Wurzel 5: Das beste zum Schluss

Text: Ko:L
Bilder: musicbild.li
Sonntag, 12 Uhr mittags ist am Openair Gampel früher Morgen, und sicher nicht die Zeit, die das Festivalpublikum am meisten schätzt. Denn die Party war lange und heftig. Und bestimmt sind auch die Berner Rapper Wurzel 5 keine leidenschaftlichen Frühaufsteher. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – schaukelten sich die beiden Parteien – Band und Publikum rasch gegenseitig auf. Und zwar hoch hinauf. Das Gelände vor der Bühne zwei in Gampel war bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Sprechgesangs-Vierer die Bühne betrat, um das Publikum auf eine Zeitreise zu entführen. Eine Reise durch zehn Jahre Rap und Rock'n'Roll, Liebe und Hass, Frust und Lust. Kurz: Zehn Jahre auf dem Weg in den Olymp der Schweizer Musikszene. Gampel war der letzte Festival-Gig, den Wurzel 5 spielten. Nicht für heuer, sondern für immer. Das zumindest beteuern die Jungs. „Letschti Rundi“, das aktuelle Album sei das letzte Studioalbum, die Tour dazu die letzte Wurzel-Tour.
Wurzel 5 live am Openair Gampel
„Du ein Journi wie jeder andere auch“, meinte Serej nach dem gelungenen Frühturnen auf die Frage, ob Gigs wie jener in Gampel nicht eben doch wieder die Lust auf Mehr wecken. „Das fragte uns in den letzten Wochen jeder.“ Zu Recht. In Frauenfeld holten die Wurzeln als Festivalopener so viele Leute vor die Bühne, wie nie ein Act zuvor, beim Heimspiel am Gurten füllten die Jungs – verbannt auf die Waldbühne – den Schlammhang bis auf den letzten Zentimeter. „Trotzdem“, sagt Serej, „mir wird nichts fehlen, wenn Wurzel 5 Geschichte ist. Weisst du, ich bin nicht der Typ, der es braucht, im Mittelpunkt zu stehen.“ Eine Krankheit, die (zu) viele Musiker kennen. „Wir haben nicht angefangen, Musik zu machen, um berühmt zu werden. Sondern weil wir unseren Spass haben wollten. Und wir ziehen unser Ding bis heute so durch, wie wir wollen und wie es uns gefällt. Dass es auch den Leuten gefällt, freut uns einfach...“ Dass sie bei den Veranstaltern auch nach zehn Jahren an der Spitze der Schweizer Liga immer noch als „Rand-Act“ gesehen werden, die Festival eröffnen oder auf den kleinen Bühnen spielen, scheint die Berner keinen Deut zu kümmern. „Wir sind uns das gewöhnt“, sagt Serej schlicht. Manager Baldy schiebt ein: „Gerade hier war es zudem ein Glücksfall, dass wir auf der Bühne 2 spielen konnten. Das Gelände dort ist schön kompakt, sodass die Post richtig abging.“
Wurzel 5 live am Openair Gampel
Weil Party machen in einer grösseren Gruppe mehr Spass macht und Abschied nehmen zusammen mit Freunden leichter fällt als alleine, haben Wurzel 5 auch gleich noch eine hochkarätige Liveband mit auf die Tour geholt: Roger Massimo (git, u.a. Baze, Greis), Stöffu Jaussi (dr, u.a. Trummer, Büro Amsterdam), Tevfik Kuyas (werdende Basslegende), Christoph Siegenthaler (keys, u.a. Stefanie Heinzmann, Aextra) und Mario Capitanio (lebende Gitarren-Legende) sorgten dafür, dass die aus den straighten HipHop-Wurzeln Äste wuchsten, die so neckische Frühte wie Reggae, Country oder ein derbes Rock-Brett trugen. Das perfekte Morgen-Workout, nicht nur für das Gampjer Publikum, sondern auch für die Band selber, die sich im Lauf des Gigs schier in einen Rausch spielte. „Die Konzerte auf dieser Tour sind schon anders, als früher“, gesteht Serej, „so bescheuert es tönt, aber jede Show macht mir Hühnerhaut – weil ich weiss: Dieses Konzert ist das letzte, das wir hier in dieser Konfirmation spielen.“ Und die „Konfirmation“ ist kein Verschreiber. „Schreib das so, wie ich es gesagt habe“, sagt der Rapper mit einem Grinsen. Aber wie gesagt: Lust auf mehr mache das nicht: „Wenn du sagst, Wurzel 5 seien heuer live so geil wie nie, ist das gut so. Wir wollen einen wirklich krönenden Abschluss setzen!“
Wurzel 5 live am Openair Gampel
Während Serej davon überzeugt ist, dass der Rückzug aus dem Rampenlicht kein Problem für ihn ist, wird ihn die Leidenschaft für die Musik kaum loslassen. „Ich werde mir wohl in den nächsten Jahren eine Gitarre kaufen und diese Griffe selber lernen“, sagt er. „Aber nicht, um für Leute zu spielen oder wieder auf eine Bühne zu stehen. Sondern für mich... Weisst du, wenn ich irgendwo draussen sitze und etwas für mich 'trümele' und ein zweiter kommt hinzu, der 'trümelet', dann 'trümele' wir zu zweit.“ Er habe sein Leben lang gerne gesungen und werde das auch weiter machen. „Vielleicht, weil ich selber daheim nie Platten oder CDs hatte und höre noch heute keine Musik daheim.“ Lieber macht er sie und lebt sie, auch nach Wurzel 5. „Weisst du, wir kennen keinen Neid, in der Band. Wenn einer der Jungs etwas neues machen will, dann soll er das tun. Die unsere Unterstützung hat er.“ Und wer weiss: Vielleicht gibt es irgendwann in ferner Zukunft doch noch ein Revival. Denn ein Event fehlt den Stadtbernern noch in ihrem Palmares. Der Auftritt auf der Gurten-Hauptbühne.
Wurzel 5 live am Openair Gampel
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