Redwood: Multinational und doch Schweizer
„Bereits der Weg auf den Gurten ist ein Abenteuer“, sagt Redwood-Sängerin Lesley Meguid vor ihrem Auftritt am diesjährigen Festival. Es ist das erste Mal, dass sie überhaupt hier oben sei. Die Fahrt mit dem Bus auf den Hügel hinauf sei für sie eine echte Herausforderung gewesen. „Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass wir dabei abstürzen“, gesteht die charmante Musikerin. Aber sonst schwärmt sie nur von der Kulisse. Sie sei überrascht, wie gross das Gelände ist, und sie kann ihre Eindrücke mit einem einzigen Wort zusammen fassen: „Wow!“. Aufgefallen sei ihr, dass die meisten Markstände keinen Kitsch verkaufen, und es auch kein Riesenrad habe. „Es ist schweizerisch, sehr schön - auch stilistisch - und friedlich“, beschreibt sie das Gurtenfestival weiter.
Redwood ist eine Zürcher Band mit vier Musikern; als Sängerin steht Lesley mit ihrer natürlichen weiblichen Ausstrahlung im Mittelpunkt. Die Gruppe gibt es seit 1991, Gründer war Mark Lim. Lesley Meguid kam 1996 vorerst als Backgroundsängerin dazu. „Dann habe ich mich vorgedrängt und bin Leadsängerin geworden“, sagt sie und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Die Bandzusammensetzung sei über die Jahre dieselbe geblieben. Die Frontfrau: „Wir sind sehr eng befreundet und harmonieren wie eine Familie. Die Band ist ein Teil meiner Verwandtschaft.“ Redwood ist sehr multinational, nur Francesco und Dino sind „echte Schweizer“. Mark und Alex haben Blut aus Malaysia. Lesley ist halb Ägypterin, halb Schweizerin, in Amerika aufgewachsen - und hat gerade einen Neuseeländer geheiratet. Diese verschiedenen nationalen Einflüsse prägen ihre Musik jedoch nicht allzu sehr. Der Schweizer dominiere immer noch am stärksten. Nur der US-Einschlag mit dem englischen Gesang falle auf. Sie werden denn auch oft als englische oder amerikanische Band angesehen.
„We’re all gonna die“ heisst das aktuelle Album von Redwood. Auf dem Booklet findet man eine Henkersschlinge und ihr Banner zeigt mehrere Totenschädel. Auf dem Gurten sitzt die Band jedoch ganz friedlich im grünen Backstage-Garten. Und auch Lesley ist überaus herzlich und kann wohl keiner Fliege etwas zu leide tun. Sie lacht zu dieser Feststellung: „Es ist halt eine Tatsache, dass wir alle irgendwann sterben. Aber in diesem Jahr geniessen wir vor allem das Leben.“ Sie haben mit dieser CD ihre Ziele mehr als erreicht: Die Verkaufszahlen und die Auftritte stimmen und von überall kommen gute Feedbacks. Der Sound auf ihrem Neuling rockt nicht nur, sondern bringt auch ganz feine Klänge, wunderschön arrangiert mit einem Geigenquartett. „Das ist neu“, sagt die Sängerin. Sie wollten die Gitarre einfach mal auf die Seite legen und andere Instrumente einfliessen lassen. Auch die Auswahl der Lieder sei entspannter geworden. „Es sind nicht mehr so viele rockige Stücke darauf, sondern auch intimere, weichere Balladen. Die sind aber auch schön“, verkauft die charmante Musikerin ihre Songs gleich selber und ihre blauen Augen leuchten dabei. „Diese Melodien haben buchstäblich nach einer Geige geschrien“, doppelt sie nach.
Redwood singt im Refrain zu ihrem Ohrwurm „Fat Chance“: „We’re living a lie…“ Da stellt sich natürlich die Frage, ob wir wirklich in einer Lüge leben. Lesley sieht das Ganze anders: „Nein, es bedeutet eher, dass wir nicht wahrhaben wollen, dass es auch ein Ende gibt.“ Dieser Schluss kann sich auf alles beziehen; auf Freundschaften, aber auch auf das Leben. „Alles hat irgendwann ein Ende. Man soll es einfach geniessen. Das herausnehmen, was man bekommt und es auch wirklich ausleben“, sagt die Lebe-Frau. Die Band komponiert gemeinsam die Musik und Lesley lässt sich dann davon für die Texte inspirieren. Sie will damit ihre Erfahrungen und Gefühle niederschreiben und sie verdauen. Eher in sich gekehrt erzählt sie: „Jeder erlebt mal irgendwann eine traurige Zeit und ich schreibe lieber über die schlechten Sachen, als über die guten.“
Der Song „Do you love me“ ist ein Verarbeitungs- und Hoffnungslied zugleich für Lesley. Es beschreibe das häufige Unterwegssein mit der Band, und stelle die Frage, ob beim Nachhause kommen der Lebenspartner auch wirklich noch da ist. „Mein Freund hat eben nicht gewartet. Dafür lernte ich auf der Tour jemand kennen, und ihn habe ich jetzt geheiratet“, sagt die Frontfrau strahlend. Dies bestätige ihr, dass es so gekommen sei, wie es sein muss. „The darkest star“ sei eher ein trauriges Lied über den Tod, bildlich der dunkle Stern. Lesley erzählt ihre Gedanken dazu: „Wenn ich weiss, dass jemand gehen muss, begleite ich ihn soweit ich kann, bis er dort ist.“ Aber das sei so in Ordnung und einen Teil vom Leben, immer gestärkt durch die Hoffnung, dass wir uns in einer anderen Welt wiedersehen.
Diesen Frühling hat Redwood als Band, die schon über zehn Jahre besteht, den ersten Swiss Newcomer Award gewonnen. Lesley lacht und sagt: „Wir haben uns gefreut, dass wir einfach etwas gewonnen haben. Egal was.“ Sie erklärt sich das Ganze so: „Dass wir den Newcomer-Preis gewonnen haben, ist, weil der Rest der Schweiz nicht gemerkt hat, dass es uns schon länger gibt.“ Das sei ihnen egal. Sie können auch als alte Newcomer leben. Die Auszeichnung brachte ihnen einen Auftritt am Greenfield-Festival und vor allem wurde über sie gesprochen. Und zwar in der Zeit, wo Lesley fünf Monate in Neuseeland verweilte und es um die Band herum eigentlich eher still zu und her ging. In dieser Pause seien übrigens neue Ideen der einzelnen Bandmitglieder entstanden. Mark habe ein Soloalbum aufgenommen und auch Lesley arbeitet an ihren eigenen Songs: „Wenn es aktuell wird, werdet ihr davon hören“, verrät sie augenzwinkernd.