Philipp Fankhauser will noch 35 Jahre machen
Er reiste direkt von einem Konzert in Bern in den Aargau, um die 2. Swiss Music Night in Wohlen nach Mitternacht zu krönen. Philipp Fankhauser und seine Band bewiesen eindrücklich, dass sie mit ihrem aktuellen Album „Love Man Riding“ in der Schweiz nicht umsonst die meistverkauften Blueser hinter den Giganten B.B. King und Eric Clapton sind. Energiegeladen, spielfreudig, dynamisch und mit viel Gefühl für das Wechselspiel zwischen lauten und leisen Tönen fesselte der hochkarätige Fünfer das Publikum – welches sich im Gegenzug bereitwillig gefangen nehmen lies vom Bluesman aus Thun, Switzerland. Man war sich einig: Orchester wie dieses gibt es nur ganz ganz wenige hierzulande! Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb drängte sich nach der Show die Frage an den sichtlich erschöpften Bandleader auf: Warum tust du dir das an? „Weil man einerseits die Aufträge nimmt, wie sie kommen. Andererseits leben wir so – und wir lieben es: Unterwegs sein und Musik zu machen.“ Aktuell über hundert Mal im Jahr...
Die Frage, wie man sich fühle, als verkaufsmässige Nummer drei hinter Welt-Legenden wie King oder Clapton, kriege er oft gestellt, erklärt Fankhauser. „Das hat für mich letztlich keine grosse Wertigkeit und gibt mir kein Gefühl, besser oder schlechter zu sein.“ Natürlich sei's schön, wie's ist. „Aber das gilt auch nur für die SchweizKing und Clapton verkaufen auch noch in hundert anderen Ländern. Insofern ist das einfach ein netter Gimmick.“
Trotzdem: Philipp Fankhauser ist heute in der Schweiz nicht nur Blues-Szenies ein Begriff; nein, ein breites Publikum kennt den Thuner Blues Musiker. Insofern zeugen die aktuellen Verkaufszahlen und sein Erfolg eben doch von einer Anerkennung für sein musikalisches Schaffen. Man könnte sagen, er ist heute dort, wo er immer schon hin wollte. „Das stimmt. Aber dieser Prozess dauerte 25 Jahre. Das ist nicht der Musicstar-Effekt, welcher völlig unbekannte Teenager in nur sechs Wochen mitten ins Rampenlicht stellt. Das gibt so ein A- und ein B-Leben. Ich hatte immer das A-Leben. So kann ich mich manchmal einfach hinsetzen, für mich zurückblicken – und feststellen: Doch, da hat sich was getan.“ Es sei aber definitiv toll, als weisser Schweizer mit schwarzer Musik im eigenen Land anerkannt und respektiert zu werden. „Bestimmt hat das auch mit dem Alter zu tun. Als ich mit 20 anfing Konzerte zu geben, fragten sich alle, was dieser junge Lappi jetzt mit Blues wolle.“
Und wieder liegt es auf dem Tisch: Das alte Klischee, das besagt, guter Blues hänge von Lebensalter und Lebenserfahrung ab. Fankhauser verneint aber seine Gültigkeit – wenigstens zum Teil. „Johnny Lang kam in den 90er Jahren mit 16 auf die Bühne und tönte wie ein 60-Jähriger. Robert Johnson wurde mit 29 ermordet und gilt heute als Übervater des Blues. Mein grosser Mentor Johnny Copeland schrieb mit 15 'Further on up the road' – ein Welthit!“ Aber: „Der Inhalt kann mit fortschreitendem Alter tatsächlich tiefer werden. Kann!“ Eine Aussage, die auf ihn tatsächlich zutreffe. „Ich bin ruhiger und gelassener geworden“, sagt Fankhauser, „und der Zuspruch des Publikums zeigt mir, dass ich wahrscheinlich nicht alles falsch mache, was wiederum in etwas mehr Selbstsicherheit mündet.“
Wohl genau diese Gelassenheit ist Auslöser für die Antwort auf die Frage, wie gross die Versuchung sei, den Erfolg von „Loveman Riding“ zu wiederholen. „Überhaupt nicht gross“, kommt es zackig und bestimmt. „Wir hatten das Thema schon beim Vorgänger-Album 'Whatching from the safe side': Wir rechneten mit 2000 verkauften Exemplaren; es wurden 10'000, beziehungsweise über 20'000 fast vier Jahre nach der Veröffentlichung. Ich schreibe Songs so, wie ich sie für 'Love Man Riding' geschrieben habe. Seit eh und je.“ Umso überraschender dann die Antwort auf die Frage, wie weit er in die Zukunft blicke – mit dem Hintergedanken, das Gespräch auf ein nächstes Album zu lenken. „Noch etwa 35 Jahre. Ich bin jetzt 45 und habe immer gesagt, dass ich – sofern ich gesund bleibe – etwa bis 80 auf der Bühne stehen möchte.“ Ein schöner Gedanke – aber auch ein anstrengender: Geht man davon aus, dass er alle zwei Jahre ein neues Album bringt, dürften es noch mindestens deren 34 werden. „Öppe nid“, meint Fankhauser mit einem Lächeln. So ist heute noch völlig unklar, ob der Nachfolger von „Love Man Riding“ tatsächlich schon nächstes Jahr rauskommt. „Ich habe im November und Dezember Zeit, neue Songs zu schreiben, im Frühling gehen wir ins Studio.“ Das stehe fest. Alles andere sei noch offen betont der Thuner, der eben doch dort ist, wo er immer hin wollte: An einem Ort, an dem er nicht mehr muss, aber ganz ganz viel kann und darf.