Stefanoni - Nicht genug von dir

Text: MonthyChristo
Bilder: Stefanoni
Der Sound des Nordostschweizer Quartetts ist über alles gesehen purer Pop, im einzelnen jedoch immer speziell. Manchmal erinnern die Töne ein bisschen an Sinas "Marzipan", dann wieder könnten einzelne Komponenten aus Patent Ochsners Werkstatt stammen. Ich kanns irgendwie nur so beschreiben: Bei einem Live-Auftritt würde ich Stefanoni in Smoking und Abendkleid erwarten, weil ihr Sound so herausgeputzt daherkommt - mit Ausnahme von "Nachtzug" und "Pedro". Stefanoni kann nämlich auch ganz anders: Büezer à la Gölä mit Endo Anacondas Stimme im Slang Toni Vescolis... Ja, Sandros Blick von Norden her auf die Schweizer Szene spiegelt sich wirklich in seinem Schaffen. Dass er dabei ganz eigenständig bleibt, ist für die, die ihn kennen und für ihn selbst, eine Selbverständlichkeit.
Ich hatte es ja eigentlich schon gewusst, als mich ein Sandro Stefanoni sehr rational bis schon fast ein bisschen frech fragte, ob ich mir kurz einige MP3-Files anhören und ihm sagen könnte, ob ich eine CD-Kritik schreiben möchte. Gesagt, getan; die Scheibe kam per Post rein und gleichentags auch noch ein Mail mit dem Hinweis, mich doch bitte richtig in den Sound einzuhören. Sandro Stefanoni ist eben als Musiker - und vom ersten Eindruck her auch als Mensch - recht anspruchsvoll. Seine Stücke unterscheiden sich in erster Linie voneinander, tragen Sandros Handschrift nicht offen, sondern auf einer tieferen Ebene. Wie ein Wildbach wird seine Musik immer wieder von einem Wasserfall oder einem Rinnsal gespiesen und angereichert.
Das mit dem Reinhören irritiert mich anfangs eher, mag ich doch die ersten Stücke mit ihrer feinen und doch rhythmischen Beschallung sogleich ganz gut. Von "Blinde(r) Liebe" und "Secondo", eben dem Song eines Fremden im eigenen Land, zum angesprochenen "trüebe Tag" relaxe ich zusehends. Und dabei ist es dann wohl irgendwie passiert und ich habe mich richtig reingehört. Die nächsten zwei Songs - wohlgemerkt inklusive mittlerweile schon fast bezeichnendem Titelsong "Nicht genug von dir" - ziehen einfach so an mir vorbei, ich in Gedanken versunken. Doch der im Akkord-eon marschierende "Nachtzug" weckt mich abrupt aus meinen Träumen. Eine schräge Klarinette, Stefanoni goes Rap - "Strich i de Landschaft!..." . Track Nummer 7 holt mich wieder runter vom nächtlichen Ausflug, und dann gleich so krass, dass ich neugierig ins Booklet gucke: "Pause" heisst das Ding - war ja klar...
Ausführende dieses ruhigen Spektakels sind neben dem Schaffhauser Stefanoni die effektiv-effektvolle Zweitstimme Natalie Mank, Ralph Tanner mit Keys und Akkordeon sowie Ludwig Corbach an den besaiteten Werkzeugen. Die Songs kommen eigentlich in Hochdeutsch daher, "En trüebe Tag", "Nachtzug" und "Pedro" aber tragen das kleine weisse Kreuz auf der Brust. Sandro Stefanoni wirkt mit Dialekt total anders als in korrekter Schriftsprache. Genauso wie die Sprache etwas roher ist, verändern sich auch Stimme und Stimmung, kreieren Heimatgefühle und Stammtisch-Ambiente. Sandro selbst ist ein Secondo, vielleicht sieht er das typisch schweizerische deshalb mit anderen Augen, jedenfalls aber kreiert er ein wunderschönes Stück CH-Kultur mit seinen Mundart-Songs.
Wenn man sich also, um das Thema langsam zu einem Ende zu bringen, in Stefanoni reinhört, wird die Scheibe garantiert vom Irr- zum Selbstläufer. Das Hitpotenzial - beispielsweise vom sehnsüchtigen "Ohne deine Liebe" - hätte eigentlich schon entdeckt werden müssen, aber die Talentförderung klappt in der Schweiz ja nur im Fussball und im Eishockey. Umso lauter sagt Trespass stellvertretend: "Nicht genug von dir" - Nie genug von dir!
"Nachtzug" (S. Stefanoni)

dr Nachtzug rast mit mir dur Stadt und Land
voll schlafende Hüser, tunkle Fälder
grelli Liechter vo Strosselaterne
breitet sich us, wöred immer breiter
dehnet sich us zu Strich i de Landschaft

und d Loki zieht mich, zieht mich durch d Nacht
und d Funke springed, blitzed i de Dunkelheit
wie wänn sie dauernd, dauernd nur Bilder schüsse würd
vo dere Strecki, dä Strecki wo si längstens kennt

dr Nachtzug rast mit mir durch Stadt und Land...

säg warum müend mir reise dur d Nacht
di gliche Reise rase vo A nach B
zum wider zrugg cho, zrugg cho vo B nach A
chönnted mir blibe so wäre mir alli am gliche Ort

dr Nachtzug rast mit mir dur Stadt und Land...

dr Nachtzug blibt im Tunnel sto
ich druck mini Nase sofort platt as Fänschter
beidi Händ häb i links und rechts
zwei grossi Ohre als Schutz vor em Spiegle
trotzddem verschreck i ab mim dunkle Schatte

und d Loki zieht mich, zieht mich zum Tunnel us
und d Funke springed, blitzed i de Dunkelheit
wie wänn sie dauernd nur Bilder schüsse würd
vo dere Strecki, dä Strecki wo si längstens kennt
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