Timothy Jaromir - Die Schnittstelle von Musik und Schriftstellerei

31.7.2011; Text: Monthy, Bilder: Diverse
Es ist mir ein Rätsel, wie mir das passieren konnte... - schon wieder! Timothy Jaromir erwischt mich in Basel genauso kalt wie damals im E-Mail bei meinem Review seiner CD. - "Als wir uns das erste Mal gesehen haben...", lautet der magische Satz, der bei mir augenblicklich ein totales Blackout auslöst. Vielleicht ist es, weil Timothy so gar nicht der Musiker ist, wie ich sie sonst von Trespass her kenne. Weil ich ihn eben schon früh in seiner Musiker Laufbahn kennen lernte. Er war aber "nur" eine Randfigur für mich an diesem Abend. Die drei Hauptpersonen standen damals im Titel - Timothy kam dagegen "nur" in der Einleitung des Artikels vor. Der Talentschuppen von Adi Weyermann brachte damals Sängerin Romy und meinem Intimus Weyermann zusammen, wie im Archiv unter "Adi, Romy und ein kleines bisschen Monthy" nachzulesen ist. Dass ich also die Bekanntschaft mit Timothy, der ebenfalls als Talent dort auftrat, nicht mehr präsent hatte, als er mich per Mail mit obigem Hinweis zu erinnern versuchte, halte ich noch gerade für verzeihbar. Aber als ich ihn in Basel traf, war der ohnmächtige Moment einfach nur noch peinlich. Mittlerweile sollte mir Timothy Jaromir wirklich präsent sein. Dass ich mich nun in einem quasi öffentlichen Brief dafür offiziell entschuldige, hängt aber vielleicht auch damit zusammen, dass wir beide verhinderte Schriftsteller sind und ich glaube, wenn wir je was publizieren, dann einen klassischen Briefwechsel... Nachdem ich mein Blackout mit Timos HIlfe also überwunden habe, setzen wir uns zu einem Interview hin, bei dem ich absolut auf meine Erinnerung angewiesen bin...
Timo Loeffler alias Timothy Jaromir beim Interview in Basel
Das erste Trespass-Interview mit einem x-beliegigen Künstler soll euch erlauben, den Menschen und den Musiker zugleich kennen zu lernen. In der Zwischenzeit ist aber Timothy Jaromir alles andere als ein x-beliebiger Künstler. Schliesslich trat er vor kurzem auf dem Gurten auf. Seit dem Talentschuppen musste sich also ein bisschen was getan haben...? - Timothy: "Ja, doch... Ich habe letzten Herbst mein Album 'Salton Sea' herausgegeben. Die Geschichte zog sich lange hin, so dass ich schliesslich zwei Jahre damit beschäftigt war. Als ich herausgebracht hatte und alles so arrangiert hatte, wie es für mich sein musste, war ich auch glücklich damit. Es machte meinen Standpunkt klar. So tönen meine Lieder und das ist mein Sound. Dadurch habe ich dann auch einige Konzerte spielen können, bin bei 'M 4 Music' auf der Compilation dabei und natürlich habe ich enorme Freude über die Anfrage vom Gurten." Und womit andere Musiker mehr als glücklich wären, das reichte Timo immer noch nicht, wie er weiter erzählt: "Ich war jetzt auch auf einer langen Kanada-Reise in Vancouver und Toronto. Und in Toronto habe ich eigentlich ziemlich spontan mit einem Produzenten zusammen eine EP aufgenommen. Und die ist ganz anders als das Debut-Album..." Aus Kanada mitgebracht hat er übrigens auch noch anderes - Die an diesem Abend ebenfalls im Carambolage auftretende Christina Maria stammt ja aus Vancouver und hat ihren Weg nach Basel denn auch nicht ganz ohne Timothy gefunden.
Eines der raren Live-Bilder des Songwriters aus dem Web
Die Zusammenfassung beeindruckt mich. Obwohl ich mich zu seiner CD nur positiv geäussert hatte und auf sein Potential hinwies, kommt es mir vor, als ob ich damals im El Lokal ein grosses Talent verkannt hätte. Sonst könnte ich mich doch jeweils an diese Story erinnern... Ich gehe nun doch noch einmal zurück zu diesem Anfang, will aber von Timothy wissen, wie wertvoll so eine Startup-Hilfe von einem arrivierten Künstler wie Weyermann rückblickend gewesen sei? - Timo: "Dieser Abend ragt so ein bisschen über die erste Zeit als Musiker heraus. Er war überdies auch deshalb wichtig, weil ich dort meinen aktuell besten Freund kennenlernte und wir danach eine Band zusammen gegründet haben - Fox Powers. Die steht im Moment etwas im Hintergrund, weil meine eigenen Sachen für mich gerade sehr wichtig sind." Auch für sein Debut-Album 'Salton Sea' war Timothy - wie jetzt wieder mit dem Resultat der EP - auf einer langen Reise - eine verblüffende Parallele zu seinem frühen Mentor Weyermann, dessen Debut ebenfalls auf einer Reise entstand. Eigentlich aber sind es nur Wege von Personen, die sich kurz mal verschlingen und dann wieder trennen, wie mein Gegenüber mir beipflichtet: "Genau - eigentlich ist es mehr Zufall... All meine Songs sind halt auch von und durch Reisen inspiriert, merke ich je längers je deutlicher. Ich mag beispielsweise auch Road Movies besonders gerne."
