Strassemusikante

Text/Bilder: MonthyChristo
Auch in der Schweiz gibt es Menschen, die ausschliesslich von ihrer Musik leben und leben können. Allerdings „ohne Luxus“, wie Gaston, einer der Protagonisten dieses Artikels, präzisiert. Trespass zeichnet zwei Porträts von Strassenmusikanten - von Gaston, dem Gitarristen und Güggu, dem Vagabunden.

Gaston unterhält sein Publikum in der Passarelle zwischen Flughafenbahnhof und Terminal A am Zürcher Flughafen. In klassischer Position auf einem besseren Campingstuhl sitzend, lässt er seine Gitarre erklingen und begleitet die Passanten mal gute 50 Meter weit, mal knappe 5 Minuten lang. Das geschäftige Treiben und Lärmen lässt den sanften Klängen aus dem kleinen Verstärker nicht viel Raum und doch schafft Gaston um sich herum eine kontrastierende Oase, einen Moment der Harmonie. Seit fast 20 Jahren spielt er schon auf der Strasse und kommt sich bei 6 bis 8 Stunden täglichem Spiel manchmal vor wie in einem zur Strasse offenen übungsraum. „Allerdings kann ich nicht einfach vor mich hinspielen. Ich habe jeden Tag Auftritte und die Leute erwarten etwas.“ Gaston orientiert sich natürlich an den Ansprüchen derer, die stehenbleiben und zuhören. Andere scheinen den Vollblut-Musiker gar nicht zu bemerken, wenn sie zwischen erledigten Einkäufen und zu bezahlender Parkgebühr mit stur geradeaus gerichtetem Blick vorbeiziehen. Dann gibt es auch noch „Stammkunden“, die vor oder nach der Arbeit mal auf einen Schwatz vorbeikommen oder Begegnungen, die nur ein Strassenmusikant machen kann. Und wenn sich der Spendenbeutel mal nicht füllen will und der CD-Verkauf harzt, sind sie Gastons vornehmlicher Lohn.
Güggu ist unverkennbar - ein Original. Nachdem ich einen ganzen Nachmittag lang vergeblich die Strassen und Plätze Berns nach einem wie ihm abgesucht habe und schon die Hoffnung aufgebe, kreuze ich ihn auf dem Fussgängerstreifen. Güggu, so genannt wegen seiner rotgefärbten Dreadlocks, ist ein Bild von einem Vagabunden: Gitarre umgehängt, eingekleidet in abgeschränzte Jeans und freakige Netzstrumpfhosen. „Ja, meine Kleider haben ein paar Löcher und vielleicht riecht es ein bisschen, aber ich bin nicht total "verhuddlet". Wenn ich für einen Familienanlass meine schönen Kleider hervorhole und die Haare zusammennehme, kennen mich meine eigenen Verwandten kaum noch. Ich bin halt ein Vagabund und ich lebe wie ein Vagabund“, meint Güggu nicht ohne Stolz darüber wer er ist und was er repräsentiert.
Vor gut 4 Jahren hat sich Güggu nach einer abgebrochenen Zweitlehre für den Strassenmusikanten-Trip entschieden, sein Hobby zum Beruf gemacht und ein Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben begonnen. Der innere Antrieb, selbständig zu arbeiten, liess Güggu das Risiko auf sich nehmen, das zu führen, was mancheiner als Lotterleben bezeichnen würde. Das es nicht immer einfach ist und dass auch Vagabunden Versicherungs- und Krankenkassenprämien oder Steuern bezahlen müssen, geht gerne vergessen. „Ich hab‘s einmal ausgerechnet - für die Steuererklärung.“ - Etwa tausend Franken erspielt sich Güggu in den Strassen der Bundeshauptstadt in einem Monat. Das muss reichen, Güggu will es so. Wenigstens muss er nicht für eine Lizenz löhnen. Zwar nimmt die Gewerbepolizei normalerweise die Personalien von Strassenmusikanten auf und weist darauf hin, nicht zu oft am gleichen Ort zu spielen, aber „in Bern sagt eigentlich niemand etwas, solange man nicht wirklich auffällt.
Manchmal können Güggus „Kunden“ die Ohren gar nicht vor seinem Sound verschliessen, kommt es doch vor, dass er auch mal im öffentlichen Verkehrsmittel spontan zur Gitarre greift. Sonst reagieren die Leute auch auf den Berner Vagabunden mit Interesse oder Ignoranz. „Manchmal gesellen sich auch andere Musiker dazu und wir spielen zusammen“, funkeln mich zwei begeisterte Augen von unter der rotleuchtenden Matte an. „Die Strasse ist halt sehr offen. Einerseits ist es ein Auftreten, andererseits auch ein Treffpunkt - Die Strasse ist die offenste Bühne, die es gibt.“ Güggu wird sie weiterhin sein Zuhause nennen und so den Menschen zeigen, dass es auch heute noch Vagabunden gibt, dass man auch in der heutigen Welt, wo man so viel Geld braucht, noch ausschliesslich vom Musizieren leben kann. „Ich gebe den Menschen nicht nur meine Musik mit, sondern meinen ganzen Lebensstil, mein Lachen. Und es tut als Kontrast zum "normalen" Alltag vielleicht ganz gut zu sehen, dass die Schweiz auch für uns erschwinglich ist.“
"Es Cliché-Stückli" (Berndeutsch von Güggu)

i bi e Trampirat
i fahre immer schwarz
i ha kes Bilie
i ha schnäui Bei

ja, mir si no da
ja, es git üs no
es git ir Schwiz immer no Pirate

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