Plüsch: Erleben, was es sonst noch gibt

Text: Ko:L
Bilder: Trespass-Archiv
Am 18. Januar schlossen Plüsch ihre „Früsch gwäsche“-Tour definitiv ab – vor ausverkauftem Volkshaus und neun Kameras, welche den Gig aufzeichneten. Aus dem Material entsteht derzeit eine DVD, welche im nächsten Mai erscheinen soll. Damit soll den Fans die zweijährige Pause, welche die Berner Oberländer im letzten Herbst angekündigt hatten, etwas versüsst werden. Eine mit Edelmetall überschüttete Mundart-Band mit eigener Live-DVD und einer anstehenden Pause nach knapp sechs Jahren Vollgas: Grund genug, mit Frontmann Ritschi an der Sonne mit Blick auf die Jungfrau über Plüsch, CD-Verkäufe, Fans und die Zukunft zu plaudern.
Plüsch: Sechs mal Platin!
Mit ihrem ersten Album erreichten Plüsch Dreifach-Platin, mit dem zweiten Zweifach-Platin und für ihr drittes Album gabs noch eine Platin-Auszeichnung. Die Frage drängt sich auf: „Sind Plüsch auf dem absteigenden Ast?“ – „Beim ersten Album hat alles gepasst. Das zweite kauften viele, die das erste schon hatten. Das dritte Album wurde mittlerweile auch fast 50000 Mal verkauft“, entgegnet Frontmann Ritschi. „Alles in allem sind unsere Verkaufszahlen eigentlich immer noch sensationell.“ Doch er weiss sehr wohl: „Man wird verwöhnt, sodass es heisst, Plüsch floppen, wenn wir 50000 CDs verkaufen.“ So sind es denn auch vor allem Aussenstehend, die Plüsch heute auf dem absteigenden Ast sehen. „Unsere Fans sind zufrieden, die Konzerte sind super gelaufen. So gefällt das Musik machen auch uns“, sagt Ritschi. Gleichzeitig gesteht er aber: „Wenn man einmal 130000 Exemplare eines Albums verkauft hat, schluckt man leer, wenn man noch 50000 Stück verkauft.“ Fragen nach dem «Warum?» tauchen auf. „Alle sagen, das sei der Markt. Stress verkauft aber im selben Markt 70000 CDs“, sagt Ritschi – und fast entsteht der Eindruck, er hadere manchmal mit seinem Schicksal. „Nein“, entgegnet er, „man beginnt einfach, sich zu fragen, woran es liegen könnte, ob wir zu wenig am Puls der Leute sind.“
Ritschi im Schnee am Snowpenair 2007
Eine schlüssige Antwort auf diese Frage gibt es für den Plüsch-Sänger nicht. „Böse gesagt hatten wir auf ‚Früsch gwäsche’ keine Hits mehr.“ Dafür Ecken und Kanten, direktere Arrangements – einfach ein Schuss Rock. Und dennoch seien die Konzert-Highlights auf dieser Tour die Songs ab den ersten zwei Alben gewesen. Dabei haben er und Röschel schon 2002 in einem Interview gesagt, sie mögens rockig. „Eben. Möglicherweise war der Mut zur Wahrheit erst beim dritten Album gross genug“, sinniert Ritschi. Das Wichtigste sei für ihn allerdings, dass Plüsch auf der Bühne „immer die Musik gemacht haben, die uns gefällt.“ Denn gute Konzerte abzuliefern ist für Ritschi persönlich wichtiger, als die Anzahl verkaufter Platten. Doch auch er weiss: „Das Problem ist, dass man weniger Konzerte kriegt, wenn man weniger Alben verkauft. Oder zumindest weniger Gage für die Konzerte.“
Plüsch live am Snowpenair 2007
