Stress - Eine Zeit, Spass zu haben...
24.07.2012; Text/Bilder: Monthy
Nach der Trennung von Melanie Winiger wollte Stress irgendwann keine Interviews mehr geben. Verständlich. Denn allzu oft drehte es sich nurmehr um Dinge aus seinem privaten Umfeld, nicht aber um seine Musik. Jetzt, nach dem Release seines Sequels zu Renaissance, macht der erfolgreichste Rapper des Landes auch abseits der Bühne seinen Mund wieder auf. Und natürlich stehen wir dann auch auf der Matte und wollen beispielsweise wissen, ob er denn kein negatives Feedback auf seine Coop-Spots mit den klaren Worten zum Thema Klimaerwärmung erhalten habe? Normalerweise kommt's ja nicht gut, wenn einer auf Moralapostel macht - möge er sonst noch so cool sein. Stress: "Das Feedback war wirklich super. Ich glaube, es war halt sehr überraschend für die Leute, weil es aus einer unerwarteten Ecke kam. Und als Künstler geht es halt auch darum, mal etwas anderes zu machen. Du darfst nicht zu sehr überlegen, wie es dann ankommen könnte. Wenn du davon überzeugt bist, musst du es einfach machen!"
Zwar war es Coop, die mit der Idee an Stress heran getreten sind - "Aber sie haben mir die totale Freiheit gelassen, zu tun, was ich für richtig hielt. Sie sagten: 'Mach einfach, was du willst' - und da gab es schon viele Möglichkeiten...", erzählt Stress und findet das Anliegen "super wichtig". Die Worte sind ja auch äusserst treffend gewählt. "Ich denke, für unsere Generation ist es vielleicht schon ein bisschen zu spät, aber nicht für die jüngeren. Und dafür machen wir auch Musik - um eine Botschaft rüber zu bringen. Es gibt eine Zeit, Spass zu haben und eine Zeit, um nachzudenken und zu fokussieren, wie ich es auch in einem meiner Songs sage...", erläutert er mir seine Gedanken und führt damit auch gleich vom Ernsten zum Spassigen Teil des Interviews über.
Ich sah Stress vor Wochenfrist bereits auf dem Gurten, was mir jetzt im Gespräch, das vor dem Konzert stattfindet, zugute kommt. Auf dem Berner Hausberg ist mir einmal mehr aufgefallen, wie die Leute Stress aus der Hand fressen. Ich frage ihn, ob er einfach der geborene Entertainer sei, was natürlich so kaum zu beantworten ist, aber die Message kommt rüber. Stress: "Findest du? Ich glaube, ich fühle mich auf der Bühne sehr wohl. Und du musst es vielleicht schon ein bisschen im Blut haben. Dahingehend hatte ich also Glück, aber ich habe auch eine tolle Truppe beisammen und wir haben viel Spass auf der Bühne. Das macht meinen Job einfacher und mich noch ein bisschen kommunikativer." Aufgefallen ist mir insbesondere, wie Stress ziemlich rücksichtlos Sängerin Karolyn während den Songs anrempelt. "Jaja!", kommt Stress, der ansonsten gerade in der Erholungsphase vor dem Konzentrieren steckt, aus sich heraus und fügt mit welschem Charme hinzu: "Karolyn - sie ist ja auch wie ein Mann..." Ich lache herzlich, bevor ich ihm zuraune, sie würde aber nicht so aussehen, was er mir schmunzelnd bestätigt.
Nur als Gast auf der Bühne ist Noah Veraguth, Sänger von Pegasus, der Stress' momentanem Hit "Elle" für den Chorus seine tolle Stimme leiht. Direkt brauchen würde der Rapper aber eigentlich keinen Sänger. - "Nein, wir haben ja mit unserem Gitarristen einen tollen Sänger mit dabei. Und auch die Leute singen bei uns oft mit..." Stress selbst wird man allerdings kaum je singen hören, oder doch? Stress: "Ich singe schon in ein paar Songs mit. Aber dann gibt es wiederum Songs, für die brauchst du einfach eine Stimme mit diesem wunderbaren Klang wie die von Noah bei 'Elle'. M.A.M und ich haben den Song geschrieben und gleich gemerkt, dass das äusserst schwierig richtig zu singen ist." Ich komplimentiere noch schnell die wunderbare Symbiose im Song zwischen dem Sänger und dem Rapper und will dann noch wissen, wie sich die beiden kennen gelernt haben? - "Ganz ehrlich - durch den Manager von Noah, der anfragte, er würde gerne einen Song mit mir machen. Ich fand das zuerst ein bisschen frech, weil es nicht unbedingt üblich ist. Dann haben wir uns getroffen und er war einfach die richtige Person für den Song." Wenn es menschlich nicht klappe, gibt Stress auch noch preis, könne er nicht mit jemandem zusammen arbeiten. - "Das macht für mich dann gar keinen Sinn... Ich bin halt auch ziemlich intuitiv und impulsiv, deshalb..."
Das Interview führe ich übrigens in Deutsch und Stress muss gar nie nachfragen. Bei einem Konzert im Bündnerland kommt ihm seine Sprachgewandtheit dann auch durchaus entgegen. Mich interessiert schon, ob er das nur aus der Schule hat? Normalerweise haben's die Romands ja nicht so mit dem "Allemand"... - Stress: "Ein bisschen habe ich aus der Schule mitgenommen. Aber ich war halt schon auch sehr viel in Zürich unterwegs. Da ist es mit der Zeit eigentlich normal, dass du dich in die fremde Sprache hinein wühlst. Ausserdem spielen wir sehr oft in der Deutschschweiz und dann gehört es halt dazu, mit den Leuten in ihrer Sprache zu sprechen."
Das tut er dann auch auf der Bühne, wo allerdings eine komplett andere Show läuft als auf dem Gurten. Dort war's schon mehr ein Best-Of-Programm, im Val Lumnezia hingegen wurde die Bühne im Renaissance-II-Setup gestylt. Zentral dabei ein riesiger Bildschirm - vielleicht von einem Public Viewing übernommen oder so... Die letzte Minute vor dem Konzert läuft dort ein Countdown, bei dem die Leute natürlich in den letzten 10 Sekunden mitgehen. Darauf folgt ein Intro, das den Rapper von Gottes Gnaden augenzwinkernd als Gottheit darstellt. Dann wird's erstmal dunkel und das ganze Konzert hindurch fühlt man sich ein bisschen zwischen Himmel und Hölle. Strahlende frontale Lichter und harte Schatten machen das Setup unheimlich intensiv. Stress' Performance - und die seiner Crew - lassen dann keinen Zweifel mehr zu (auch wenn er eigentlich nie weg war...): Dieu, il est retour!