Timo in Kanada mit Christina Maria
Und schon geht der Schriftsteller im Musiker mit Timothy durch. Ich lasse mich nur zu gerne darauf ein und erfrage, ob er sich also mehr als Geschichtenerzähler sieht, denn als Poet? - Timo sieht das in etwa so: "Ich habe tatsächlich immer schon Kurzgeschichten geschrieben, mag aber auch Gedichte sehr. Insbesondere für Songtexte lasse ich mich gerne von Gedichten inspirieren." Ich insistiere noch ein wenig und will wissen, ob es im Endeffekt Prosa oder Poesie oder eine Mischform sei? Ob es auch Formen einzuhalten gebe? - "Auf Formen achte ich gar nicht, auch auf Reime nicht. Das ist mir ganz egal...", bricht er meine Frage auf und findet einen anderen Ansatz, "Mir geht es mehr um Bilder - eigentlich... Meine Worte stellen am ehesten ein Bild dar." Die Kernfrage für mich, die ich bisher nie einem Musiker stellen konnte, weil die Schnittstelle nicht gegeben war: Ist ein Songwriter eigentlich schon ein Schriftsteller oder noch nicht? - Timothy: "Das habe ich mich tatsächlich auch schon gefragt - und ich glaube: Ja... Für mich sind Songs von wirklich guten Songwritern, wie wir sie aus Amerika kennen, Miniaturen von Kurzgeschichten. Ich kenne mich ja auch ziemlich gut mit Bob Dylan aus..." Der Hinweis ist nur logisch - Dylan pflegte sein Songs oft seitenweise auszudehnen und ist wie kein anderer Symbol dieser Symbiose von Musik und Schriftstellerei. "Er hat das wirklich auf den Punkt gebracht, seine Aussage ganz auf den Boden herunter zu brechen", führt Timothy Dylans Schaffen verbal halbwegs verkehrt aber im Endeffekt schon korrekt aus. Punkt und Komma machte Bob nämlich eigentlich gar keine...
Mann mit Gitarre - Timothy Jaromir
Als nächstes möchte ich den Prozess des Erarbeitens eines Jaromir-Songs erklärt haben und Timothy kommt dem gerne nach: "Was nicht funktioniert bei mir ist, hinsetzen und losschreiben. Ich habe auch viele Texte, von denen ich glaubte, sie seien super Songvorlagen, aber es wurde nie etwas daraus." Also schliesse ich, dass Timothy die Dinge eher an ein Schlüsselerlebnis heftet und dadurch seinen Aufhänger findet. Dinge, die er in einem Song beschreiben will. "Das gibt es", stimmt er zu und konkretisiert, "Ein Song, den ich gerade in Kanada aufgenommen habe, handelt von einer mexikanischen Künstlerin, Theresa Margones, deren Ausstellung in Venedig mich völlig durcheinander brachte. Aus dem heraus entstand dann ein Text." Viele Songschreiber vermischen ja gerne auch persönliche Erlebnisse mit Dingen, die anderen widerfahren sind. Das hilft im Musich-Biz einfach ein bisschen gegen den Seelen-Striptease, den man zumindest ganz oben betreiben muss. Timothy Jaromir, so spüre ich, ist ein Künstler mit mehr Authentizität. Er muss wohl zumindest den Kern einer Geschichte selbst erlebt haben - oder? - "Ich habe sogar herausgefunden, dass dies die einzige Art ist, wie meine Songs überleben können", verrät Timothy geheimnissvoll, "Wenn ein Song nicht von mir selber handelt, kann ich ihn auf die Länge nicht spielen. Das bedeutet mir dann nichts..." Nur so kann man auch - finde ich der Schreiben, wenn nicht als Striptease, so doch als entwaffnend ehrlich betreibt (siehe Anfang...) - wirklich ehrlich zu den Leuten sein. Von sich selbst ausgehend, ohne dass das nun egozentrisch sein muss. "Für mich ist es auch immer ein Lernprozess", meint Timo und erklärt, "ich lerne etwas über mich selbst und kann dabei Hand in Hand einen Song schreiben." Praktisch arrangiert ist er also auch noch, unser Herr Jaromir...
Musiker und Schriftsteller - oder von beidem ein bisschen... - Timothy Jaromir
Unsere gemeinsame Aufarbeitung der Jaromir-History ist damit nahe der Gegenwart angelangt. Ich fokussiere auf die neuen Songs auf der kanadischen EP, die ich auch noch nicht gehört habe. Ich schätze mal, dass heisst, dass sie noch nicht erhältlich sind... Wenn Timothy mir sagt, sie seien ganz anders, dann meint er einerseits wohl die Musik, andererseits auch den Rhythmus der Produktion, wie er ja oben erwähnt hatte. "Neu war wirklich das Tempo. Diese EP kam raus wie eine Kannonenkugel...", grinst er, "Es war zwar nicht geplant, aber sie ist ein bisschen Kontrastprogramm zur vorherigen CD. Es hat sich in Toronto so ergeben. Christina kannte den Produzenten auch schon und stellte mich ihm vor. Er mochte meiine Songs, hat mir eine Band mit vier Roots-Musikern hingestellt und dann haben wir die vier Songs aufgenommen. Das entstand sehr spontan und fühlte sich irgendwie natürlich an." Insbesondere mit weniger Denkprozessen, hake ich unnachgiebig der Präzisierung verpflichtet nach und kriege meine Antwort in einem Kopfnicken und einem ganz leichten Seufzer. Timo fühlt sich offenbar verstanden und ich will ja nicht meinen - aber auf dem Level passiert uns das Beiden nicht alle Tage...
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