Shakra - Das Schweigen der Männer

Text/Bilder: Monthy
Er steigt aus - Shakra-Fronter Mark Fox
Es schlug in der Schweizer Musikszene ein wie eine Bombe, als Mark Fox kürzlich die Trennung von Shakra bekannt gab. Stein des Anstosses und Zankapfel waren schlussendlich die Finanzen - die Gründe allerdings liegen tiefer. Leser von Trespass.ch haben den Aufstieg der Emmentaler Rockband zur nationalen Nummer 3 hautnah miterlebt. Nicht zuletzt, weil Fox ein Jugendfreund von Ko:L und mir ist. Ich masse mir deshalb an von aussen urteilen zu dürfen, dass es im Endeffekt daran lag, dass Sänger und Band nicht zu einer Einheit fusionieren konnten. Die Reibung, die es stets zwischen den beiden Zellkernen gab, hat zu einer hierzulande einmaligen Musik geführt. Einem Gothic-Hardrock, der gleichzeitig von beiden Seiten gespiesen wurde und deshalb nun auch mit dieser Konstellation verschwinden wird. Gitarrist Thomas Muster und Bassist Dominik Pfister erzählen im Interview vor dem Auftritt am Bellaluna Openair im bündnerischen Filisur, wie es jetzt weiter geht.
Mein Interviewgast in Action auf der Bühne
Fast selbstverständlich meint Muster auf meine lapidare Frage nach der Shakra-Zukunft: "Na, mit einem neuen Sänger..." Der Name Shakra wird natürlich bestehen bleiben - den gibt man nicht einfach so her. "Wir haben diesen Namen seit 1995 aufgebaut. Fox war ein Teil davon - ein wichtiger. Aber die Band existierte vor ihm und es wird sie auch nach ihm geben", versichert Thomas denjenigen, die sich um die Zukunft Sorgen machen. Zu erwarten sind aber stilistische Anpassungen, da Sänger Mark Fox eben auch seinen Teil zum Soundbild beigetragen hat. Muster: "Das liegt in der Natur der Sache. Als Frontmann bist du wichtig und im Mittelpunkt. Schon nur optisch. Aber wir haben schon einmal einen Sängerwechsel überlebt. Und das werden wir hoffentlich auch diesmal. Momentan ist natürlich vieles unklar. Wir haben viele Interessenten und Wunschkandidaten. Aber es wird ganz einfach weiter gehen..."
Band-Benjamin Dominik im gleissenden Bellaluna-Licht
Diese Suche nach einem neuen Mann am Mikrophon hat bereits während der laufenden Tour eingesetzt. Schliesslich gilt es, dabei keine Zeit zu verlieren, damit man dann so bald als möglich wieder startbereit ist. Das Interesse in der Szene ist vorhanden - sogar sehr. Shakra sind attraktiv. Thomas: "Wir haben rund 60 bis 70 Bewerbungen aus aller Welt erhalten. Ich habe wirklich gestaunt. Gerade mit dem Internet erreicht man halt sehr viele Leute und das global. Jetzt kommen da Mails aus Brasilien rein und ich habe keine Ahnung, wie die sich das überhaupt vorstellen. Wir sind ja dann doch nicht auf dem Level, dass wir beliebig Leute von irgendwo einfliegen könnten. Das kostet halt dann doch. Am wohlsten wäre uns schon irgend jemand, der mehr oder weniger aus der Nähe kommt." Das Auswechseln des Sängers ist nicht ganz vergleichbar mit einem Wechsel an einem Instrument. Der Sänger ist halt eben zentraler. Er macht das Erscheinungsbild aus und prägt mit seiner Stimme auch das Klangbild ganz erheblich. Sucht man jetzt also das, was man zuletzt hatte oder etwas anderes? Wie findet man heraus, dass es passt? - "Wir hören uns dauernd MP3s an, auch solche von unseren Songs. Die kann man heutzutage ja praktisch via Email zustellen und viele Musiker haben Homestudios, wo sie sowas einsingen können. Wir reden auch viel darüber...", erzählt Muster, wie es bei Shakra momentan zu und her geht. Der bisher schweigsame Bassist Dominik Pfister fügt hinzu: "Es ist noch so, dass die Kandidaten wahlweise diesem oder jenem ganz gut gefallen. Wenn das dann einmal bei allen der Fall ist, sind wir auf einem guten Weg." Muster fasst abschliessend zusammen, worauf es ankommt: "Es muss einfach geil sein!"
Talk unter Männern - Muster mit Monthy
Dominik's Wortmeldung dient mir gleich als Plattform für meine nächste Frage. Der Band-Benjamin ist nämlich derjenige, der vor gut einem Jahr als Letzter zur jetzigen Formation stiess. Wagt er sich nun bereits ganz in die Diskussion um den neuen Fronter einzubringen? Dominik: "Etwas mitreden kann ich schon. Ich verstehe aber, wenn die gestandenen Bandmitglieder da noch etwas mehr bestimmen dürfen. Überhaupt fühle ich mich in der Band sehr wohl und bin einfach auch immer noch froh, bei Shakra mitmachen zu dürfen. Da ich die gewachsenen Beziehungen nur teilweise mitgekriegt habe, versuche ich, eine neutrale Position einzunehmen." Thomas Muster meint in seiner bodenständigen Offenheit: "Er kann ja einfach seine Meinung sagen. Es ist für uns natürlich genau so interessant, seine Meinung, seinen Geschmack und seine Gründe kennen zu lernen. Er sieht das Ganze halt auch von einem etwas anderen Standpunkt. Und auch weil da ein Alterunterschied herrscht, ist es für uns vielleicht besonders wertvoll, seine Meinung einzuholen. Das ist fast schon eine Generationenfrage." Nach fast 15 Jahren Shakra ist man selbst vielleicht auch etwas zu nahe an der Sache dran. Deshalb interessiert es mich gleich auch noch, ob man sich denn auch hinsichtlich des Neuen Sängers bis zu einem gewissen Punkt von aussen beraten lässt oder lieber nicht? - Muster: "Unser Produzent Tom Blunier macht das ziemlich regelmässig. Er spielt irgendwelchen Leuten einen Track vor, ohne zu sagen, wer das ist. Und so holen wir uns einige Urteile von nicht involvierten Leuten herein. Ich halte das schon für wichtig. Denn wenn ich einen Sänger für geil halte, um mich herum aber hundert Leute nur den Kopf schütteln, haben wir gar nichts gewonnen." Den Wert von aussen stehenden Meinungen schätzen Shakra also klar höher ein, als die Gefahr, sich fremd bestimmen zu lassen.
