William White - der Soul Rider will: "Etwas zurückgeben"
8.8.2011; Text/Bilder: Monthy
Wer momentan öfter mal Radio hört, dem wird William White's "Soul Rider" etwas sagen. Der nationale Sommerhit - neben 77 Bombay Street's "My own town" - hat etwas von Bob Marleys "Buffalo Soldier" - und auch der Künstler hat etwas von Bob Marley, nämlich ein bisschen das Aussehen und ein bisschen die Herkunft. Nichtsdestotrotz ist "Soul Rider" für mich ein typischer White-Song. "So überlege ich mir das jeweils gar nicht...", meint dieser auf meine Einstiegsfrage lapidar. Typisch ist der Song besonders deshalb, weil er eine urbane Sehnsucht nach Natur und Freiheit ausdrückt - und weil William dieses Motto ganz besonders lebt, seit er vom städtischen Winterthur in die Idylle des Berner Oberlandes gezogen ist. "Diese beiden Dinge stammen tatsächlich aus der gleichen Quelle", bestätigt William und führt aus, "Ich mag die Stadt nicht mehr sehen, will meine Kinder nicht mehr dort in die Schule oder zum Spielen auf die Strasse schicken. Und wenn man das dann mal verinnerlicht hat, fängt es an, sich auf das ganze Leben auszuwirken. Es ist also nicht nur spezifisch dieses Lied, sondern der Moment ist ganz generell von diesem Umzug beseelt."
Und wenn wir schon beim Thema "urban" sind - ist William eigentlich Teil dieses musikalischen Trends oder ist er eben gerade das Gegenteil? - William: "Ich weiss es nicht... Ich halte mich von solchen Labels allgemein fern. Man sieht anhand des Beispiels 'Indie' ja, dass die Inhalte sich ständig ändern. Früher hiess es independent, heute besteht es zu grossen Teilen aus Rockgitarren... Für mich geht es beim ganzen Labelling darum, dass man möglichst nicht darüber diskutieren muss, sondern einen Kleber dran machen kann. Deswegen zähle ich mich eigentlich zu gar keiner Bewegung. Ich mache einfach meine Musik und überlasse das Kleben den anderen..." Und wie er seine eigene Musik macht - mehr denn je. Mit dem Umzug ins Berner Oberland schaltet William nämlich total auf musikalischen Selbstversorger um. "...wobei ich das irgendwie schon immer gemacht habe. Auch als ich noch in der Stadt wohnte, habe ich meine Songs praktisch im luftleeren Raum eingespielt. Ich habe da jeweils sehr wenig zusätzliche Musiker dabei, weil ich das irgendwie so gelernt habe. Vielleicht weil ich viel unterwegs war. Wenn ich dann gewartet hätte, bis ich jeweils wieder die richtigen Leute an einem neuen Ort kennen lerne, wäre ich heute noch am Anfang. Das habe ich aber nie als Ausrede gelten lassen und mir deshalb eine Selfmade-Attitüde zugelegt."
Jetzt geht das Ganze aber noch einen Schritt weiter. Denn im Berner Oberland steht neben dem Haus der White's auch noch ein alter Zirkuswagen - und der beherrbergt Williams Studio. "Für mich geht das halt über Alles hinweg - meine Musik definiert auch meinen Lebensstil und mein Schaffen. Ich kann nicht so reden und anders sein. Erst wenn alles zusammen passt, habe ich die grösstmögliche Ballung meiner Kräfte. Das mag ein bisschen aggressiv tönen, aber ich bin halt nun mal das einzig Spezielle, das ich zu bieten habe..." Die Entwicklung entbehrt nicht einer gewissen Logik. Schon die Geschichte, wie William zu seinem Debutalbum kam, ist fast zu lebensecht, als dass man sie im heutigen Business noch glauben dürfte. (nachzulesen unter http://www.trespass.ch/Web/de/Bands_A-Z/W/William_White/William_White_Vom_Sozialfall_zum_Star_in_einem_A.htm) - William White kann ganz einfach nur authentisch. Und das wird jetzt besonders wichtig. Denn White steht ganz kurz vor dem nationalen Durchbruch - wie beispielsweise eine Filmequipe von Glanz&Gloria beweist, die sich am Festival Schaffhausen hartnäckig an Williams Fersen heftet. Befürchtungen, dass seine Art und das Noch-bekannter-Werden Probleme mit sich bringen, hat er aber nicht: "Es ist ganz wichtig, dass die Leute eines begreifen: Was du fürchtest - unangenehme Situationen, Querschläger, nicht cool genug zu sein usw -, hemmt dich auch. Dabei liegt genau hinter diesen Mauern das Wichtigste. Das funktioniert aber nur, wenn du echt bist. Es hat ein bisschen was von Sesam-öffne-dich - ohne das Zauberwort - oder in diesem Fall die richtige Einstellung - bleibt dir die Welt hinter den Toren verschlossen." Auf die aktuelle Stiuation bezogen heisst das ganz einfach: "Wenn ich Glanz&Gloria ein Interview gebe, dann so wie ich das halt mache. Wenn ihnen das nicht passt, dann fragen sie kein zweites Mal - wenn sie es mögen, dann kommen sie wieder..."
