Natacha & Piggy - Blondinnen unter sich
Text/Bilder: Piggy
Ich geb's ja zu. Der Titel zu diesem Artikel stammt nicht von mir sondern von einem unbekannten Künstler aus dem Rotlichtmilieu, der mit der Grammatik auf Kriegsfuss stand. Dass er damit unbeabsichigt ausdrückte, wir Blondinen seien zu blöd um "Blondinen" schreiben zu können, mache ich mir nun zunutze, lege allerdings Wert auf die clichierte Ironie darin... Sagen Sie schon selbst: Haben Sie jemals soviele blonde Haare auf einem, beziehungsweise zwei Haufen gesehen wie auf obigem Bild?
Natacha, mein Frisuren-Zwilling, meint auf meine einleitende Frage, worauf sie denn am meisten angesprochen werde, allerdings: "Eigentlich doch mehr auf meine Stimme. Wenn es um Äusserlichkeiten geht, sind meist mein Lippenstift und mein Puder ein Thema. Ich bin grosser Fan von Channel-Puder und ich liebe Lippenstifte. Viele Berichte beziehen sich dann auch auf den 'Porzellanteint' und die Lippen. Aber ich finde das eigentlich noch so schön..." Komplimente sind schliesslich der Lohn für die Mühen, die wir Frauen selbstlos auf uns nehmen. Ich kenne das...
Am 8. und 9. März trat Natacha unplugged im Hotel Kronenhof in Zürich-Affoltern auf und konnte ihre Begeisterung über den Besuch und Auftritt ihres Erfolgsproduzenten Tony Carey kein bisschen verbergen. Ich frage Natacha nach Tony's Anteil an ihrem Erfolg. - "Ein ganz grosser Teil. Ich habe mit ihm meine ersten Hits produziert und das erste Album einer Frau in der Schweiz überhaupt, das von 0 auf 1 in die Charts einstieg. Ursprünlich kam ich ja vom Text her und habe meine Freundinnen genötigt, meine Songs zu singen. Selbst angefangen habe ich nur, weil sie es nicht so singen konnten, wie ich es wollte. Tony Carey hat mir dann musikalisch sehr viel mitgegeben und gezeigt. Und das ist bis heute so. Ich habe gerade bei den Live-Auftritten wieder merken dürfen, wie göttlich er ist, in dem was er macht. Er ist ein Weltstar und das merkt man." Laut erstem Feedback aus Natacha's Guestbook bringen die beiden auf der Bühne "ihre Stimmen zum Verschmelzen" Bringen sie aber auch das Publikum zum Schmelzen? Natacha: "Bis jetzt war's eigentlich immer so, aber man weiss es ja nie. Ich bin vor Konzerten etwas abergläubisch, deshalb würde ich es nicht so sagen. Aber Musik ist immer verbindend und ich darf also sagen, dass ich noch nie ein Konzert hatte, das nicht berührt hat. Und gerade mit Tony Carey ist es natürlich nochmal spezieller für mich."
Nach neun Alben in fünfzehn Jahren ist Natacha nicht mehr aus der Mundart weg zu denken. Allerdings ist es alles andere als selbstverständlich, dass sie singt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Ihre ersten Songs waren in englisch und sie hat sogar einen internationalen Plattenvertrag ausgeschlagen. Deshalb muss ich jetzt Hand aufs Herz nachfragen, ob sie nie bereut hat, nicht nach London gegangen zu sein? - "Das ist so schwierig, dass ich es nicht genau beantworten kann... Ich habe sicher nie bereut, Mundart zu machen. Ich finde es wunderschön, in der Sprache zu schreiben, in der ich auch denke. Aber ich habe mich auch schon gefragt, wie es wohl heraus gekommen wäre? Als ich den englischen Song damals draussen hatte und das Thema im Raum stand, zeigte mir meine Plattenfirma Vorher/Nachher-Fotos von Lisa Stansfield, die auch mit mir im Studio gewesen wäre. Deshalb habe ich dann ihre Karriere immer ein bisschen mitverfolgt. Ich kann also nicht recht abschätzen, wie sehr es mich gereizt hätte. Aber es ist ja auch noch nicht zu spät. Wir sind jetzt mit unserem französischen Album am Start, was mich unglaublich freut. Ich glaube auch, dass mir diese Sprache mehr zusagt als englisch. Wir sind in Schweden in den Charts und waren dort auch schon auf Tournee - natürlich interessiert Mundart im Ausland niemanden, aber musikalisch steht die Welt auch uns offen..."
