Shirley Grimes - Schörli rocks

Text: Sly
Bilder: MonthyChristo
Eigentlich wollte ich mir ein gemütliches Wochenende ohne grosse Töne auf dem Balkon gönnen. Ein paar alte CD‘s ausgraben wie z.B. Van Morrison’s "Veedon Fleece" (1974!!), Joni Mitchell‘s "Hejira" oder Joan Armatrading‘s Album mit dem überwältigenden "Down to Zero" (beide 1976!). Eine gute Flasche Wein, starker Sound – rundum ein freudiges Ereignis für die Rocktante! Aber ausgerechnet an diesem Wochenende findet das kleine, feine Woodrock Openair auf der Moosegg im Ämmitau statt. Genau an diesem Wochenende ist auch Shirley Grimes dabei. Verflixt, sie will sogar mit mir über sich und die Welt tratschen... ok, bin ja schon unterwegs... Auf den beiden Bühnen in der kleinen Waldlichtung gaben während zwei Tagen Acts wie Favez, Bündnerflaisch, Ray Wilko und Greis & Baze den Ton an. Aber als die Stagelights auf die rote Lockenpracht von Shirley Grimes fallen ist ganz klar, dass sie ihr eigenes Ding macht, und das ist gut so. Mit ruhigen Balladen, keltischen Folkeinflüssen und rockigen Tönen macht es der seit 14 Jahren in der Schweiz lebenden Irin deutlich Spass auf der Bühne zu stehen. Im Backstage-Interview erzählt sie uns, wie es sich als Singer/Songwriterin so lebt...
Shirley Grimes aktuelle CD «Inside» wurde vor eineinhalb Jahren aufgenommen. Gerade nachdem ich Shirley jetzt zum ersten Mal auf der Bühne erlebt habe, scheint mir, dass ihre Stimme erst live richtig zum Ausdruck kommt. Shirley stimmt mir zu und erklärt, dass sie sich seit den Aufnahmen enorm weiter entwickelt hat und jetzt ganz einfach besser ist. «Dies hat natürlich auch mit meinem persönlichen Wachstum zu tun, welches die Musik stark beeinflusst», erklärt die in der Stadt Bern ansässige Musikerin. Shirley’s Musik entsteht "organisch". Sie schreibt ihre Songs alleine, nur mit ihrer Gitarre als Begleitung bevor sie von ihrer Band bearbeitet und arrangiert werden. «Das Grundgerüst verändert sich aber meistens nicht stark», betont Shirley. «Die Band existiert seit dreieinhalb Jahren und wir haben in dieser Zeit ein gutes "Gschpüri" füreinander entwickelt - da muss ich nicht mehr viel dreinreden» verrät sie, «es passiert fast von selber».
Sich zum Weitermachen zu motivieren ist nicht immer einfach. Shirley frägt sich manchmal, ob es jetzt wirklich noch weitere Songs brauche, weil es doch schon so viele gute Lieder gibt. «Aber ich erlebe immer wieder Phasen, wo ich alles in mich herein ziehe und diese Eindrücke kann ich dann durch das Songwriting wieder verarbeiten. Dies passiert immer in Schüben, manchmal habe ich einen ganzen Monat lang nur "Hunger" zum Schreiben». Shirley gibt aber zu, in dieser Hinsicht zur Diva geworden zu sein. «Ich schreibe nur, wenn ich dazu Lust habe, aber wenn es nicht "fägt", lasse ich es lieber sein». Ich spreche Shirley darauf an, dass sie während dem Gig den amerikanischen Präsidenten George W. Busch erwähnte und den Song "Superficial" ihm und seinen umstrittenen Machenschaften "widmete". Ist Politik bei Shirley Grimes ein Thema? «Nicht ein riesiges, aber es kommt immer wieder vor», erklärt Shirley. «Der Song "Superficial" entstand gerade nach 09/11 und war natürlich ein ganz heisses Thema. Natürlich habe ich meine Meinungen, bin aber nicht genug informiert um auf der Bühne politisch etwas im grossen Rahmen zu vertreten». (Auszug Text: "Oh the land of freedom with the snow white vest, hiding thousands of bloodstains upon your chest. - Oh das Land der Freiheit mit der schneeweiss reinen Weste, versteckst das Blut von Tausenden auf deiner Brust.") Shirley glaubt nicht an den Song, der die Welt verändern wird. Sie glaubt aber, dass Musik die Menschen berührt. «Die Leute muss man nicht verändern oder ihnen etwas beibringen wollen», meint sie dazu «ehrlich zu sein ist wichtiger und wird von den Leuten auch wahrgenommen».
Drehen wir das Rad der Zeit etwas zurück. Shirley kam vor vierzehn Jahren in die Schweiz und fing zu diesem Zeitpunkt mit Songwriting an. Sie erzählt, dass sie sich vorher nur aufs Singen beschränkte, weil sie sich das Schreiben nicht zutraute. «Plötzlich war ich aber nicht mehr nur Sängerin, sondern ein Singer/Songwriter, welches mir auch immer wichtiger wurde. Sich zu positionieren und etwas aufzubauen war zum Teil sehr hart. Das Musikgeschäft ist eigentlich ein kaputtes "Drecksgeschäft” und manchmal will man da einfach gar nicht mitspielen, aber aufhören kann ich trotzdem nicht», sagt sie lachend. «Natürlich wäre es auch schön berühmt zu werden, aber wichtiger ist es mit den Leuten meine Musik teilen zu können». So konnten Shirley Grimes und ihre Band letztes Jahr ganz phantastische Sachen erleben wie z.B. als Vorband ihres weltbekannten Landsmannes Van Morrison, der amerikanischen Künstlerin Bonnie Raitt sowie Salomon Burke auftreten zu können. «Ich fühlte mich durch dies sehr bestätigt. Ich konnte einfach auf der Bühne stehen und mich stolz darüber fühlen, dass kann man nicht immer sagen... manchmal ist man für grössere Sachen noch nicht bereit - aber jetzt bin ich wirklich dort angelangt, wo ich sein will und ich habe auch auf den grossen Bühnen Spass», erzählt Shirley.
