20 years hoch 3 am Trucker- & Country Festival Interlaken
Text/Bilder: Piggy
Das Trucker- & Country Festival in Interlaken erfährt bei seiner 14. Austragung wie immer Wetterglück und hat dieses an 50'000 Trucker, Biker und Countryfans weitergegeben. Musikalisch versüsst wurden diese Tage durch internationale Stars wie der Stieftochter Johnny Cash's oder den Rock'n'Rollern des Country, The Bosshoss aus Berlin. Carlene Carter, die junggebliebene Lady des Genres, setzte am Freitag im Festzelt einen thematischen Gegenpol zu den Jungen Wilden in den weissen Unterleibchen. The Bosshoss begeisterten mit einer energiegeladenen Show und überzeugen mit Songmaterial von Eminem oder Britney Spears in knackig neuer Form. Weitere Szenegrössen präsentierten sich traditionell oder neuartig am Festival der Cowboyhüte - Augie Meyers, die Los Texmaniacs, Heather Myles, The Bellamy Brothers sowie die tschechischen Country Sisters, letztere mit 30jährigem Jubiläum und Einsätzen an allen drei Tagen...
Es gab also einiges zu hören - und einiges zu sehen: Abgezählte 1546 Trucks und etwa 6000 Motorbikes füllten die Rollwege des Flugplatzes Interlaken, der es zwar gewohnt ist, dass viel los ist und der doch selten so erschüttert wird wie von den mächtigen Reifen der Lastwagenkonvois, die sich den Thunersee entlang nach Interlaken schleichen, um dann dort drei Tage und Nächte lang als wohnliche Bleibe für den stolzen Besitzer zu dienen. Grills auf der Ladefläche sind auf den ausgedehnten Truck-Parkflächen die Regel und es heisst, der eine oder andere bemühe sich gar nie aufs Gelände. Dass er schon nur im Westerndorf viel verpasst, muss man dem dann wohl nicht erzählen. Und das hab ich auch nicht. Auf dem Gelände umher flaniert und mir die Bikes angesehen hab ich allerdings. Dass ich dabei ebenfalls einige Blicke auf mich gezogen haben soll, lag sicher an meiner Fotografin. Ich hab mir aber auch Mühe gegeben mit dem Outfit. Eine Fotostrecke findet ihr auf www.schweinis.ch unter folgendem Link:
Weitere Highlights gab's im Westerndorf, das bereits für eine Handvoll Dollar betreten werden durfte. Die kanadischen Singer- Songwriterinnen Madviolet nahmen die Gelegenheit wahr, mir beim Wiedersehen von ihrer Schweizer Tournee zu erzählen, die herzallerliebste Truppe der Country Chicks standen Mel Rede und Antwort. Dazu kommen Rickenbacher und Double Trouble, die Ex-Musicstar Carmen Fenk zu einem Gastauftritt mit nach Interlaken brachten, in Artikeln zu Wort (siehe News). Das Trucker- & Countryfestival bot vom 29. Juni bis zum 1. Juli Countrymusik und anverwandte Stile von so-wie-es-sein-soll bis noch-nie-gehört. Genauso gemischt wie das Publikum präsentiert sich ein Stil der Tradition gegenüber genauso verpflichtet wie der Erneuerung. Es gab also viel zu entdecken - von der Red Rock Country Band über Paul Camilleri bis hin zur vierfach Grammy nominierten Lynn Marie und ihren Boxhounds. Trucker- & Country Festival, hab ich gemerkt, ist dann, wenn ich einen Song auswendig mitsingen kann und ihn trotzdem nicht erkenne. So geschehen bei einer Bluegrass Version von "Paradise City"...
