Trotz „Summer in Sibirie“: Yuri brennt

Text: Ko:L
Bilder: Florian Kalotay
Sein Albumtitel „Summer in Sibirie“ deutet Permafrost an. Doch Yuri brennt. Der Berner Rapper ist Feuer und Flamme für sein erstes Solo-Werk. „Es war unglaublich, einfach machen zu können, worauf ich Bock habe“, sagt der 23-Jährige im Talk. „In jedem Song ist ein Gefühl von mir, eine Geschichte oder ein Gedanke – das ist extrem speziell.“ Und er gesteht: „Als ich das fixfertige Album zum ersten Mal in den Händen hielt, kamen mir schier die Tränen.“ Den harten Hund zu markieren, hat der MC der Berner Erfolgstruppe 6er Gascho nicht nötig. „Ich brauche nicht zu posen. Ich bezeichne mich auch nicht als Rapper oder straighter Hiphopper. Ich bin Musiker.“ Ein Musiker der einfach grad mal macht, worauf er Bock hat, wie er betont.
CD-Cover: Yuri - Summer in Sibirie
„Es gibt Songs auf dem Album, die hätte ich vor zwei Jahren nie und nimmer gemacht – viel zu wenig straight.“ Aber mit der Arbeit an „Summer in Sibirie“ und vor allem mit dem engen Kontakt zu Produzent Sad wuchs die Lust, mehr als nur Yoyo-Beats zu bringen. Und so finden sich – neben schön straighten Ryhme- und Beat-Nummern auf Yuris Solo-Debut eben auch Tracks „Meitschi“, eine Edel-Soulnummer mit Sänger Raphael Jakob. „Er ist für mich DIE Soulvoice in der Schweiz“, schwärmt Yuri. Aber auch rollende und schreiende Gitarren finden sich auf „Summer in Sibirie“ – in gnadenlosen Abrechnungen wie „I ha dir vertrout“ oder dem Ego-Pusher „Champions“ Ebensowenig darf ein Elektro-Einschlag fehlen; der Representer „Kingz i dr Nacht“ pumpt ziemlich deftig aus den Boxen.
Fabian Kauter aka Yuri
Aber Yuri experimentiert nicht nur mit gängigem HipHop-Beigemüse. „Fortuna“ etwa ist eine gnadenlose Popnummer, die genauso gut aus der Feder eines Singer-Songwriters stammen könnte. „Sad hatte den Beat eigentlich für jemand anderes vorgesehen. Als ich ihn zum ersten Mal hörte und dann mit ins Auto nahm, fing ich sofort an, Zeilen zu singen dazu – die Nummer liess mich nicht mehr los.“ Glück für Yuri, dass der andere am Ende nicht wollte. „Er fand den Beat Scheisse“, sagt Yuri schlicht – ohne sich dabei ein Grinsen verklemmen zu können.
Fabian Kauter aka Yuri
Wer mit dem Berner Rapper – im „echten Leben“ bekannt als Fabian Kauter und Medaillen-Hoffnung der Schweizer Fecht-Nationalmannschaft – spricht merkt: Yuri ist mit Leidenschaft bei der Sache. „Jetzt ist erst mal ein wenig fechten angesagt“, erklärt er mit Blick auf die bevorstehende WM in der Türkei. „Ich hoffe natürlich, dass ich dort auch eine ‚Scheibe’, sprich eine Medaille hole. Aber am liebsten würde ich gleich danach schon wieder loslegen mit neuen Songs.“ So schnell geht’s dann aber doch nicht – zuerst stehen noch Konzerte an. Und Yuri betont: „Die Jungs von 6er Gascho werden wann immer möglich mit am Start sein.“ Denn: „Dass ich jetzt eine Solo-Platte mache, soll nicht heissen, dass Schluss ist mit 6er Gascho. Im Gegenteil, wir haben im Sinn, ein drittes Album zu machen.“ Es sei halt einfach nicht ganz einfach, sechs verschiedene Charaktere, sechs Lebensläufe und sechs Arbeitstempi so unter einen Hut zu bringen, dass alle gleichzeitig ready sind, sich ein Jahr lang voll für ein Album ins Zeug zu legen. Deshalb habe er sich entschieden, jetzt mal solo zu gehen.
Fabian Kauter aka Yuri
Es sei gut möglich, dass „Summer in Sibirie“ sein einziges Solo-Album sei, sagt Yuri zwar in einem Nebensatz. Wer im aber zuhört und in seine leuchtenden Augen blickt, merkt: Dieser Mann hat nicht nur Blut geleckt, er hat Feuer gefangen, er brennt so sehr für seine Leidenschaft Musik, dass er ihr sogar den Song „Müesse los Baby“ gewidmet hat. „Ich wollte mich austoben, machen worauf ich Lust hatte, Neues ausprobieren“, sagt Yuri, „deshalb ist ‚Summer in Sibirie’ auch musikalisch so breit gefächert.“ Austoben und ausprobieren tut der Berner aber nicht einfach so. „Ich will neues entdecken und mich weiterentwickeln.“ Und wir stellen fest: Wer sich weiterentwickeln will, hat nicht im Sinn, etwas an den Nagel zu hängen.
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