Der Grund für Shirley‘s erste Reise in die Schweiz war auch am heutigen Konzert. Die Dame aus Langnau lernte Shirley in Irland kennen. Prompt folgte Shirley ihrer Einladung und lernte beim ersten Besuch auch gleich ihren ersten Schweizer Bassisten kennen. Dort fing eigentlich alles an... Shirley Grimes stammt aus County Clare, welches an der wunderschönen Südwestküste Irlands liegt. Warum bleibt sie eigentlich in der Schweiz? «Bis vor etwa vier Jahren war Irland für mich "Zuhause", jetzt ist es die Schweiz... eigentlich kann man überall dasselbe finden, klar gibt es hier uncoole Sachen, aber die Liste ist mindestens gleich lang, wenn nicht noch länger in anderen Ländern. Hier habe ich gute Leute und gute Musiker». Wen findet Shirley stark? Sie mag Greis, der gerade im Hintergrund auf der Woodrock-Bühne rappt, den Berner Troubadour Chlöisu Friedli und natürlich Mani Matter. Patti Griffin lief bei ihr ein Weilchen häufig, Faith, Joni Mitchell, Kate Bush, Tori Amos. Shirley mag auch Pop wie z.B. Coldplay und Oasis, ist aber im Herzen ein Hippie geblieben und steht ganz fest auf Donovan, Led Zeppelin, Janis Joplin etc.
Es kommt leider nicht häufig vor, eine gitarrenspielende Sängerin auf der Bühne zu sehen. Wie lange hat Shirley gebraucht, um das zu beherrschen? «Richtig gut geht erst seit einer Woche», sagt sie lachend... «nein, natürlich habe ich das schon immer gemacht aber mich vielleicht dabei nicht so wohl gefühlt... aber man sieht es sehr selten, gerade in der Schweiz. Ich spiele unheimlich gerne mit der Band aber zu wissen, dass ich auch solo Sachen machen kann, ist mir extrem wichtig und das Gefühl gefällt mir». Zukunftsmusik? Shirley braucht einen Schluck schottischen Single Malt Whisky, bevor sie diese Fragen beantworten kann. «Es wird hektisch», verrät sie und zwar ist sie von den Lovebugs eingeladen worden, beim neuen Unplugged Album auf zwei Songs mitzusingen, diese werden schon nächste Woche aufgenommen. Dann macht sie mit Roland Zoss eine Berndeutsche Kinder-CD und dann eine Scherbe mit Simon Hohstettler. Alles in den nächsten drei Wochen... Im November/Dezember folgen ein paar Gigs und dann wieder langsam ins Studio um nächstes Jahr eine neue CD zu veröffentlichen.
Ich muss unbedingt wissen, warum Shirley so gut "Bärndütsch" kann... Sie macht nicht gerne Fehler und spricht daher kein Wort Französisch, gesteht sie mit einem Augenzwinkern. «Drei Jahre lang sagte ich kein Wort auf Berndeutsch, ich habe nur zugehört. Mein erstes Wort war "Ärdbeerimiuchscheik", weil ich unbedingt eines wollte und meine Begleitung wollte es nicht für mich bestellen... im Gälischen gibt es die Laute "ch" und das rollende "r" auch, deshalb können wohl so viele Schotten und Iren sehr gut Berndeutsch». Ist Shirley Grimes in Irland auch ein Thema? Mit 16 fing sie an in einer traditionellen Band in irischen Pubs zu spielen bevor sie dann solo auftrat. «Irland ist ein hartes Pflaster und die Iren sind einfach zu verwöhnt in dieser Hinsicht», erklärt Shirley. «Die Herzlichkeit von den Iren vermisse ich jedoch extrem, die Tür ist immer offen... es gefällt mir, irgendwohin gehen zu können ohne zwei Wochen vorher etwas abmachen zu müssen... die Schweizer haben sicher auch Herzlichkeit aber leben sie nicht so sehr wie die Iren. Vielleicht müssen sie da zuerst ihre Hemmungen verlieren... »
Persönlicher Steckbrief (sehr abgespeckt, weil die Rocktante ein paar Fragen verschlampt hat...)
Schuhgrösse: 39
Augenfarbe: grün
Haarfarbe: unübersehbar rot
Klamotten: weite Sachen, zur Zeit ihr erstes massgeschneidertes Kleid, welches sie gerade trägt...
Lieblingsort: Eigenes Bett und Amsterdam (ihre Eltern sind seit zwei Wochen auf Besuch und Shirley sehnt sich nach ihrem Bett!)
Lieblingsdrink: 12-16 jähriger schottischer Whisky
Du darfst 3 CD’s auf eine einsame Insel mitnehmen, welche? Beatles: "White Album”, eine klassische Kollektion, meine aktuelle CD "Inside”.
Wo fährst Du mit einer Zeitmaschine hin? Ganz sicher nicht zurück, würde wahrscheinlich genau wieder denselben "Schiissdräck" anstellen. Würde eventuell jemand anders schicken (die Rocktante schlägt die Eltern vor, damit Shirley wieder ihr Bett hat...), bin in der Gegenwart sehr zufrieden.
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