Shakra's Abschiedstournee - professionell aber schweigsam
Wenn nun so eine Auflösungsankündigung während einer laufenden Tour platzt, verkommt diese so ein bisschen zur Abschiedstournee. Die Frage nach dem momentanen Klima in der Band, beantwortet Muster dramatisch ehrlich: "Ich habe kein Verhältnis mehr zu Fox. Wir haben nie mehr miteinander geredet seither. Wir gehen zusammen auf die Bühne und das war's dann. Ich habe zwar auch schon gesagt, es sei nicht einmal so anders als früher. Da hatten wir teilweise auch schon Ärger und sind auf der Bühne gestanden. Jetzt weiss ich zusätzlich einfach, es ist fertig. Neben der Bühne gibt es auch nichts mehr zu bereden. Das hat keinen Sinn mehr. Es ist eigentlich schon abgeschlossen." Dominik kann das Bühnenleben in dem Sinn noch am ehesten unbelastet annehmen: "Ich versuche einfach, mein Ding zu machen und das mit ihm so reibungslos wie möglich abzuhandeln. Ich rede auch mit ihm - einfach neutral und im Wissen, dass dann bald etwas Neues kommt." Ganz allgemein wird aber jeder froh sein, wenn diese Zwischenphase vorbei ist. Muster ist dahingehend erwartungsfroh für die Zukunft: "Ich freue mich dann einfach, wenn es mit fünf Leuten weitergeht, die alle auf demselben Nenner sind. Bis dahin müssen wir soviel Professionalität an den Tag legen, unseren Verpflichtungen korrekt nachzukommen. Das ist wie bei manch anderem Job auch. Es gibt Zeiten, wo es nicht einfach ist, wo man vielleicht mit den Anforderungen des Chefs zu kämpfen hat. Da muss man dann einfach durch."
Die Gesten erhalten Symbolcharakter - Fox verabschiedet sich...
Jetzt hat man sich bei Shakra in den letzten Jahren auch ums Ausland bemüht. In der Schweiz gehört die Band meiner Meinung nach zur heiligen Dreifaltigkeit des Hardrocks (Gotthard, Krokus, Shakra). Es wäre natürlich schön, wenn man den Übergang ohne Verlust des gewonnenen Publikums schaffen könnte. Muster: "International ist es eigentlich sogar eher zurück gegangen. 'Powerride' wurde als Album in Deutschland immer noch am meisten verkauft. Man muss aber sagen, dass der Markt 2001 noch ein anderer war. In der Schweiz hat es dagegen sehr angezogen über die letzten Alben. Die Verkäufe leiden natürlich auch unter den Downloads. Aber es ist für uns international nicht gross besser geworden - nur national. Dein Urteil freut uns natürlich. Es ist aber nicht so, dass Shakra weiter bestehen muss. Es darf! Wir sind nach wie vor total motiviert und freuen uns auf das nächste Album, ein neues Team..." Veränderung ist ja auch immer eine Chance. Wohin es aber mit den Hardrockern genau geht, lässt sich erst sagen, wenn der neue Sänger gefunden ist. Angebracht ist aber jedenfalls Zurückhaltung. Thomas: "Es gab ja solche Geschichten in der Musik, wo nicht nur der Sänger sondern auch gleich noch der Stil gewechselt wurde. Das ist dann schon sehr heavy. Wenn man den Sänger schon wechselt, sollte man darauf achten, den Sound eher gleich zu belassen. Mit der Zeit merkt man dann schon, was der Neue selbst einbringen kann. Wir werden uns also hüten, gleich alles umzukrempeln!" Man will die Fans schliesslich auch nicht überfordern. Dass Shakra übrigens am Abend zuvor, ihren Gig abbrechen mussten, hat keinen Zusammenhang mit dem Knatsch in der Band. Dominik erzählt: "Wir mussten gestern in Deutschland nach anderthalb Songs von der Bühne. Angefangen hat es mit normalem Regen, dann kam ein Wind dazu, der die Bühne erzittern liess und schliesslich ein heftiges Gewitter. Deshalb wurden wir dann von der Bühne herunter gezerrt in den Backstage-Bereich gezerrt..." - Zumindest ihre Instrumente, stelle ich beruhigt fest, lassen Shakra nur unter Zwang verstummen. Ansonsten ist es das, was für den Moment übrig bleibt: Das Schweigen der Männer...
Blicken erwartungsfroh nach vorn: hinten Muster, vorne Pfister
Copyright trespass.ch [br] Source: https:// https://www.trespass.ch/de/bands-a-z/s/shakra/shakra_das_schweigen_der_maenner.htm