Plankton - Des Rätsels Lösung
Text: Monthy
Bilder: Plankton/Rolf Schlup
Zu Beginn des Interviews mit der Ostschweizer Mundart Band Plankton versuche ich mich in deduktiver Logik - aufgrund des CD-Titels "Rätselkönig" schliesse ich also, wenn bei Plankton tote Hose herrscht, sind alle am - Jassen... Reto, Dominik und Vincent schauen mich leicht verwirrt an. Schlagzeuger Dominik Deuber findet als erster seine Sprache wieder: "Sind wir am Jassen? Glaube nicht... Wenn wir Zeit totschlagen müssen, sind wir am... Diskutieren. Wir rätseln dabei quasi über uns selbst." Bassist Vincent Hoffmann weiss aber einen noch weitergehenden Grund für die Benamsung des hellblauen Quadrats, das Plankton in diesen Tagen auf die Menschheit loslassen. "Es betrifft ja nicht nur uns selbst... Der Rätselkönig ist ein Bild für vieles, wo man sich so ein bisschen fragt. Bernhard Russi zum Beispiel - warum darf nur er Skipisten konzipieren? Es wird doch wohl noch andere geben, die eine mehr oder weniger gerade Linie von einem Berg runter ziehen können... Oder Thomas Bucheli - das ist auch so einer, der alles weiss und dann stimmt's doch nie. Oder der Bundesrat - wenn der etwas sagt, muss man es ihm ja glauben. Nur, versuch ja nie, einen beim Wort zu nehmen..." Ich bilanziere kurz, dass diese CD offenbar einem tiefen Bedürfnis des witzigen Quintetts entsprach und ganz einfach sein musste. Dabei widerspricht mir auch keiner.
Der erste Kontakt mit der Band hatte ich aufgrund ihrer Radiosingle "Madame Giraff", einem hübschen Canzoni, das ich gefühlsmässig im Italien der Nachkriegszeit einordnete. Als ich mir dann aber die CD anhörte, erschrak ich fast. Die rocken ja richtig... Reto Karli, seines Zeichens Sänger des "Wal-Grundnahrungsmittels", meint lapidar: "Mir chönnd au tätsche! Es ist tatsächlich ein sehr vielseitiges Album. Das kommt wohl daher, dass alle etwas mit eingebracht haben, ihre Einflüsse geltend machen konnten. Trotzdem ist immer noch eine Handschrift zu erkennen." Die Vereinigung von Stromgitarren und singender Säge auf einer CD ist aber doch so ungewöhnlich, dass es mir eine spezielle Bemerkung wert ist. Wie kommt das? - Vincent: "Das Album deckt verschiedene Emotionen ab. Ich kann zum Beispiel nicht ständig ein Heavy Metaller sein. Wenn ich schon zum Aufstehen solchen Sound höre, kriege ich einen windigen Kopf. Manchmal erschrecke ich, wenn ich am Morgen Zug fahre und in die Augen der Leute schaue - was müssen die bloss für Sound auf ihren Ohrstöpseln haben?" Dominik hat auch noch einen quasi historischen Grund für die Verschiedenartigkeit der Plankton-Songs parat: "Wir haben ja auch auf der Strasse gespielt. Dort bieten sich ein Chansons-Stil und dieses Nonchalante halt eher an. Im Club hingegen musst du ordentlich Dampf machen, vor allem in Deutschland. Als wir in Berlin gespielt haben, hat man uns gebeten, doch den Leipzigern verbal in die Fresse zu hauen. Sowas beeinflusst uns dann schon auch..."
