Philipp Fankhauser - Love man riding (Sony BMG)
Text: Mick Gurtner
Bilder: Philipp Fankhauser
Eine Platte zwischen rohem Blues und geschmeidigem Soul, zwischen Reduktion auf das Wesentliche und gepfefferten Bläsersätzen, zwischen Geschichten über die Einsamkeit und der berührenden Liebeserklärung «I Didn’t See (The Best of you)»: Das ist «Love Man Riding», Philipp Fankhausers elfte CD. Zu atmosphärischen, dichten Bluessongs gesellen sich beseelte Balladen («I’m Finished here») oder peppige Uptempo-Nummern. Die CD wurde in Luzern und Los Angeles aufgenommen. Nebst Fankhausers bewährter Band halfen illustre Gäste mit: Stephan Eicher steuerte Gitarren und einen Dulcimer (eine amerikanische Version der Zither) bei, Perkussionist Luis Conte, der mit Stars wie Madonna arbeitet, war zufällig zur selben Zeit in L.A. – und ist auf drei Songs zu hören. Fazit: ein starkes Stück!
Die Aare, der Schlossberg, die Altstadt, grau in grau an diesem kühlen Vorfrühlingstag. «Thun, das ist das ewige Nachhausekommen», sinniert Philipp Fankhauser, blickt vom Aussichtspunkt Jakobshübeli über «seine» Stadt. Und fügt sogleich an: «Aber bleiben wollte ich nicht.» So zog er vor 15 Jahren direkt von der beschaulichen Thuner Gerberngasse nach New York. Und ist seither dauernd unterwegs, reist als Bluesmusiker in der ganzen Welt herum. Als er im Jahr 2000 seinen Wohnsitz aus den USA wieder in die Schweiz verlegte, ging er nicht zurück nach Thun. «Ich stoppte einfach 20 Meilen vorher, in Bern», sagt Fankhauser und zündet sich eine Zigarette an.
Es ist ein Spaziergang in die Vergangenheit, den er heute unternimmt. Begonnen hat er etwas ausserhalb der Innenstadt, beim Restaurant Waadtländerstube. Fankhauser erzählt mit ruhiger, dunkler Stimme. «Hin und wieder hatte mein Vater die brillante Idee, ein Vacherin-Fondue zu machen. Das ist ziemlich schwierig – und plötzlich tönte es aus der Küche jeweils ‹merde alors›! Da gabs dann halt Bratwurst und Rösti in der ‹Waadtländerstube›. Und der Wirt wusste: Bei Fankhausers ist das Vacherin-Fondue misslungen.» Vom Restaurant steigt der Weg steil an. In diesem Quartier hat Philipp Fankhauser als Bub gewohnt. «I ha dä Stutz ghasset», sagt er nun lachend. Steil und steinig: So war auch der Weg, den der Sänger und Gitarrist im Musikgeschäft beschritt. Zwar gabs in Blueskreisen früh Anerkennung für den Schweizer mit der rauchigen Stimme und der tief verwurzelten Leidenschaft für diese Musik. Doch darüber hinaus sorgte erst die letzte CD «Watching from the Safe Side» so richtig für Aufsehen. «Das war ein Highlight; da wieder etwas nachzureichen ist eine Herausforderung», sagt Fankhauser.
Doch speziell vorbereitet habe er sich nicht, bevor er mit seiner Band wieder ins Studio gegangen sei. «Eigentlich ist das Aufnehmen für uns nicht viel anders, als ein Konzert zu spielen», erklärt der 44-Jährige. Viele Ideen entstehen erst im Studio. Ganz spontan. Und wenns passt, wird nicht noch lange gefeilt. «So wird die Musik nicht zu Tode getrampelt.» Da darf auch mal ein Schlagzeugstuhl knarren. Oder ein Ton danebengehen. Perfektion strebt Fankhauser nicht an. Er nennt das «ganz und gar unschweizerisch». Wichtig sei, dass die Emotionen stimmten. Und so sei die neue CD «Love Man Riding» von alleine entstanden: «Eigentlich fand ich zuerst, das Material sei nicht so gut. Am Schluss dachte ich: Das gibts gar nicht. Wie ist jetzt das passiert?» Der Spaziergang führt in den Wald – und weiter steil nach oben. «Als Fünfjähriger hab ich hier sicher schon geweint», erinnert sich Thuns bekanntester Bluesexport an die Zeiten, als dieser Spaziergang zum Familienprogramm gehörte. Der Vater sei immer auf irgendwelche Berge gerannt («ausser auf den Niesen, den wollte er nach Holland exportieren, den mochte er gar nicht»). Eine Leidenschaft, die sich nicht auf Klein Philipp übertrug. «Aber lustigerweise geht man dann doch 35 Jahre später wieder genau hier hoch», meint er schmunzelnd.
Zurück in ein Stück Vergangenheit. Das war bei «I Got a Love», einem Highlight von «Love Man Riding», nicht anders. Geschrieben hat ihn Fankhausers 1997 verstorbener Mentor Johnny Copeland. «Wir haben ihn sehr nah am Original aufgenommen», sagt der Bluesmusiker. Auf einem Bürostuhl zwischen Regieraum und Studio sang er die Strophen ein. Roh und ungehobelt. Und dann hatte er eine Idee: Das wär doch was für Stephan Eicher! Also schickte er dem befreundeten Musiker die Bänder, erhielt einige Tage später eine E-Mail mit einer MP3-Datei – und erschrak. «Eicher spielte drei, vier Gitarren drauf, und einen Dulcimer, und das alles wunderschön. Ich dachte: Jesses Gott, das kann ich dem Johnny doch nicht antun, dass dieser rohe Blues jetzt so kunstvoll daherkommt!» Schliesslich fand er aber Gefallen an der Kombination von rotzigem Gesang und Eichers Gitarrenparts. «I Got a Love» als Song, der eine Reise unternimmt, sozusagen.
Apropos Reise: Scheinbar mitten im Wald taucht jetzt das Jakobshübeli auf. Und gibt den Blick frei – auf die Aare, den Schlossberg, die Altstadt. «Thun ist so klein. Da kennt jeder jeden. Das ist manchmal schön und manchmal nicht», sagt Philipp Fankhauser, der Weltreisende. Wenn er nicht unterwegs sei, habe er gerne Orte, wo ihn niemand kenne. Aber Thun als Konstante in einem unsteten Leben? Ja, das könne man so sagen. Und plötzlich lacht er: «Wenn ich mit ‹Love Man Riding› Platin erreiche, dann kommen wir nochmals hierher. Mit Champagner!»