Stress lud SVP-Spitze an Konzert ein - "Aber..."
Text: Monthy
Bilder: Musicbild.li / Karin
Die Entwicklung der nationalen Kniehosenbewegung ist massgeblich mit seinem Namen verknüpft. Er ist die Lichtfigur im Schweizer Rap. Stress hat mit seinen drei Alben konsequente Arbeit zur vollen Frucht gebracht. und dabei mehr erlebt und bewegt als mancher Künstler in einer ganzen Karriere Sein Status hat sogar schon ewige Miesmacher und eine Gegenbewegung auf den Plan gerufen. Auf dem Gurten gab Stress bereitwillig Auskunft und zwar in deutsch, was ihm mittlerweile ziemlich leicht fällt. Ich eröffne das Gespräch mit der neckischen Frage, ob der Auftritt stress-ig war? - "Nein, wirklich nicht. Heute waren wir locker, wogegen wir in St. Gallen noch sehr viel Druck gehabt hatten. Es war der pure Spass für uns."
Nach dem immensen Single-Erfolg von "Libéré" hatten einige nun wohl auf den fast logischen Absturz des vermeintlichen One-Hit-Wonders gewartet. Stress' neues Album "Renaissance" allerdings grüsst ebenfalls seit Wochen vom Platz an der Sonne. Für Stress war die Bestätigung dieses Erfolges denn auch entsprechend wichtig: "Sicher. Es ist für mich überhaupt das wichtigste, dass ich etwas aufbauen kann und nicht einfach nur einen Hit hatte. Ich kann so meine Karriere voran bringen. Und das musst du in diesem Geschäft." Vor zehn Jahren hätte ein solcher Hit wohl kaum etwas gebracht. Falls er überhaupt möglich gewesen wäre. Hiphop hat sich in dieser Zeit weltweit und hierzulande ausgebreitet. Oder haben die Schweizer Rapper sich das alles selbst erarbeitet? - Stress: "Ich glaube die Gesellschaft ist viel offener gegenüber Hiphop und der Urban Culture. Und das ist gut für uns. Vor zehn Jahren hätte ich nie so von der Musik leben können wie jetzt. Vielleicht ein bisschen."
Grosse Erfolge rufen automatisch Neider auf den Plan. In Stress' Fall sagen die, seine multidirektionale Musik sei schlicht zu poppig. Entgegen seinem Namen reagiert der Betroffene aber äusserst gelassen auf die Vorwürfe: "Mir ist egal... Ich mache, was ich will und kann davon leben. Ich setze für mich nie Grenzen. Wenn ich auf die anderen gehört hätte, wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Ich habe immer nur auf meine innere Stimme gehört. Wenn die Leute sagen, es ist nicht Hiphop, dann machst du es auf deine Art. Und wenn du es fühlst und es Spass macht, dann ist alles gut." Ein weiterer Vorwurf an Stress und ganz allgemein an Rapper, die gegen die SVP poltern, prallt ebenfalls an ihm ab. Und zu dem Thema hat der Co-Autor von "Fuck Blocher" natürlich seine Linie. Stress sagt: "Für mich gibt es kein Zurückstecken. Was habe ich denn gesagt? - meine Meinung... Dann wurde es zum Trend in den Medien und du weisst, wie die arbeiten. Sie machen es gross, dann zerstören sie es. Das ist ihre Arbeit. Aber für mich... Du musst etwas konstruktives sagen. Heutzutage habe ich mit vielen Musikern ein Problem, die zwar Musik machen, aber hauptsächlich danach trachten, einen Skandal in den Medien auszulösen und damit bekannter zu werden. Für mich ist das soo falsch und es regt mich wirklich auf. Denn für mich heisst Musik machen, etwas zu sagen zu haben. Was danach kommt, das kommt oder eben nicht. Aber man denkt nicht voraus und macht es Absicht. Für mich sind das alles Media-Bitches!"
Der viel diskutierte und zugegebenermassen provokative Song "Fuck Blocher" war also eine inhaltlich konstruktive Kritik an der SVP und nicht, wie viele behaupten, reine Provokation. Stress: "Yes! Die meisten Journalisten sagen, der Song sei nicht konstruktiv. Aber das Problem ist, dass nur fünf Prozent dieser Journalisten sich den Song überhaupt angehört haben. Und zugehört. Wenn sie das täten, würden sie heraus finden, dass sich die Lyrics von 'Fuck Blocher' nur um eines drehen: Junge Menschen. Es ist ihre Zukunft, sie können es entscheiden und sollen sich nicht von anderen bevormunden lassen. Er gibt keine Vorwürfe an die SVP im Text selbst, kein 'ihr seid Arschlöcher'. Ausserhalb des Refrains ist die Kritik total konstruktiv." Dieses Missverständnis der Journalisten rührt somit wohl vom abschreckenden F-Wort im Chorus her. Dass die SVP selbst dies positiv aufnehmen würde, hat Stress nicht wirklich erwartet: "Es ist scheissegal, was Blocher denkt. Ich mache das nicht für ihn! Die Leute und die Medien machen immer einen Kampf Stress gegen Blocher oder Rapper gegen SVP daraus. Ich spreche nicht zu ihm, will nicht ihn und seine Partei überzeugen. Die denken, was sie denken. Für mich ist wichtig, dass die Leute die volle Information erhalten. Dass sie sehen, dass es nicht nur diese SVP-Vision vom Leben gibt. Die Realität ist einfach nicht so."
Stress hat auf "Renaissance" die Hiphop-Tradition der Skits benutzt, um seine Ansicht des Konflikts darzustellen. In zwei kurzen Telefongesprächen mit der Sekretärin der Herren Blocher und Mörgeli lädt er die SVP-Spitze zu einem Stress-Konzert ein. Das ganze ist wahrheitsgetreu. Klar, dass ich von Stress wissen muss, ob sie tatsächlich gekommen sind. - "Sie wollten kommen. Aber sie wollte eine Pressekonferenz und einen Medienzirkus daraus machen. Ich wollte hingegen, dass sie kommen und mit den jungen Leuten am Konzert reden. Was die vom Leben erwarten und wo sie ihren Platz in der Gesellschaft sehen. Die Politiker setzen schliesslich die Regeln für unser Zusammenleben, also sollten sie sich auch um unsere Meinungen scheren. Was bringt es denn mir schon mit Blocher zu reden? Ich werde ihn nicht überzeugen, er wird mich nicht überzeugen. Es wäre nur zu etwas gut, wenn er sehen würde, dass Hiphop nicht so schlecht ist. Dass sich hier verschiedene Religionen und Kulturen zusammen finden ohne Gewaltproblem." Stress hat ja selbst auch estnische Wurzeln. Im Gespräch mit ihm spüre ich aber, dass der Konflikt mit der SVP der gleiche wäre, auch wenn er diese nicht hätte - Stress: "Ich denke schon. Mein Problem ist nicht nur die ablehnende Haltung gegenüber Ausländern. Ich halte diese ganze Vision für ungesund hinsichtlich unserer Zukunft."