Diese Lockerheit ist jemandem aus Barbados halt wohl einfach angeboren, könnte da ein Schweizer nun leicht neidisch feststellen. Oder würde er sich dann auch nur hinter einer Mauer verstecken, wie William vorher dargelegt hatte? - "So würde ich das nicht sagen. Jeder hat fürs Leben seine Karten erhalten. Auf dem Weg gibt man einige ab, andere holt man sich dazu. Es ist ein bisschen wie ein Kartenspiel. Was ich bin, wurde ich durch meine Erlebnisse und nicht nur durch meine Herkunft oder meine Rasse. Das sind alles Steinchen eines ganzen Mosaiks. Wichtig ist zu merken, was deine ganz persönliche Aufgabe hier sein könnte. Man muss seine Karten dann auch ausspielen. Auch Schweizer haben in vielen Hinsichten Glück. Sie wachsen beispielsweise fast behütet in einem soliden, sauberen Land auf. Ich finde, man vergisst tendenziell die eigenen Vorteile sehr schnell in diesen philosophischen Vergleichen."
Im Gegensatz zum Sport, nimmt die Musik weniger für sich in Anspruch, einen Beitrag zur Integration von Ausländern zu leisten. William White allerdings ist vollkommen gelebte Integration, ein wahres Musterbeispiel. Und weil auch seine Ansichten wie sein Schaffen ganzheitlich sind, holt er zum Thema ein wenig aus: "Sagen wir es mal so: Wirtschaftler sind ein doppelzüngiges Volk. Denn einerseits leben wir alle in einem globalen Dorf, solange es ihren Interessen dient. Aber wehe, ein anderes Volk sollte einen Vorteil aus seiner Situation ziehen oder ein Mensch sollte seine andere Meinung hier einbringen - dann wird man plötzlich rechts. Sie nennen das ihre Freiheit... - Reden wir über Integration, aber nicht indem wir das Thema zu Tode diskutieren. Sondern nehmen wir stattdessen mal den Finger raus. Die Mehrheit der Schweizer weiss aber nicht einmal, ob ihre politische Vertretung Immunität geniesst oder nicht. Und wenn man sich nicht einmal für das eigene Land interessiert, dann geschweige noch fürs Ausland. Man muss die Leute wieder dazu animieren, sich für ihr Land zu interessieren - oder noch besser: für die Menschen in ihrem Land." Oder für seine Musiker, drängt sich mir ein Quervergleich auf, womit wir von der Politik wieder zur Kultur zurück wechseln.
Es war ein Filmemacher, der uns darüber informierte, dass einer oder zwei von White's Songs als Soundtracks von Independent-Filmen in den USA eingesetzt würden. Das Thema will ich zwar nicht vertiefen, aber doch einen Satz, den unser Informant verwendet hatte. Er meinte, William White sei dafür was er könne und was er mache in der Schweiz einfach nicht bekannt genug. Das mag sich Glanz&Gloria sei Dank vielleicht bald ändern, aber vorher konfrontiere ich den Künstler selbst noch mit der Aussage. Der reagiert wieder einmal durchaus eigen: "Ich habe dahingehend keine Wünsche. Mein Traum hat sich eigentlich schon erfüllt. Dass ich als kleiner Barbadian-Junge hierher kommen durfte und man mich genauso unterstützt, aber auch kritisiert hat wie einen Schweizer - der ich übrigens schon auch bin - dass ich Musiker werden durfte und eine tolle Familie gründen konnte. Dass das alles geklappt hat, ist mehr als ich erwarten durfte. Es ist nun an der Zeit, etwas davon zurück zu geben und das Rad umzudrehen. Jetzt, wo ich jemand bin, kann ich etwas sagen und damit zum Positiven beeinflussen. Es ist mir also überhaupt nicht wichtig, noch bekannter zu werden. Ich bin froh, wenn ich in irgendeiner Schweizer Stadt herum laufen kann, ohne dass man mich erkennt. Auf der anderen Seite möchte ich einfach so bekannt sein, dass ich auftreten und weiter an meiner Musik arbeiten kann." - Und dank seiner Musik kann William die Leute auch gefühlsmässig an seinem Glück teilhaben lassen - das ist der wahre "Soul Rider" und vielleicht trotzdem bald ein Star...