Unter spezieller Beobachtung standen am Samstag auch noch drei Bands, die genau das sind, was eigentlich alle am Familienfestival irgendwie auch gerne schon oder wieder sein würden - 20 Jahre alt! Die Jubilaren gaben sich den ganzen Samstag Nachmittag über die Klinke auf Bühne 1 in die Hand und unterhielten das gutgelaunte Publikum mit traditionellem Country und Blues und insgesamt 60 Jahren Bühnenerfahrung. Country Musik scheint allerdings ein wahrer Jungbrunnen zu sein. Und vom Herr traditionell mit Schönwetter gutgeheissen. Woran vielleicht auch der Pfarrer des friedlichen Westerndorfes nicht unschuldig ist. Amtsinhaber Claude Hämmeli ist selbst seit 37 Jahren Harley Davidson Fahrer und unter den bärigen Bikern breit akzeptiert. Probleme kennen weder er noch der tatsächlich gesehene Sheriff...
Cherokee, der erste der drei "20 years" Jubilaren begrüsste am Samstag um elf ein ausgeschlafenes Publikum mit traditionellem Country & Western. Die 1987 von Mike Bucher gegründete Band aus dem Bernbiet gibt freimütig zu, schon etwas angegraut zu sein. Das zahlt sie dafür mit Spielbeherrschung und seelenvollem Spiel zurück. Der Bandgründer und -leader, der schon ein bisschen wie eine lebende Legende aussieht, hat seine Gesangskünste noch "in den wilden Sechzigern" erlernt. Fürs Frühstück unter Cowboys und -girls genau das richtige. Sei dies nun ein Truckersteak oder ein simpler Kaffee. Cherokee präsentiert sich im Jubiläumsjahr ganz bewusst im traditionellen Gewand und liess einfachen "good ole Country" über das Oberland erklingen.
Der zweite Jubilar New Country Rain musste zwar "nur zwei Stunden" reisen, um vom Genfersee nach Interlaken zu reisen, besang aber lieber "Six Days on the Road" und zwar im Stil des New Country. Manager Bill hatte zuvor seit den 70er Jahren in der Region Lausanne - Genf Country Bands wie "Bluegrassouillets" oder "Captain Bill Goody & the Tennessee Peanuts" mitbegründet, wurde aber erst bei Brigitte sesshaft, der "Goldstimme mit Feenfingern", beim gebürtigen Franzosen Pierre-Yves am Bass, dem Country-Gitarristen Fred, der massgeblich zum authentischen Ton der Truppe beiträgt und beim Schlagzeug und Sänger Roger, genannt "Roro", der Anfang 2000 zur Band stiess.
Den Abschluss des 20years-Specials am Trucker- & Country Festival machte unter der prallen Sonne des jederzeit freundlich bleibenden Samstags dann Andy Martin mit seiner Band. Andy, ein "sicherer Wert der europäischen Country Music Szene hat seine Kunst schon in Länder wie Dänemark, Ägypten, Spanien und Japan getragen Und er hat natürlich in der Heimat der Country Music gespielt. Natürlich in Nashville. Das gehört sich einfach so im Country und Andy Martin pflegt Freunden von traditioneller Country Musik zu geben, was deren Herz begehrt. Dafür stehen auch seine zahlreichen "European Country Awards" und vor allem sein aktuelles Album "Honky Tonk Downstairs" vom Frühling dieses Jahres, das er den Interlaknern ziemlich taufrisch zum 20jährigen der Band zum Geschenk machen konnte.
Damit gaben die glorreichen Sieben, nein, ich meine das dreckige Dutzend oder die drei Musketiere die Bühne wieder ihren - teilweise - jüngeren Kollegen und Kolleginnen zurück. Das muntere Treiben zwischen Ringelreihen, genannt Line Dance und in der Country Szene so angesagt wie einst Maccarena in der Disco, einem Bierchen, Motorenlärm - am Freitag Abend als Höhepunkt im Rahmen der BMW Motorbike Stunt Show mit Streetbike Freestyle World Champion Chris Pfeiffer, ging am Sonntag nach dem Gottesdienst erwartet friedlich und sonnig zu Ende. Oder Fast. So ein kleiner Warnfinger in Form eines Sintflut-Schauers gab's am Sonntag um vier schon noch. Vielleicht als kleine Erinnerung, dass dann ja alle wiederkommen im nächsten Jahr...