Speck - Krachfetischisten sind schnell, laut und schon fast legendär

Text/Bilder: Monthy
Konzert-Ohropax - dringend benötigt bei einem Speck-Konzert
Es war ein Bild, wie man es auf einem Festival nur selten zu sehen und hören kriegt. Die Basler Speck schwarteten ihren Grind-Core-Metal dem auf Vielseitigkeit spezialisierten Krienser Publikum um die Ohren. Zwar konnten sie niemanden einschüchtern (siehe Bild 2), und auch die Sprüche kamen gnädiger als sonst. Für ein "Wir scheinen so ein bisschen Holland zu sein, und ihr seid ein bisschen Frankreich" nach dem zweiten Song zur Aktivierung der Leute hat's aber schon gereicht. Wie meistens wenn's kracht und knallt, liess auch ich mich zu Kreativität verleiten und habe Konzert-Ohropax ins erste Foto eingearbeitet. Gerüchteweise sind nämlich Speck dafür verantwortlich, dass man diese bei Konzerten seit ein paar Jahren verteilt. Als ich die Band damit konfrontiere, winkt Bassist Marlon gleich ab: "Nein, das waren doch Manowar..." Nach einer kurzen Lachpause schiebe ich nach: "Ihr seid verdammt laut..." Sänger Lars rät mir: "Da musst du mit dem Mischer reden. Der macht den Sound vorne raus. Wir bekommen davon auf der Bühne nichts mit."
Der Kleine liess und liess sich einfach nicht einschüchtern...
Offenbar - denn zwischen den Songs liessen Speck während den ersten Songpausen immer mal wieder was am Monitor verändern. Sie hören ihn also auf der Bühne - wobei es immer noch schwierig sein dürfte, die einzelnen Spuren im brachialen Sound heraus zu hören. Ist das auf dem Monitor einfacher oder haben die Jungs einfach fantastische Gehöre? Drummer Niels: "Wir stellen den Monitor immer so laut als möglich. Das ist für die meisten Veranstalter und Mischer eher ungewohnt. Für uns baut diese Lautstärke aber einfach unsere Bandraumatmosphäre nach." Der Musikstil von Speck ist - gelinde gesagt - am B-Sides etwas untervertreten. Da fragt man sich doch, wie die Jungs auf den Sonnenberg kommen? Beziehungen, Qualität der Musik? -Niels lässt mich ins Leere laufen: "Amir - er ist schuld. Er hat uns hier rauf gefahren!" Bassist Marlon zeigt ein Herz für mich und geht dann doch auf die Frage ein: "Das ist schon fast Gewohnheit für uns. An etwa 90 Prozent der Auftrittsorte passen wir irgendwie nicht hin...Entweder ist es Grind-Core, der ziemlich straight durchgebolzt wird oder so wie hier vielfälitg ausgerichtet - da fällst du immer irgendwo durch - oder sticht heraus..." Gitarrist Michi lässt sich zu einer richtiggehend akademischen Aussage hinreissen: "Uns ist eigentlich wohl zwischen Stuhl und Bank. Hier sind wir sowas wie die Interpretation der musikalischen Vielfalt." Nach einem fünfkehligen Gelächter, das fast so laut ist wie Speck auf der Bühne, sage ich Michi, dass er den Dictionnaire jetzt wieder weglegen dürfe...
Nach dem Gig - als könnten sie kein Bierchen trüben
Da besonders Sänger Lars mit Spitzbart sehr gut wiedererkennbar ist, frage ich ihn nach den Reaktionen des Krienser Publikums, das ja stark auf Vielseitigkeit ausgerichtet ist. Das B-Sides ist ein Event von der Szene für die Szene und bietet am gleichen Tag den harten Buben aus Basel, Slam Poet Gabriel Vetter oder dem Deutsch-Elektro von Kunz & Knobel eine Bühne. Wurde Lars nach dem Konzert nun dauernd angepöbelt? - "Nee... Ich noch am wenigsten... Der Schlagzeuger wird am meisten angequatscht, wohl wegen der körperlichen Leistung und der Schnelligkeit der Beats. Vor allem die Leute, die etwas Ahnung von dem haben, was wir machen, sehen dann auch, was er leistet." Das Gegenteil, sprich die positive Überraschung ist da schon häufiger. Marlon: "Gerade hier wo nicht ein Szene-Publikum ist, hört man schon öfter mal Dinge wie: 'Sowas hab ich noch nie gehört, ist aber cool..." Und Michi hakt ein: "Das würde uns sowieso interessieren, wie es wäre, wenn wir in eine Maschine sitzen könnten, die unsere Erinnerungen löscht und dann ohne etwas davon zu wissen an eines unserer Konzerte gehen würden." Niels regt an, dass es auch interessant wäre, die Konzertbesucher zu interviewen. Ich verspreche ihm, es das nächste Mal so anzugehen. Allerdings nicht während des Konzerts sonst brauche ich ein Richtmikrofon...
Speck Sänger Lars in seinem Element
Einem Normalbürger erklärt man den Sound von Speck am besten mit einem Wort: brachial! Gibt es eine Grenze hinsichtlich Härte, einen Ort, wo Speck nicht hingehen würden? - Michi: "Wir schaffen's gar nicht. Wir suchen auch nicht das Brachiale..." - Marlon: "Es sind verschiedene Elemente, die zusammenspielen: das schnelle, das harte oder das wirre..." - Niels: "Nöggi hat mal gesagt, es gebe zu wenig Rock'n'Roll, der 'fägt'..." Ich zeige mich einigermassen erstaunt, dass eine Metalcore-Band auf den volkstümlichen Nöggi refenziert, muss mich aber belehren lassen, dass die Jungs tatsächlich eine Platte von ihm besitzen. Marlon nimmt einen letzten Anlauf zur Erklärung: "Das Phänomen dabei ist, dass uns selbst die Songs nach zwei, drei Mal Spielen gar nicht mehr so hart vorkommen. Da sind wir wieder beim Kopf löschen. Man gewöhnt sich schnell daran, die Songs scheinen am Anfang immer gewaltig, nach einigen Durchläufen verlieren sie aber ihre Macht in unseren Ohren schon wieder weil man sich einfach sauschnell daran gewöhnt." Lars meint abschliessend, dass Speck es nicht darauf abgesehen hätten, Grenzen auszuloten, sondern einfach den Sound machen, der ihnen passt und den sie spielen können. Ehrliche Handarbeit statt konzeptiertes Suchen, wie weit man gehen kann also. Das spricht absolut für die Band.
Wenn Bilder sprechen könnten - Moment: Das können sie ja!
Was ist eigentlich das Schwierigste, wenn man in so einem Bereich Musik macht - Druck, Schnelligkeit, Präzision...? - Niels schlagfertig: "Platten verkaufen..." Wir lachen uns wieder einen ab. Und bevor mir die guten Fragen ausgehen, die dann doch zu ganz anderen Antworten wurden, als ich gedacht hätte, entschliesse ich mich den Talk hier ausklingen zu lassen und Speck ihrem verdienten Feierabend-Bier zu überlassen. Der Sonnenberg - soviel sei hier noch gesagt, hat Speck überlebt und ist nicht in einer Schlammlawine talwärts gerutscht. Solche Publicity brauchen Speck auch gar nicht. Wenn sie so weitermachen, werden sie über kurz oder lang aus rein musikalischen Gründen zu Legenden - bis dahin sind sie vor allem schnell und laut...
Tätowierte Waden auf Drumkübel...
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