Ihren Plattenvertrag erhielten Plüsch anno 2000, ihr Debut „Plüsch“ veröffentlichten sie 2002. Das Album chartete zuerst scheu auf 42, hielt sich dann aber wacker, kletterte zweimal auf 6, bis es schliesslich erst nach mehr als zwei Jahren (118 Wochen) aus der Hitparade fiel. Kein Wunder: Plüsch traten just dann auf den Plan, als das Hickhack um die Trennung von Gölä und seiner Band auf dem Höhepunkt war. Nach den Hallenstadion-Shows im Frühling 02 war dort Schluss – und die Zeit reif, für Nachfolger. „Wir schrieben die ersten Mundartsongs, als noch niemand von Gölä sprach. Aber der Zufall wollte es, dass unser Album erst erschien, als Gölä daran war, sich zu verabschieden“, erinnert sich Ritschi. „Das gab uns natürlich einen enormen Schub. Denn alle wollten Mundart und wir waren einfach da…“ Warum es aber immer die Berner im Allgemeinen und die Oberländer im speziellen sind, die ein Gespür haben, wann die Zeit für was neues reif ist, weiss der Plüsch-Fronter auch nicht: „Wir hatten nicht einmal den Riecher. Im Gegenteil: Als Band vom Bödeli hatten wir einfach das Ziel, einmal am Brienzersee Rockfest spielen zu dürfen. Der Gurten ist eh zu weit weg von hier...“ Mittlerweile spielten Plüsch auch dort zweimal…
Plüsch im Bandraum
Viele verkaufte Platten, grosse bespielte Bühnen, die Möglichkeit, wenigstens zum Teil von der Musik zu leben – für Ritschi, Bali, Hunzi, Röschel und Simel hat sich ein Traum erfüllt. Und trotzdem ist das Leben als Promi nicht immer einfach; etwa im Umgang mit Fans: „Es gibt Leute, die sich was darauf einbilden, wenn ich sie nach ihrem dritten Konzertbesuch mit Namen grüsse“, weiss Ritschi – und hat für sich selber eine klare Linie, was er toleriert und was nicht: „Wenn plötzlich die Fanpost nicht mehr über die Postfach-Adresse kommt, sondern der Brief an meine Privatadresse geschickt wird, dann ziehe ich einen Strich!“ Praktisch im selben Atemzug streicht er jedoch auch die schönen Seiten des Fantums hervor: „Es gibt viel herziges, etwa wenn ein 12-jähriges Mädchen sich total verknallt hat und ich genau weiss: Ich war vor 15 Jahren auch verliebt in Sina!“ Und: „Die Fans helfen mir auch, meinen Job als Frontmann gut zu machen – weil sie am Konzert mitmachen und andere dazu animieren. Ich brauche Konzerte, an denen die Emotionen überschäumen, das Volk mitmacht, schwitzt, weint...“
Anstossen an der Plattentaufe von 'Früsch gwäsche'
Bei dieser spürbaren Lust und Freude an den Auftritten auf der Bühne stellt sich die Frage, wie er die angekündigte zweijährige Pause überstehen will: „Ich habe schon die eine oder andere Idee“, verrät er bloss, ohne sich aber auf die Äste hinaus lassen zu wollen. „Sicher ist jetzt mal ein Jahr Ruhe. Aber ebenso sicher ist, dass manches Bandmitglied das Bedürfnis hat, in irgendeiner Form Musik zu machen...“ Was er aber keineswegs als Zeichen, Plüsch könnten sich auflösen, gedeutet haben will: „Wir wissen, dass diese Band funktioniert und es gibt ein viertes Album“, sagt der Sänger. „Jeder will jetzt mal erleben, was es neben dieser Band sonst noch gibt. Das heisst aber nicht dass es Plüsch nicht mehr gibt.“ So werden die Jungs auch in den zwei Pause-Jahren dies und das gemeinsam unternehmen, „einfach als Freunde und ohne den Druck einer Tournee oder ein Album einspielen zu müssen.“
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