Die grössten Hits einer Musikerin sind eigentlich absolut, weil in Verkaufszahlen messbar. Die Frage, was denn für Natacha einen Song zum Hit macht, dürfte sie sich während der Songauswahl für ihre BestOf "Los La" mehr als einmal gefragt haben. Darum noch einmal für mich... - Natacha: "Es gibt schon auch eine emotionale Ebene, aber für mich ist ein Song vor allem dann ein Hit, wenn viele Leute ihn mögen, er in den Charts ist und sich die Platte verkauft 'wi warmi Weggli'. Die Leute sind im Grundsatz - und da staune ich immer wieder - eigentlich sehr ähnlich. Es gibt Songs, die die Kraft haben zu berühren und von dem Moment an, wo sich Publikum und Song finden... Besonders schön ist es auch, Leute auf der ganzen Welt berühren zu können. Das 'Schwäfelhölzli' war zum Beispiel lange in der dänischen Hitparade..."
Die Kraft von Natacha's Musik treibt also auch dort Blüten, wo man allenfalls nur "Sorry" versteht... So geschehen in Russland und via Fanpost mitgeteilt. Ein besonderer 'Greatest Hit'? - "Musik löst in den Menschen immer sehr viel aus. Heute kommt zum Beispiel ein Pilot ans Konzert, mit dem ich mal über den Atlantik geflogen bin. Er hatte meinen Namen auf der Gästeliste gesehen und die Hostess gebeten, mich nach vorn zu holen. Und während der Autopilot uns nach Amerika brachte, haben wir zusammen Natacha-Songs gesungen. Wenn Leute Gefühle mit einem Song verbinden, ist das wie eine Sprache der Seele und dann können unglaubliche Sachen geschehen."
Und deshalb steht zum Beispiel in Natacha Gästebuch: "Deine Musik hat mich über viele schwere Momente hinweg getragen!" Was löst so ein Bekenntnis innen drin aus? Natacha: "Ich habe das schon relativ früh erlebt. Wir drehten fürs Schweizer Fernsehen an der Expo ein Porträt. Dort traf ich ein Mädchen, das einen Tumor hatte und sich wünschte, vor der Operation an mein Konzert kommen zu können. Sie hörte immer den Song 'Gib niemaus uf' - mich hat's richtiggehend geschüttelt... Einaml kam ein Typ und beklagte sich bei mir, weil seine Freundin im Abschiedsbrief geschrieben hatte, er solle einfach meinen Song 'Si isch ihm ab' hören - Jahre später hat er sich dann dafür entschuldigt. Englische Songs hört man hier einfach mit mehr Distanz, aber in der Mundart kommt alles auf dich zurück..."
Unplugged eignet sich für Natacha's Musik ganz besonders, weil sie eh schon gefühlsbetont ist und genau das durch akustische Gitarren, Bongos und Congas noch verstärkt wird. Ich erfreche mich zu fragen, ob Natacha beim Singen eigentlich selbst auch Hühnnerhaut habe? - "Uuuh Ja! Jajaja... Ich denke, ich habe nicht wegen mir selbst Hühnerhaut sondern wegen den Musikern und dem, was spontan abgeht. Wir bewegen uns schon im Rahmen des jeweiligen Songs, aber ab und zu gibt es so magische Momente. Das ist wie in der Liebe... Man nimmt als Musiker alles in Kauf für diese Momente des perfekten Zusammenspiels, die glücklicherweise doch öfter vorkommen." Mit "Los La" hat Natacha ihre Lieblingssongs mitgeteilt, allerdings nicht alle - "Es hat auch Songs mit drauf, die die Plattenfirma vielleicht lieber nicht drauf hätte... 'Vilicht' beispielsweise, für mich ein sehr persönlicher Lebenseinstellungs-Song. Auf Greatest Hits sind vor allem die Songs drauf, die mich weiter gebracht haben. Es gäbe allerdings noch mehr, die es verdient hätten und dann vielleicht auf einem zweiten BestOf Platz finden. Auf allen Alben, die ich gemacht habe, gibt es übrigens nur einen Song, den ich nicht hören mag. Da drehe ich das Radio sofort aus!" Denn wie handhaben wir "Blondinnen" das mit den Schandflecken schon wieder? - Mit viel "Meik ab"...