Scream: Ein Ende auf den Punkt.
Text: Ko:L
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p-f-g.ch „15 Jahre – das ist mein halbes Leben...“ Häni, Sänger, Texter und Frontmann der Berner Mundart-Indiepopper Scream, schwankt nach dem endgültig letzten Konzert im geschichtsträchtigen „Anker“ zu Interlaken zwischen Erleichterung und Wehmut. „Ich meine – meine besten Freunde sind ab morgen in der halben Welt verteilt.“ In der Tat: Gitarrist Mark Nolan haut mit seiner Frau nach Australien ab; Bassist Christof Leicht wurde schon für die Abschluss-Gigs aus London zurückgeholt. „Wenigstens ist Simu, unser Drummer, noch in Bern“, sagt Häni und lächelt... Scream waren definitiv mehr als eine Band. Scream sind immer noch Freunde. Im Schulalter haben die Jungs in Lauterbrunnen angefangen, zusammen Musik zu machen; Papa Mark Nolan hat den Vierer von Anfang an begleitet – und schenkte zum Konzertschluss jedem persönlich ein Päckli voll mit schönen, unvergesslichen und vergessen geglaubten Erinnerungen an 15 Jahre Freundschaft, die von der Jugendfreundschaft zur Männerfreundschaft geworden ist. Häni, Mark, Christof und Simu haben gemeinsam alles erlebt: Von Freunden und Leiden der ersten Liebe bis hin zu Freuden und Leiden des ersten Hits.
„Aquarium“ hiess er, ist auf dem Debut-Album „Bluemefäld“ verewigt – und spülte die Buben aus dem Berner Oberland im Jahr 2000 wie mit einer Flutwelle aus dem Lauterbrunnental in die Schweiz hinaus. Anknüpfen an den Erfolg von „Aquarium“ konnten Scream danach nie mehr. Trotz einem Song für die Schweizer Version der Container WG-Show „Big Brother“, trotz „Die grössten Schweizer Hit“ - und nicht zu Letzt trotz vier weiteren Studioalben. „Natürlich kann man solche Sachen steuern“, sagt Häni. „Aber wir haben eher Gegensteuer gegeben.“
Der Vierer ist seinen Weg tatsächlich konsequent gegangen. Keyboarder Jürg Niggli war nach „Bluemefäld“ nicht mehr mit von der Partie, die Jungs gingen ihren Weg alleine weiter. Und während der Scream-Sound mit den vier Musikern erwachsen wurde, blieben die flotten jungen Burschten und ihr „Aquarium“ in den Köpfen der Leute hängen. Dass Scream ihren Sound nach und nach abspeckten und aufs Wesentliche reduzierten, wurde von der Masse nicht goutiert; „Fahrlässig“ und „Luusbuebetroum“ waren die letzten Achtungserfolge in Sachen Airplay. „H.A.L.L.O“ war der Schreihälse letzter Streich, komplett in Eigenregie produziert und publiziert – und musikalisch an einem Punkt, an dem niemand Mundartrock erwartet hatte: In rauchigen, drückend heissen und schweiss-schwangeren Clubs in dunklen Londoner Hinterhöfen. Retro Made in Berndeutsch. Darauf hatte niemand gewartet.
„Auch wenn das letzte Album eingeschlagen hätte – wir hätten wahrscheinlich gar nicht weitermachen können“, sagt Häni nach der Abschiedsshow. „'H.A.L.L.O' war das, was wir immer wollen. Wir haben das Album – und damit uns – endlich auf einen Punkt bringen können; wir landeten dort, wo wir all die Jahre über hin wollten“, fährt der Sänger fort. „Der nächste Schritt wäre gewesen, uns wieder neu zu erfinden.“ Aber Häni, Simu, Christof und Mark wussten: Nach „Aquarium“ dauerte es 10 Jahre, bis sich Scream neu erfunden hatten. Mit 30 macht man sowas nicht noch einmal. „Da werden andere Sachen wichtig“, sagt Häni schlicht.
Dabei hat der Vierer auf der Bühne des legendären „Anker“ in Interlaken eindrücklich bewiesen, warum es eigentlich Schimpf und Schande ist, eine solche Band ziehen lassen zu müssen. Ein erstes akustisches Set und ein zweites „plugged“-Set lang – insgeamt drei Stunden lang – spielten sich Mark, Christof, Simu und Häni durch fünfzehn Jahre ihrer Bandgeschichte – oder wenigstens durch die fünf Alben, welche sie seit 2000 herausgegeben haben. Musikalisch vielseitig – von Troubadour bis zu Punk-Attitüde – und mit viel Herzblut rockten Scream die Hütte. „Wir waren immer eher eine Bauch-Band“, sagt Häni. „Unser Sound war vielleicht nicht immer der Hochstehendste. Aber er war immer ehrlich.“ So schenkten sich Scream mit ihrem Abschiedskonzert selber einen würdigen Abschluss: Mit viel Liebe zum eigenen Schaffen und Gästen wie Myria Poffet und Hanery Amman – und ganz viel ehrlichem Sound, trotz aller Liebe zum Jammen immer schön auf den Punkt gespielt.