Toni Vescoli im Zytraffer
Text: Monthy
Bilder: Eve/Michaela
Wo wären wir Schweizer soundmässig heute, wenn es die Sauterelles damals nicht gegeben hätte? Die "Swiss Beatles", die ich selbst nur vom Hörensagen kannte. Das heisst, seit der Reunion 1990 kann ich sie mir sogar wieder live anhören und erst kürzlich haben sie es mit ihrer Version des "Paperback writer" auf dem rätoromanischen Beatles-Sampler Lain Fabular in Sachen Beat wieder allen gezeigt. Trotzdem fehlt mir da ein Stück... Wo wären wir Schweizer soundmässig heute ohne Polo´s "Memphis" (Lou Reed), Kuno´s "Lue zersch wohär das dr Wind wäit " / "Take a walk on a wild side" oder ohne Sina´s "Son of a preacher man" Pfarrerssohn? Und wer hat eigentlich damit angefangen?
Einer der es wissen müsste, nimmt im Radiointerview unserer Sendung vom 5.9.05, 8 - 10 pm Radio Emme (siehe Rubrik Radio), Stellung: Toni Vescoli. Waren seine Songübersetzungen von ursprünglich englischen Songs, vornehmlich solche von Bob Dylan, die ersten? "Wie nes Blatt im Wind" von "Like a rolling stone" oder "Chlopfe as Himmels Toor" zeigen jedenfalls die ganz typischen Merkmale auch heute noch vorherrschender Art, berühmte Songs in eigener Sprache umzusetzen. Am Radio werden - soviel sei verraten - "Freiheitsglogge" läuten, ebenfalls ein Dylan-Song ("Chimes of Freedom").
Den Wechsel der Zeiten hat Toni Vescoli allerdings mitbekommen. Nach den Sauterelles und einigen Lern- und Wanderjahren fand sich seine Band Vescoli & Co und auch wenn sich das Line Up dort immer wieder ändert und einige Leute da draussen die Hartnäckigkeit des ´alten´ Mannes im Missverständnis sogar belächeln mögen, ist Vescoli ständig mit seiner Musik unterwegs und geht darin offensichtlich richtiggehend auf. Jedenfalls war dies mein Eindruck und sollte Toni mir das nur vorgespielt haben, müsste ich mich ja richtiggehend geehrt fühlen. Weitere Themen im Interview: vom Elvis Hüftschwung über Leute, die besser sind als Vescoli bis Tegsass.
Toni Vescoli ist nicht mehr der wilde Kerl, der er sicher mal war. Am Thunfest holt mich ein eleganter älterer Herr mit zum Zopf zusammen gebundenen mittlerweile halt auch ergrauten Haaren ab. Wir stellen uns für die Fotografin zurecht und legen los. Obwohl mein Respekt vor Vescoli seinem Rang und der seit 1958 andauernden Präsenz in der Szene wegen beträchtlich ist und er mich und meine Art zu fragen nicht kennt, flutscht es von Anfang an. Toni weiss ohne Denkpausen genau wann reden und was sagen und wenn er geendet hat, dann hat er das und ich hab´s gemerkt und bin wieder dran. Keine Nachsätze oder Verirrungen, dafür reine Abgeklärtheit und eine für mich unglaubliche Erfahrung in solchen Dingen.
So lerne ich Toni Vescoli innerhalb rund einer Viertelstunde kennen und bin tief beeindruckt. "Hey Baby, was isch los...", sage ich in den Worten von Tonis vielleicht grösstem Radiohit seit den "Heuschrecken" und vielleicht angesichts dem Wechsel der Zeiten überhaupt, leicht ironisch zu mir selbst, nachdem Maestro Vescoli mir seine CD Zytraffer ausgehändigt hatte und sich anschickte, den Thunern auf dem Rathausplatz zu zeigen, wer den Rock´n´Roll im Blut hat. Der oben genannte Song übrigens die zweite musikalische Darbietung des Vescoli-Interviews am Radio.