Trummer ist jetzt Trummer
7.3.2011/Text: Ko:L, Bilder: ckphoto.ch
Plötzlich muss er wieder erklären, dass seine Konzerte nicht zwingend ruhig, intim und träumen anregend sind. Trummers fünftes reguläres Studioalbum, das dritte in Mundart, heisst „Fürne Königin“ - und es ist zweifellos Trummers bisher lautestes Mundartalbum. Als er 2007 „Im Schatte vo däm Bärg“ veröffentlichte, war der Berner Oberländer, der sich mittlerweile in der Hauptstadt ein schönes Nest gebaut hat, vor allem auf eines tunlichst bedacht: Nicht mit Huber, Lauener und all den anderen Mundart-Grössen in einen Topf geschmissen zu werden. „Ich glaube, mittlerweile ist Trummer so Trummer, dass mein Sound als eigenständiger Sound wahrgenommen wird“, erklärt der Songwriter. Gleichzeitig hat er feststellen müssen: „Die Fragen nach Huber und Lauener werden trotzdem gestellt.“ So kommt es, dass „Fürne Königin“ tatsächlich jenes Trummer-Album ist, das am meisten Trummer ist: Mit einem unglaublich feinen Gefühl für Worte, Sätze und Gefühle erzählt Trummer seine Geschichten in Berndeutsch, und komplettiert sie heute nicht nur mit intimen Sounds fürs Wohnzimmer, sondern auch mal wieder mit sperrigem Indie-Rock, den er in seinen englisch gesungenen Anfangszeiten so stolz zelebriert hatte.
„Neon Liecht Meitschi“ ist der Konsequenteste von allen, stampfend mit Disco-Attitüde und trotzdem kiloweise Dreck zugleich. „Es scheint tatsächlich, als werde der Graben zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit gerade in der Musik immer tiefer“, sagt Trummer im Talk vor dem Konzert – in anderem Zusammenhang zwar, aber trotzdem ist offensichtlich: Das Mädchen, dem man nicht ansieht, ob der Glanz unter den Augen von Tränen oder Schweiss stammt, steht sinnbildlich für die eine Welt, in der immer mehr Leute tun, was sie eigentlich nicht möchten, sich aber dagegen nicht wehren können. „Chunnt scho guet“ hatte Trummer seiner Busenfreundin Jenä auf dem letzten Album „Dr ganz Wäg zrügg“ noch vorgeheuchelt. „Gschyd wär anders“ erkennt er in Jenäs nächster Geschichte auf „Fürne Königin“ - und gesteht: „Es ist gut möglich, dass Jenä zu einer treuen Begleiterin auf kommenden Alben ist.“ - „Weisst du“, fährt Trummer fort, „sie steht halt auch dafür, dass wir alle älter werden und sie spricht Themen an, die uns heute beschäftigen, früher aber noch völlig egal waren.“ Freunde mit Kindern und Familie zum Beispiel...
Älter ist nicht nur Mensch und Zuhörer-Freund Trummer geworden, älter ist auch Musiker Trummer geworden. „Stimmt“, erwidert er auf die Aussage, nach fünf gehöre er auch schon bald zur alten Schweizer Songwriter-Garde, „an den Open-Mics, wie ich im Kairo in Bern organisiere, stellen mir immer öfter junge Musiker jene Fragen, die ich einst den alten Hasen gestellt habe.“ Allerdings stelle er fest, dass Musiker, die heute an ein Open-Mic gehen, dies nicht selten aus anderen Beweggründen tun, als das früher der Fall war. „Als ich anfing, geriet die Musikindustrie gerade erst leicht ins Schaukeln. Mittlerweile wurde sie in ihren Grundfesten erschüttert. Wer mit Gitarre und Mikrofon in ein Restaurant steht, um zu singen, tut das nicht mehr, weil er reich werden will, sondern weil er sich selber und seine Musik leben will“, ist Trummer überzeugt. „Wer gross rauskommen will, geht von Anfang an in eine Castingshow.“ Und so gräbt sich der Graben zwischen ehrlichem und handgemachten Sound, wie ihn nach Trummer auch in der Schweiz mittlerweile schier unzählige machen, und schillerndem Star-Appeal immer tiefer...
Und während er über Kunst und Künstlichkeit sinniert, sagt Trummer: „Ja, ich habe mir in Bern ein Nest eingerichtet, in dem mir wohl ist. Ich wohne lange wie schon lange nicht mehr am selben Ort und habe zum ersten mal seit langem wieder einen Job, der mir wirklich Spass macht.“ Vielleicht ist das der Grund, warum er sagt: „Ich habe schon ein paar Ideen, was nach 'Fürne Königin' kommen könnte – aber so richtig konkret ist gar nichts.“ Früher hatte er nicht selten den Rucksack schon wieder voll mit neuen Liedern, kaum ein Album in den Läden. „Ich freue mich, den Leuten die Lieder zu zeigen und mit der Band Gas zu geben“, sagt Trummer. Und wer weiss: Vielleicht entdeckt ja sogar der eine oder andere Festival-Booker den Berner und seine neu gefundene Liebe zu sperrigem Indie-Rock für seinen Event. Und wenn nicht? Dann muss er damit rechnen, dass er Trummers Zorn auf sich zieht... Nie hat Trummer nämlich „Nöch“ wütender und geladener interpretiert, als er es auf der aktuellen Tour tut. Und wer weiss: Vielleicht bringt uns Album Nummer sechs auch noch den wütenden Trummer.