Obwohl ich die Antwort kenne, frage ich sehr cool: "Wer ist eigentlich der Sänger?" Als sich Reto zu erkennen gibt, lasse ich ein "...du singst ja gar nicht" folgen, um eine Reaktion zu provozieren. "Das ist irgendwie so back to the Roots, eine Art Sprechgesang...", erklärt der Fronter, was ich aber nicht gelten lasse. Im Song "Scheissnatur" ist es eigentlich ein Monolog über Musik. Reto: "Dort hat es sich richtiggehend angeboten. Der Song ist ein arschcoole Tirade, die über die Musik gesprochen wird. Es ist auch ein guter Teil Wut darin. Wenn man das singen würde, wäre es deutlich weniger effektiv." "Scheissnatur" ist praktisch ein Paradebeispiel fürs Songwriting von Plankton. Sie arbeiten oft mit Spiegel-Vorhalten und Ansatz-Verschiebung. Grundgedanken dieses Songs sind Darwin Evolutionstheorie vom Überleben der Stärkeren, ein Herz für Underdogs und die Notwendigkeit des Naturschutzes. Resultat ist die Aussage: "Scheissnatur - bei dir überleben immer nur die Starken. Wir sind aber für die Schwachen" Vincent: "Der Song ist auf der Starsse entstanden, was man gut merkt. Da musst du die Leute dazu anhalten stehen zu bleiben, du musst sie verunsichern. Wir führen uns selbst eigentlich aufs Glatteis damit.Ein Ausdruck wie "hinter den Bergen" der die Deutschen meint, ist auch ein gewisses Risiko für uns. Grund für unser Engagement auf der Strasse war übrigens, dass unser ehemaliger Drummer sich zu My Name is George abgesetzt hat und wir uns mit Dominik neu finden mussten." Abschliessend äussern Plankton zu "Scheissnatur" noch einen Gedanken, den sich viele da draussen durch den Kopf gehen lassen sollten: "Wie widersprüchlich ist es eigentlich, etwas retten zu wollen, wenn ich selbst Teil des Problems bin...?"
Solch ein Augenzwinkern gibt's immer wieder im Werk von Plankton. Sei es auf musikalischer oder textlicher Ebene. Das hat die Band in Vergangenheit auch schon behindert. Reto: "Wir sind in den letzten Jahren ein bisschen daran gescheitert, dass wir öfters als Nachmittagsact auf grösseren Openairs gespielt haben. Da waren dann 50 Leute, die etwa 100 Meter von uns entfernt standen, im besten Fall durch ein Eisengitter von uns getrennt - das ist für Plankton nicht wirklich ideal... Wir kamen uns öfter vor wie Ölgötzen und so konnte der Funke auch nicht überspringen. Jetzt können wir wieder aus dem Vollen schöpfen und eine Show bieten. Jeder hat ein Mikrofon. Bei uns ist bis hin zu A-Capella alles möglich..." Wichtig ist eigentlich nur, dass Plankton genug Intimität kreieren können, um die Menschen einzeln zu packen. "Es gibt bei uns sehr intime Momente und dann gibt es aber auch Spektakel. Wir wirken auch durch unsere Texte oft sehr theatralisch", wissen die Jungs um ihre absoluten Qualitäten. Gewonnen haben sie die Erkenntnisse an sehr unterschiedlichen Konzerten. So weiss Dominik einen Schwank aus Darmstadt zu erzählen. "Wir waren in einem Punk-Schuppen und haben uns total ans Limit gepusht, alles gegeben und uns richtig ausgekotzt. Nach dem dritten Song meinte jemand im Publikum: 'Ach ja, die Schweizer, die sind so niedlich...' - hier wären wir mit unserer Performance von jeder Bühne geflogen. Das ist eine ganz andere Wahrnehmung und die hat uns gut getan." Plankton ist wohlgemerkt nicht nur witzig. "Eine gewisse Grundmelancholie ist uns wohl nicht abzusprechen", räumt Reto ein und Vincent bringt es abschliessend auf den Punkt: "Es geht um die verschiedenen Gemütszustände und die verschiedenen Menschen. Kinder flippen ob unseren Songs fast aus und auch ältere Menschen können etwas damit anfangen. Hier geht es nicht um eine Zielgruppe oder einen Style - es geht einfach um Menschen!"