Semantik – Willkomme Diheime (Broken Mental / Gleismusic)

Text: Bäumli
Bild: Cover
Seit „Sex, Droge und Wahrheit“ ist Big S.E. nicht mehr nur Szenegängern ein Begriff. Und mit dem Release von „Grand Theft Audio“ hat Semantik Ende 2006 die Erwartungen hoch geschraubt. Für diesen Release wurden Sema und Beatbastler TZA mit positiven Reaktionen geradezu bombardiert. Dies völlig zu recht. Mit „GTA“ hat der MC aus Zürich einen Querschnitt durch sein bisheriges Schaffen zusammengestellt. TZA hat die Tracks mit seinen Remixes in ein neues Licht gerückt. Das Ergebnis war eine CD, die sowohl durch Konzept und Artwork, als auch durch Ehrlichkeit und Vielseitigkeit bestochen hat. So hat Semantik selbst die Latte für kommende Releases hochgeschraubt, und bald darauf sein Studioalbum für die erste Hälfte 2007 angekündigt. Das Warten begann.
CD-Cover: Semantik - Willkomme Diheime¨
Ein halbes Jahr nach „GTA“ ist es nun soweit. Sema is back. Sein Debütalbum „Willkomme Diheime“ ist im Kasten. An seiner Seite ist immer noch Captain Teis, der Sema die Beats auf den Leib geschneidert hat. Vierzehn Tracks und vier Interludes stark ist das Album geworden, abwechslungsreich und ehrlich. Und wer vergessen haben sollte, wer Sema ist, dem wird gleich im ersten Track „Suizid Schwiiz“ wieder auf die Sprünge geholfen: „Du kännsch mich Sex Drogä und Wohrheit, Defstar Broken Mental Mixtape-King Semantik, Feature da Feature det Niider da Beef det, soviel Ziit s’Gägeteil vo dinä Kids“. Nein, Big S.E. nimmt kein Blatt vor den Mund. Im Opener zu „Willkomme Diheime“ legt er auf einer Dilla-esken trocken-groovenden Bassline und gradlinigem Drumset dar, wie er die Schweiz und deren Bürger hier im Land „wo keine sägä sött, was nöd jede sägä törff was nöd jede weiss, nöd jede weiss was er dänkt doch keine seit was er dänkt“ sieht. Weiter geht es mit „Cherubim“. Cheruben sind Gestalten, die mit unzähligen Augen, die deren Flügel übersäen, die Weisheit des Schöpfers wahrnehmen und wieder spiegeln. Die Augen der Cheruben vermögen alle Gegensätze im Spiegel ihrer Blicke auf zu nehmen. So geht auch Sema mit offenen Augen durchs Leben und teilt uns seine Eindrücke von unserer Gesellschaft und deren Missständen in eben diesem Track „Cherubim“ mit („Dini Wärtvorstellig stinkt zum Himmel […] d’Politik schickt d’Kids wiä Frischfleisch i d’Wirtschaft“). Und auch der nächste Track betrachtet unsereins im kritischen Blickwinkel. „Sie sägäd ich seg än Romantiker, sie sägäd ich seg kein Semantiker, luägäd mich aa ihr hörnigä Ästhetiker, sie sägäd ich seg en Verschwörigstheoretiker“ rapt Klassenkämpfer S.E. auf souligem TZA-Beat im Track „Kids i dä Kurvä“. „Es isch Ziit“ wartet mit einem beattechnischen Highlight von „Willkomme Diheime“ auf. Captain Teis gelingt es mittels Perkussion, ein paar Gitarrenakkorden und spartanisch ins Feld geführten smoothen Bläsersätzen eine derart relaxte Stimmung zu erzeugen, dass ich mich in Gedanken an einem arg schwülen Sommernachmittag, dessen Gluthitze die Luft zum flimmern bringt, irgendwo regungslos im Schatten sitzend, die Stille, oder in diesem Fall die Poesie von Sema und Le Declique geniessend, wieder finde. Und es macht „Boom!“ DaMos holt mich mit aggressiven Elektrogitarrenakkorden zurück an den Schreibtisch, oder besser gesagt auf das „Schlachtfäld“. Danach sitzt TZA wieder an den Reglern und bringt mit warmem Kontrabass, zart gezupfter Gitarrenmelodie und hypnotisierenden Klarinetteklängen wieder Ruhe ins Geschehen und Semantik heisst die Hörer „Willkomme Diheime“. Mit „Wiä häsch au wellä wüssä“ haben Big S.E. und Captain Teis eine Ode an das Leben und dessen Wert auf das Album gepackt („Du häsch dini Ziit verschwändet wiä d’Nahrig, jedä Momänt wirkt jetzt magisch“). Beattechnisch smooth wie nur TZA es bringt, geht es weiter. In den Ring steigt S.E. zusammen mit Kevlar und liest Unwissenden, die wissen, wer gemeint ist, in „Battle Episode XXIII“ die Leviten. Mit „B****es im Club“ und „Chica para mi“ haben Sema und TZA auch zwei Clubtracks aufs Album gepackt. Und schon sind wir am Ende von „Willkomme Diheime“ angekommen, ohne ein einziges Mal weiter zu skippen. Wie schon „GTA“ besticht auch „Willkomme Diheime“ durch Ehrlichkeit und Vielseitigkeit. Die Texte haben Gehalt, die Beats Soul. Hier werden weder Trends über eigene Vorlieben gestellt, noch haben Trends eigene Herangehensweisen und Sichtweisen im Keim erstickt. „Willkommen Diheime“ kommt ohne Konzept aus. Gleichzeitig ist das Konzept des Albums die Ehrlichkeit, das Leben, die Liebe zur Sache. Eins steht fest, „d’Liäbi chasch nöd figgä“. Und Semantik teilt mit all denjenigen, die Lust dazu haben, seine Sicht der Dinge. „Willkomme Diheime“.
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