The Young Gods - Like a real Band!

Text: Monthy
Bilder: Booklet/Monthy
Fans der Young Gods erwarten von ihren Idolen von vornherein das Unerwartete. Und trotzdem haben es Franz und Alain mit ihrem aktuellen Release "Knock on wood" abermals geschafft, alle zu überraschen. Dass die Götter der Sampling-Technologie ein akustisches Album aufnehmen, entspricht so in etwa dem Fall der letzten Bastion vor dem einst als "Unplugged" bekannt gewordenen alternativen Live-Konzept. Wie kam es denn überhaupt dazu, dass die Young Gods sich darauf einliessen? - Alain: "Wir wurden selbst etwas von den Umständen überrascht. Eigentlich ist alles wegen den Leuten vom Truth-Magazin entstanden. Sie kamen mit der Idee auf und brachten uns schlussendlich dazu, im legendären Cabaret Voltaire zur Release-Party des Magazins drei, vier akustische Songs zu spielen. Wir waren überrascht, wie das Publikum dies aufgenommen hat und so kam die Idee ins Rollen."
The young Gods - Knock on Wood - The accoustic sessions
Als man erstmals davon hörte, dass die Young Gods sich daran machen, akustische Ufer zu erkunden dachte wohl jeder einfach, die wollen mal etwas anderes machen. Wie meistens waren es aber mehr Zufälle, die dazu führten. Hört man sich "Knock on Wood" an, wird einem trotzdem schon beim ersten Song klar, dass hier die Young Gods am Werk sind. Frage an Franz: Habt ihr überhaupt etwas anderes gemacht oder eigentlich doch das gleiche wie immer? - "Die Grundidee des Ganzen war schon, nicht plötzlich wie eine andere Band zu klingen. Die Musik ist ja die gleiche - nur die Präsentation, die Herangehensweise ist eine andere. Die Auswahl der Instrumente usw. führen zu einer Verfremdung. Die Intensität sollte allerdings erhalten bleiben. Ich bin ganz froh, dass du es so empfunden hast. Der erste Song, 'Our House' stammt vom 92er 'TV Sky'-Album und ist eigentlich total auf Samples aufgebaut. Als wir anfingen, ihn akustisch umzuarbeiten, waren wir selbst am meisten überrascht, dass und wie er funktioniert. Der Song hat dieselbe Wirkung, man erkennt die Band." Ich fasse zusammen, wie sich das ganze für mich als Hörer darstellt - die Young Gods machen zwar etwas anderes, sind aber immer noch dieselben. Franz und Alain stimmen dem zu.
Franz und Bernard im Trespass-Talk
Der Ausdruck "Sampling" ist eher abstrakt, wenn man sich vorstellen will, wie denn aus dem digitalen Ursprung eine natürliche Kopie hergestellt wird. Besser eignet sich da zur Veranschaulichung der Loop, also ein oder mehrere Takte, die gespeichert werden und sich als Playback ständig wiederholen. Auf "Knock on Wood" sind es meistens die Gitarren, die anstelle des üblichen Keyboards die Loops in die Songs einbringen. Franz: "Wir machen das ja seit über zwanzig Jahren. Ich kann mich an die Aufnahmen für unser Ambient-Album 'Artificial Clowns' erinnern, als unser Konzept ausdrücklich hiess: ' keine Loops verwenden'. Wir waren langsam müde, von diesem üblichen Prozess und den exzessiven Loops. In elektronischer Musik ist eigentlich alles auf Loops basiert, ausser Ambient. Auch Rockmusik geht im wesentlichen zurück auf Loops, die ein Hauptbestandteil des Blues sind. Überhaupt ist praktisch die ganze Musik - mit Ausnahme der klassischen - immer und überall geloopt. Im Unterschied zu digitalen Loops werden manuelle Loops aber gespielt, sprich sie sind doch immer ein wenig anders. Nun kannst du heute zwar Effekte auch in digitalen Loops verwenden, um sie leicht zu differenzieren, aber im allgemeinen sind sie doch sehr statisch. Irgendwann hatte ich die Nase davon eigentlich voll. Als wir dann über eine akustische Aufnahme sprachen - natürlich nicht wie eine richtige Band - sondern im Sinn von akustischen Elementen über der Programmierung, wurde uns bald klar, dass dies sehr viel tiefer gehen würde als eine normale Young Gods Platte. Unser Debut war damals ein bisschen so wie jetzt 'Knock on Wood'. Zurück zur Natur eben..."
