Phenomden denn auch ungeschminkt und ohne falsche Verklärung in einigen der Songs auf Eiland ab – und prangert Missstände direkt und schonungslos an.
Manager-Exzesse werden nimmt er genauso ins Visier, wie feststellt, dass die Gunmen in Jamaika Angst und Schrecken verbreiten. Während in Jamaika viele die Musik als „Rebellion“ gegen die Zustände – oder zur Flucht vor selbigen – nutzen, sind es in Europa Proteste wie jüngst die Occupy-Bewegung am Zürcher Paradeplatz. Dabei fällt auf, dass mit Occupy Paradeplatz ein Schlagwort den Weg auf Phenomdens „Eiland“ gefunden hat, das kaum zwei Monate alt ist. „Stimmt, jetzt wo du’s sagst... So habe ich das noch gar nicht überlegt“, meint er. „Das ist halt auch etwas, das ich in Jamaika gelernt habe: Dort werden aktuelle Themen sofort in neuen Songs aufbereitet. Drei Tage nach einem Grosserfolg von Sprinter-Star Usain Bolt ist es gut möglich, dass bereits ein Song darüber am Radio läuft.“ Ein Weg, solch aktuelle Songs einzusingen, ist der, dass die Texte erst im Studio entstehen. „Ich habe zum Teil eine Zeile geschrieben und dann gleich eingesungen“, erklärt Phenomden.
Nachdem er mit „Gangdalang“ die Top10 der Schweizer Albumcharts knacken und sich insgesamt 43 Wochen in der Hitparade halten konnte, stellt sich die Frage, welche Ziele er mit „Eiland“ nun anvisiert. „Ich habe ‚Gangdalang’ für mein Empfinden schon toppen können, indem ich ein Album produzieren konnte, das sich vom letzten abhebt und eine Weiterentwicklung darstellt“, sagt Phenomden. Diese Weiterentwicklung rührt unter anderem daher, dass er erstmals ein Album mit den Scrucialists, seiner langjährigen Liveband, aufgenommen hat. „Wenn ich ehrlich bin, war ich erstaunt, wie jamaikanisch diese Band funktioniert“, sagt er mit einem Lächeln und berichtet von einer ganz neuen Erfahrung, welche auch die Arbeit mit der Band im Studio gewesen sei.
Eine andere neue Erfahrung, die Phenomden möglicherweise noch ganz neue Horizonte eröffnen könnte, ist das Singen in Englisch. „Im Reggae ist es besonders wichtig, dass die Leute verstehen, was man singt – weil die Message seit jeher im Zentrum steht“, sagt Phenomden. So konnte er mit seinen eingängigen Mundart-Tunes zwar nicht nur in der Deutschschweiz, sondern auch in Süddeutschland und in Österreich eine erkleckliche Fanschar aufbauen. „In Jamaika haben die Leute anfänglich jeweils sehr interessiert hingehört, dann amüsiert auf die Sprache reagiert – aber nach zwei, drei Songs hat die Aufmerksamkeit rasch nachgelassen“, berichtet der Reggae-Musiker. Deshalb könne er sich gut vorstellen, künftig auch Englisch zu singen. „Ich habe ein paar Versuche gemacht und es hat gar nicht mal so schlecht funktioniert“, sagt er – betont aber gleichzeitig: „Hier werde ich immer Mundart-Songs machen – gerade eben weil es mir wichtig ist, dass die Leute mich verstehen!“