Keine blutigen Finger - Franz mit dem Bildbeweis
Die Young Gods gelten als die Vorreiter der Sampling-Technologie und Urväter des Electrocks - das tönt alles ziemlich wissenschaftlich. Dabei ist ihr Konzept mit den Loops eigentlich sehr einfach. Das neue Album bringt dies vielleicht mehr ans Licht als bisherige. "Knock on Wood" tönt schlussendlich, wie eine verdammt geile Jam-Session mit den Young Gods - fühlte es sich auch so an? Franz: "So hatten wir es auch gewollt. Wir fingen an zu jammen und fanden so heraus, was sich wofür eignen würde. Es ist auf seine Art ziemlich minimal herausgekommen. Vielleicht bemerkt man auf 'Knock on Wood' das an sich versteckte Songwriting der Young Gods etwas besser. In unserer Musik sind zwar die Energie und die Produktion ziemlich voran gestellt, aber im Kern werden auch unsere Songs geschrieben. Zumindest diejenigen, die auf 'Knock on Wood' drauf sind. Es gab auch Stücke, die wir nicht in Songs umwandeln konnten. Etwa bei 'Envoyé' oder auch bei 'L'amour' hatten wir massive Probleme, weil sie so sehr soundbasiert sind. Hingegen fanden wir für 'Long Road' oder 'Our House', die auch so sind, ganz einfach eine Umsetzung..." Alain philosophiert ergänzend: "...dass wahrscheinlich für jeden digitalen Song ein akustisches Pendant existiert. Manchmal fanden wir die Lösung ganz einfach nicht..."
TYG - momentan auch live akustisch zu bewundern
Wie nun die Young Gods anstatt mit Keyboards und Beatboxes mit akustischen Gitarren jammen, ist eine wahre Freude und bringt mich auf den Gedanken, dass dies wohl das erste Mal seit Jugendzeiten sein muss, dass Franz, Alain und der abwesende Dritte im Bunde, Bernhard, blutige Finger kriegten. Franz antwortet mit einem Lächeln in der Stimme: "Ja, wir haben einige zusätzliche Lagen Haut an den Fingerkuppen aufgebaut..." Alain musste sich auch sonst umstellen: "Als wir damit anfingen, fiel mir auf, wie sehr ich zu einem digitalen Musiker geworden bin über die Jahre. Es sind zwei ganz verschiedene Arten, Musik anzunehmen. Der gedankliche Ansatz ist sehr verschieden. Ich bin ziemlich begeistert, nun in ein und derselben Show digitaler und traditioneller Musiker zur selben Zeit sein zu können. Dies wird in den nächsten Shows, unter anderem mit einem Streichorchester, sehr interessant werden." Zum Thema 'verstecktes Songwriting' ist mir auch etwas aufgefallen, womit ich Franz konfrontieren will. Beinahe untypisch wichtig ist im Song "Charlotte" nämlich der Text die Hauptsache. Eine hübsche, ziemlich traditionelle Harmonika-Melodie zeichnet zunächst das Bild einer Frau in ihren besten Jahren. Der Refrain mit den Worten "Quand Charlotte se touche - Wenn Charlotte sich berührt" bringt einem plötzlich zur irgendwie schokierenden Einsicht, dass diese nicht mehr ganz junge Frau im Song masturbiert. Solche Twists sind bei den Young Gods eher selten - oder werden sie einfach nicht gehört, weil die Musik so wichtig ist? - Franz: "Das ist wohl die Magie von Charlotte... Es ist wahr, dass wir nicht so viele solche Songs haben. Vielleicht zu wenige, denn es haben mir schon andere Leute gesagt, dass dies mein bester Text sei... Und es gibt auch viele Leute, die 'Charlotte' nicht mögen - er polarisiert eben sehr stark."
Wollen künftig digitale und akustische Ansätze integrieren - The young Gods
Was ich abschliessend noch wissen muss: War dies eher ein Experiment oder nehmen die Young Gods vieles davon mit für ihre zukünftige Werke? Franz: "Ich denke letzteres. Wir wollen akustische Instrument zum ganzen Rest hinzufügen. Zumindest werden wir es versuchen und sehen, was daraus wird. Das letzte Album 'Super Ready Fragmenté' sollte rockiger sein und führte uns eigentlich zu diesem ruhigeren Album. Vielleicht muss es dann irgendwann auch wieder besonders laut werden, das weiss man nie so genau. Unser Plan ist eine Mischung aus akustischer und elektronischer Musik - eine Art musikalischer Hybrid..."
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